Menschen protestieren vor einem Gericht und halten Schilder der Angeklagten in die Höhe (11.4.2025)

Vorwurf der Verschwörung Bis zu 66 Jahre Haft für tunesische Oppositionelle

Stand: 19.04.2025 11:56 Uhr

In einem Massenprozess in Tunesien sind Dutzende Oppositionelle zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Sie sollen versucht haben, den Präsidenten zu stürzen. Haltlos nennen Menschenrechtler und die Opposition die Vorwürfe.

13 bis 66 Jahre Haft - mit diesem Urteil endet ein umstrittener Prozesses in Tunesien. Ein Gericht in Tunis verurteilte Oppositionspolitiker, Geschäftsleute und Anwälte wegen angeblicher Verschwörung gegen den tunesischen Präsidenten Kais Saied. Das meldete die staatliche Nachrichtenagentur TAP unter Berufung auf einen Vertreter der Justiz.

Den Behörden zufolge versuchten die Angeklagten, darunter der frühere Geheimdienstchef Kamel Guizani, das Land zu destabilisieren und Präsident Saied zu stürzen.

Umstrittener Prozess gegen 40 Anwälte, Journalisten und Oppositionelle in Tunesien

Sebastian Kisters, ARD Madrid, tagesthemen, 18.04.2025 23:30 Uhr

"Behörden wollen Opposition kriminalisieren"

Zu den Angeklagten zählen einige der bekanntesten Oppositionspolitiker des Landes, wie zum Beispiel Nejib Chebbi, der Anführer der wichtigsten Oppositionskoalition. "Die Behörden wollen die Opposition kriminalisieren", sagte Chebbi.

"Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen Prozess wie diesen erlebt", sagte Rechtsanwalt Ahmed Souab, der die Angeklagten vertritt, vor der Urteilsverkündung. "Es ist eine Farce, die Urteile liegen vor, und was hier passiert, ist skandalös und beschämend."

Viele Angeklagte flohen ins Ausland

Insgesamt waren 40 Personen angeklagt, mehr als 20 von ihnen waren ins Ausland geflohen. Einige der Angeklagten der Opposition befinden sich seit ihrer Festnahme im Jahr 2023 in Untersuchungshaft. Der Prozess hatte im März begonnen und wurde zweimal verschoben.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sprachen von einem Prozess wegen einer "Pseudo-Verschwörung". Die Quellen, die Beweislage, all das sei sehr fragwürdig. Und man müsse sich nur ansehen, wie lange einige der Angeklagten bereits ohne Verfahren im Gefängnis säßen, nämlich seit über zwei Jahren.

Hauptgegner des Präsidenten sitzen in Haft

Die Opposition bezeichnet die Vorwürfe gegen die Angeklagten als erfunden und den Prozess als Symbol der autoritären Herrschaft von Präsident Saied. Die meisten Vorsitzenden oppositioneller Parteien sitzen im Gefängnis, darunter Abir Moussi, der Chef der Freien Verfassungspartei, und Rached Ghannouchi, Vorsitzender der Ennahda - sie sind zwei von Saieds prominentesten politischen Gegnern.

Menschenrechtsgruppen zufolge hat Saied die volle Kontrolle über die Justiz, seit er 2021 das Parlament aufgelöst hat und per Dekret regiert. Den unabhängigen Obersten Justizrat löste er 2022 auf. Saied weist den Vorwurf zurück, er sei ein Diktator; vielmehr kämpfe er gegen das Chaos und die Korruption, die in der politischen Elite grassierten, argumentiert der Präsident.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 19. April 2025 um 12:10 Uhr.