Außenminister Wadephul in Israel bei Netanjahu

Außenminister Wadephul in Israel Zu Besuch bei sehr komplizierten Freunden

Stand: 12.05.2025 01:51 Uhr

Die erste Reise außerhalb Europas führte den neuen Außenminister nach Israel. Für Wadephul war es ein Balanceakt zwischen deutscher Verantwortung und deutlichen Worten.

Von Claudia Buckenmaier und Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio

Es ist Johann Wadephuls erste Pressekonferenz als Außenminister auf außereuropäischem Parkett. Gerade hat sich sein israelischer Amtskollege Gideon Saar bei ihm bedankt. Es sei eine Ehre, dass seine erste internationale Reise außerhalb Europas Wadephul nach Israel führe. Kanzler Friedrich Merz und er, der neue Außenminister, seien wahre Freunde Israels. Man versteht sich eben.

Als aber der wahre Freund Israels, Wadephul, auf Deutsch zu reden beginnt, versteht Saar erst einmal: nichts. Es gibt ein technisches Problem mit den Dolmetscherkabinen oder mit den Mikrofonen. "Trotzdem verstehen wir uns hervorragend", reagiert Wadephul prompt. "Ich bin sicher, dass Sie nichts sagen werden, das ich nicht mag", so Saar. Nach einigem Hin und Her schließlich die Lösung: ein Handmikrofon für den deutschen Außenminister und Übersetzungshilfe für den israelischen Gastgeber durch den israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, der Wadephul auf der Reise begleitet.

Kritik an Blockade humanitärer Hilfe in Gaza

Ob der deutsche Politiker wirklich nichts sagt, was Saar missfällt? Wadephuls Botschaft in dieser Pressekonferenz ist erstaunlich klar und deutlich. Er stehe an der Seite Israels, aber das heiße nicht, dass Kritik verboten wäre. Das ist Wadephuls Interpretation der Staatsräson, die Ex-Kanzlerin Angela Merkel einst für Israels Sicherheit definierte.

Kritik also ist erlaubt, manchmal sogar geboten. Sie dürfe nur nicht zu Antisemitismus führen. Die Priorität der Bundesregierung sei es, die Geiseln freizubekommen. "Unerträglich" nennt Wadephul aber auch die humanitäre Lage in Gaza. Deswegen erlaube er sich die "ehrlichen und sorgenvollen Worte", schiebt der CDU-Politiker nach: Er sei sich nicht sicher, dass die seit März intensivierte Militäraktion langfristig der Sicherheit Israels diene.

Damit die Palästinenser in Gaza eine Zukunft haben, dürfe niemand gezwungen werden, das Land zu verlassen, die israelischen Soldaten dürfen nicht langfristig dort bleiben, betont der neue Bundesaußenminister. Brutaler formuliert: Deutschland muss sichergehen, dass es keine ethnischen Säuberungen und keine dauerhafte Besatzung des Gazastreifens gibt.

Besuch von Yad Vashem und Treffen mit Netanjahu

Wadephuls Worte sind deutlich, aber ein Versprechen der israelischen Seite bekommt er nicht. Saar signalisiert ihm, dass er den Wechsel im Auswärtigen Amt sehr schätzt - unter anderem durch mehr Aufmerksamkeit als üblich. Kurz nach Wadephuls Ankunft sitzen die beiden gut zwei Stunden lang bei einem privaten Abendessen zusammen.

Am Sonntagmorgen sind sie nach einem anderen Termin gemeinsam in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Beobachter sprechen davon, dass das so noch nie vorgekommen sei und als besondere Anerkennung gewertet werden könne.

"Mit Entsetzen und mit Scham stehe ich hier als Außenminister Deutschlands", schreibt der Minister später ins Gästebuch von Yad Vashem. Der Auftrag: "Gemeinsam gegen Antisemitismus aufzustehen und die Zukunft gemeinsam auf der unteilbaren Menschlichkeit gestalten." Nach dem Besuch von Yad Vashem wurde der neue deutsche Chefdiplomat auch von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu empfangen.

