Trump auf dem Weg zu einer Zeremonie im East Room im Weißen Haus in Washington D.C. (USA)
interview

Trump und der Rechtsstaat "Es geht darum, die US-Demokratie zu entkernen"

Stand: 16.04.2025 10:36 Uhr

Angriff auf Universitäten, Konflikte mit Gerichten: Steuert die Trump-Regierung auf ein autokratisches System zu? Die USA-Expertin Constanze Stelzenmüller erkennt einen beispiellosen Angriff auf die Gewaltenteilung - aber auch, dass der Widerstand wächst.

tagesthemen: Sie haben selbst an der Harvard-Universität studiert. Was steckt hinter dem Machtkampf zwischen Donald Trump und der altehrwürdigen Eliteuniversität?

Constanze Stelzenmüller: Man muss sagen, dass Harvard hier stellvertretend nicht nur für andere private Universitäten genommen wird, sondern für das gesamte amerikanische Bildungssystem, dem die MAGA-Rechte, die Trump an die Macht gebracht hat, korrupte Elitenreproduktion vorwirft, um es wissenschaftlich zu formulieren.

Natürlich wird da Elitenreproduktion betrieben, aber eben auch ganz wichtige Grundlagenforschung auf einem Niveau, das weltweit Vergleichbares sucht. Und das ist jetzt in Gefahr.

Dass der Präsident von Harvard, die eine der reichsten dieser privaten Universitäten ist, eine so klare Position bezogen hat, ist auch wichtig für die weniger wohlhabenden und die kleineren privaten und öffentlichen Universitäten, weil die sich damit im Schatten dieses Widerstands geschützt fühlen können.

Constanze Stelzenmüller
Zur Person
Dr. Constanze Stelzenmüller ist Direktorin des Center on the United States and Europe und erste Inhaberin des Fritz-Stern-Chair bei der Brookings Institution, einem Washingtoner Think Tank.

"Das hat es in der US-Verfassungsgeschichte noch nicht gegeben"

tagesthemen: Dann schauen wir etwas größer drauf. Das ist ein sehr radikaler und schneller Umbau, den Trump da steuert. Und obwohl vieles dabei immer wieder chaotisch aussieht, scheint eine Strategie dahinter zu stecken. Von wem, und was ist sein Ziel?

Stelzenmüller: Ich glaube, es sind zwei Gruppen, die hinter und um Trump versuchen, den amerikanischen Staat umzubauen und nebenbei im Übrigen auch die internationale Sicherheitsordnung, die Weltwirtschaftsordnung und die Weltwährungsordnung, wie wir in den vergangenen Wochen gesehen haben.

Aber innenpolitisch geht es darum, die amerikanische repräsentative Demokratie, die ja unter anderem 1949 Pate gestanden hat für das westdeutsche Grundgesetz, zu entkernen und die sogenannten checks and balances, also die Gewaltenteilung und die Gewaltentrennung, die Einhegung der Macht der Exekutive, aufzuheben zugunsten einer entgrenzten Exekutive, an deren Spitze dann der amerikanische Präsident mit im Grunde genommen uneingeschränkter Machtfülle stehen würde.

Das ist ungeheuerlich. So etwas hat es in der amerikanischen Verfassungsgeschichte noch nicht gegeben.

"Jetzt ist der Kampf aufgenommen"

tagesthemen: Viele haben eine lange Zeit gehofft, dass eben diese Gewaltenteilung Trump daran hindert, die Demokratie besonders zu schwächen. Stimmt das dann nicht mehr?

Stelzenmüller: Ich habe eben von einem Versuch gesprochen, einer Strategie. Ob diese Strategie aufgeht, ob die amerikanische Zivilgesellschaft, die Institutionen, die Mittlerorganisationen, zu denen ja auch die Universitäten gehören, sich nicht doch erfolgreich wehren können, ist, glaube ich, noch offen.

Diese Schlacht hat gerade erst angefangen und es war schon beunruhigend, dass sich in den Monaten seit der der Wahl und seit der Amtseinführung von Trump am 20. Januar gegen bereits sehr drakonische Maßnahmen wochenlang erst mal sehr wenig Widerstand geregt hat.

Aber jetzt sieht man langsam in den Institutionen, auch im Senat und im Kongress, ein Aufblühen, ein erstes Sich-Regen. Ich hätte mir das früher gewünscht, viele Amerikaner und Amerikanerinnen auch, aber ich glaube, jetzt ist der Kampf aufgenommen.

"Das betrifft unmittelbar das eigene Portemonnaie"

tagesthemen: Verschlafen beispielsweise die Demokraten ihre Aufgabe als Opposition? Weshalb ist es insgesamt im Land dann doch noch so ruhig?

Stelzenmüller: Ich glaube nicht, dass es im Land ruhig ist. Vor ein paar Wochen haben wir sogenannte Townhalls gesehen, also im Grunde genommen erregte Treffen von republikanischen Kongressabgeordneten in ihren Wahlkampfbüros zu Hause quer durch die USA, auf denen diese Abgeordneten von Bürgern beschimpft wurden. Sie wurden dann erst mal von der Parteileitung angewiesen, keine solchen öffentlichen Treffen mit Mitbürgern mehr zu machen.

Aber da ist der Unmut sehr groß und er ist spätestens nach dem sogenannten Liberation Day am 2. April für jeden Amerikaner spürbar geworden, als die Strafzölle verkündet wurden, weil fast jeder Amerikaner eine aktiengestützte Rente hat, den sogenannten 401k-Plan, und ihn in der Regel sehr regelmäßig auf einer Börsen-App checkt.

Da wurde auch noch dem Letzten klar, dass das unmittelbar den eigenen Haushalt und das eigene Portemonnaie betrifft. Und das wurde dann sehr schnell an die Abgeordneten und nach Washington gemeldet.

Das Gespräch führte Helge Fuhst, tagesthemen. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 15. April 2025 um 22:15 Uhr.