Ein Junge kratzt Reste aus einem leeren Topf in Chan Junis im südlichen Gazastreifen.

Israel hebt Blockade auf "Grundmenge an Essen" für Gaza - nach zehn Wochen

Stand: 19.05.2025 12:32 Uhr

Seit Anfang März blockiert Israel alle Hilfslieferungen, nun soll wieder Essen in den Gazastreifen kommen. In Teilen des israelischen Kabinetts sorgt die Entscheidung von Premier Netanjahu für Empörung.

Die Überraschung ist Israels Premier Benjamin Netanjahu gelungen: Am Abend verkündete er vor den erstaunten rechten Regierungspartnern im Sicherheitskabinett, dass ab sofort wieder Hilfsgüter in den Gazastreifen dürfen. In den israelischen Medien heißt es, die USA hätten Druck ausgeübt. Kurze Zeit später das offizielle schriftliche Statement der Regierung:

Auf Empfehlung des Militärs, und damit die Kämpfe in Gaza ausgeweitet werden können, wird Israel eine Grundmenge an Essen hineinlassen, damit keine Hungersnot entsteht. Das würde die Offensive Israels in Gaza und das Ziel, die Hamas zu besiegen, gefährden.

Nun sollen Hilfsorganisationen humanitäre Güter eine Woche lang in den Küstenstreifen hineinbringen. Dann sollen private Sicherheitsfirmen Essen in ausgewiesenen Zonen im Süden Gazas verteilen, um zu verhindern, dass Hilfen in die Hände von Terroristen fallen. Die Freilassung von Geiseln knüpfte Netanjahu nicht an die Hilfstransporte. Über ihre Freilassung und einen Waffenstillstand wird weiter verhandelt.

Entrüstet über die Entscheidung Netanjahus reagierte der rechtsradikale Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir. Er postete ein Video im Internet, in dem er sagt: "Eine Verhandlungslösung, ohne die Hamas zu vernichten, das wird nicht passieren. Der Job muss erledigt werden. Den Gazastreifen mit voller Kraft einnehmen, besetzen und besiedeln. Bloß keine humanitäre Hilfe reinlassen. Ich hoffe, wir gehen den ganzen Weg zum Sieg."

Große Fluchtbewegung im Gazastreifen

Unterdessen begleiten das Surren der Drohnen und Detonationen der Bomben die flüchtenden Menschen im Gazastreifen. Wieder fliehen Zehntausende vom Norden in den Süden. Wieder versucht jeder sein letztes Hab und Gut auf dem Rücken, einem klapprigen Fahrrad, einem alten Bollerwagen oder auf einem Eselskarren in Sicherheit zu bringen.

Auch Abu Mohammad Yassin aus dem schwer unter Beschuss stehenden Flüchtlingscamp Dschabaliya im nördlichen Gaza hat das Nötigste zusammengepackt: "Ich sammle Holz und Plastik und verkaufe es, damit ich mir einen Eselskarren leisten kann, um zu flüchten. Ich habe kein Geld, um zu fliehen. Wenn die Israelis einen Waffenstillstand wollen, lehnt die Hamas ab. Wenn die Hamas einen Waffenstillstand will, lehnt Israel ab. Beide Seiten wollen uns auslöschen. Bitte Gott, Gnade! Keine Vertreibung mehr."

Israelische Armee rückt weiter vor

Die israelischen Soldaten rücken im Norden und Süden des Küstenstreifens mit fünf Bataillonen vor, um ihre Kontrolle auszuweiten. Der Angriffsplan mit Namen "Gideons Streitwagen" sieht vor, Gaza erneut zu teilen, aber anders als zuvor sollen Gebiete, die erobert wurden, gehalten werden. So soll nach Angaben der israelischen Regierung Druck auf die Hamas ausgeübt werden, die restlichen 58 Geiseln freizulassen und die Toten zurückzugeben.

Israels Armeesprecher Effie Defrin sagte, das Einzige, das die Armee stoppen könne, sei eine Freilassung der Geiseln. "Wir betonen, dass die Armee der Politik die Flexibilität geben wird, damit die Geiseln zurückkommen können."

Unterdessen geht das Sterben in Gaza weiter. Am Sonntag meldete das Hamas-geführte Gesundheitsministerium etwa 140 Tote.

Anne-Katrin Mellmann, ARD Berlin, tagesschau, 19.05.2025 11:53 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 19. Mai 2025 um 12:00 Uhr.