Johann Wadephul und Benjamin Netanjahu

Außenminister Wadephul traf in Jerusalem den israelischen Premier Netanjahu. Letzterer sprach von "exzellenten Beziehungen" zwischen den beiden Ländern.

Neues Modell zur Verteilung von Hilfsgütern

Wadephul gelingt bei dieser ersten Reise nach Israel der vorsichtige Balanceakt zwischen der besonderen deutschen Verantwortung und der Mahnung an Israel in Bezug auf Gaza. Aber es ist ein Gelingen auf Probe, denn noch ist völlig offen, ob sich die israelische Regierung bei der Frage, wieder humanitäre Hilfe zuzulassen, bewegen wird.

Saar pocht auf das kürzlich vorgeschlagene amerikanische Modell, das die Verteilung von Hilfsgütern in private Hände, unter anderem in die von extra beauftragten Sicherheitsfirmen, legen will. Nur darin sieht Israel die Garantie, dass die Hamas die Hilfslieferungen nicht mehr für ihre Zwecke missbrauchen kann und sie direkt bei der Bevölkerung ankommen.

Wadephul verspricht, die Bundesregierung werde diesen Weg offen prüfen, pragmatisch. Er wolle bei einem Treffen mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Dienstag in Berlin versuchen, schnell zu verstehen, was die Bedenken der Vereinten Nationen seien, um darauf reagieren zu können. Angesichts dieses Vorstoßes aber könne er Israel kein völkerrechtswidriges Verhalten vorwerfen.

Nicht zu viel riskieren

Und was ist mit Hunger als Waffe? Was mit den mehr als 50.000 Toten und den über 70 Prozent zerstörten Gebäuden? Israelkritische Beobachter würden Wadephul widersprechen. Sie sehen eine eklatante Verletzung des Völkerrechtes. Im Vorfeld hatte Wadephul die Erwartungen gedämpft, hatte mehrfach betont, er wolle erst einmal zuhören, die verschiedenen Positionen kennenlernen und verstehen. Heißt aber auch, sich tastend vorwärts zu bewegen, nicht zu viel zu riskieren, niemanden zu verprellen - trotz aller Deutlichkeit.

Er hat Einladungen an seinen Amtskollegen nach Deutschland ausgesprochen - bereits im Juni will der Israeli nach Berlin kommen - und hat angekündigt, dass der Kanzler Merz so bald wie möglich nach Israel reisen möchte.

Lob für die Palästinenserbehörde im Westjordanland

Am Nachmittag steht der Minister dann im Westjordanland. Über den Dächern von Ramallah lässt er sich von den Vertretern des dortigen deutschen Verbindungsbüros zeigen, wie die israelischen Siedlungen immer tiefer ins Palästinenserland dringen, wie Kontrollpunkte und Sicherheitsschneisen völkerrechtswidrig das Land durchschneiden.

Wadephul ist da ein sehr stiller Zuhörer. Wo seine Vorgängerin Annalena Baerbock ihre Gesprächspartner regelrecht löcherte, wissen wollte, was hinter den Dingen steckt, wirkt Wadephul eher höflich interessiert. Für die Palästinenserbehörde aber, die einst geschaffen wurde, um dem Volk Verwaltung und Regierungsstrukturen zu geben, hat der 62-Jährige öffentlich überwiegend lobende Worte übrig. Sicher, sie habe ihre Fehler, aber sie werde dringend gebraucht.

30 Millionen Euro hat der Außenminister als sichtbares Zeichen dafür mitgebracht, dass Deutschland die Palästinenser nicht allein lässt. "Denn es gibt eine Verpflichtung zur humanitären Hilfe entlang der Prinzipien von Menschlichkeit, Unparteilichkeit und Neutralität." Es gibt das Völkerrecht, hätte Wadephul auch einfach sagen können. Aber manchmal sind gerade die einfachen, klaren Sätze die komplizierteren. Vor allem bei einem Antrittsbesuch bei sehr komplizierten Freunden.   

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 12. Mai 2025 um 08:35 Uhr.