
Vor Präsidentenwahl in Polen Kandidaten mobilisieren Zehntausende in Warschau
Eine Woche vor der Stichwahl um das polnische Präsidentenamt haben die beiden Kandidaten in Warschau Zehntausende Anhänger mobilisiert. Die Wahl gilt als richtungsweisend für das EU- und NATO-Land.
Eine Woche vor der Stichwahl für das Präsidentenamt in Polen am 1. Juni haben die beiden Kandidaten in Warschau Zehntausende Unterstützer zu Demonstrationen mobilisiert.
Der pro-europäische Kandidat Rafal Trzaskowski rief seine Anhänger zu einem "Großen Marsch der Patrioten" auf. Ziel war der Platz der Verfassung im Zentrum der polnischen Hauptstadt. Der "Marsch für Polen" seines rechtsnationalistischen Konkurrenten Karol Nawrockis führte zum Schlossplatz in der Altstadt.
Richtungsweisende Präsidentenwahl
Trzaskowski hatte die erste Runde der Präsidentschaftswahl am 18. Mai mit gut 31 Prozent knapp gewonnen. Nawrocki sicherte sich mit knapp 30 Prozent den zweiten Platz und zog damit in die Stichwahl gegen den Warschauer Bürgermeister ein.
Die Präsidentenwahl gilt als richtungsweisend in dem EU- und NATO-Mitgliedstaat. Trzaskowski gehört wie Ministerpräsident Donald Tusk der liberal-konservativen Bürgerplattform an. Ein Wahlsieg des 53-Jährigen würde den Weg für die Reformen der Regierung frei machen.
Der 42-jährige Nawrocki wird von der nationalkonservativen früheren Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt. Sollte er die Stichwahl gewinnen, wäre eine Fortsetzung der Blockadepolitik des scheidenden Staatschefs Andrzej Duda zu erwarten. Beobachter halten in diesem Fall vorgezogene Parlamentswahlen für möglich.
Religiöse Lieder einerseits, Regenbogenflaggen andererseits
Nawrockis Unterstützer sangen am Sonntag patriotische und religiöse Lieder und hielten Schilder hoch, auf denen sie ein Ende der Einwanderung forderten. Piotr Nowak, ein 41-jähriger Techniker aus Warschau, sagte der Nachrichtenagentur AFP: "Wir haben eine kosmopolitische Regierung. Sie wollen den Euro einführen und wir werden unsere Souveränität verlieren."
Auf der Kundgebung für Trzaskowski schwangen viele Demonstranten EU-Flaggen und Regenbogenfahnen. Olivia, eine 20-jährige Studentin, die ihren Nachnamen nicht verraten wollte, sagte, dass sie Trzaskowski vor allem unterstütze, weil er die Rechte queerer Menschen und Frauenrechte schützen wolle.
Kop-an-Kopf-Rennen um das Präsidentenamt
In Umfragen liegen beide Kandidaten derzeit gleichauf bei 46,3 Prozent. Beobachter erwarten einen erbitterten Kampf um die Anhänger der in der ersten Runde unterlegenen Kandidaten.
Im ersten Wahlgang hatte das Rechtsaußen-Lager starke Zuwächse verbucht: Der rechtsextreme Kandidat Slawomir Mentzen und der antisemitische EU-Abgeordnete Grzegorz Braun holten zusammen mehr als 20 Prozent der Stimmen. Insgesamt stimmte somit eine Mehrheit der Wähler in der ersten Runde für Bewerber rechter und rechtsextremer Parteien.
Der Präsident hat in Polen begrenzte Befugnisse, er ist aber Oberbefehlshaber der Streitkräfte, bestimmt die Außenpolitik und hat das Recht, Gesetze einzubringen oder sein Veto gegen sie einzulegen.