Ein Stapel mit verschiedenen Tageszeitungen liegt auf einem Tisch

Presseschau zum US-Angriff "... mit unabsehbaren Folgen"

Stand: 23.06.2025 10:46 Uhr

Der US-Angriff auf den Iran wird in den Zeitungen weltweit kritisch kommentiert: Die Sorge vor Chaos ist groß. Als Negativbeispiele gelten der Irak und Afghanistan. Ein friedliche Machtwechsel gilt als unwahrscheinlich.

Zu den Angriffen der USA auf Atomanlagen im Iran heißt es in der niederländischen Zeitung De Telegraaf: "Mit seiner historischen Entscheidung, iranische Atomanlagen zu bombardieren, hat US-Präsident Donald Trump nicht nur etwas getan, was keiner seiner Vorgänger gewagt hat, sondern auch eines seiner wichtigsten Wahlversprechen gebrochen: keine Einmischung in ausländische Konflikte. (...)

Die Geschichte lehrt, dass solche Konflikte oft unbeabsichtigte Folgen für US-Präsidenten haben. Es droht ein umfassender, länger andauernder Konflikt. Vor allem, wenn der Iran sich nicht ohne weiteres geschlagen gibt und Trump - angespornt durch Israel - versucht ist, weiter Druck auszuüben und einen Regimewechsel in Teheran anzustreben."

Die britische Zeitung The Telegraph kommentiert: "Washington sagt, es strebe keinen Wechsel des Regimes an. Und die Vorstellung, dass es durch eine wohlwollende Demokratie nach westlichem Vorbild ersetzt werden könnte, wie es sie im Iran noch nie gegeben hat, ist illusorisch. Wahrscheinlicher ist, dass die Revolutionsgarde in einem Militärputsch die Macht übernimmt, mit unabsehbaren Folgen."

Die österreichische Zeitung Die Presse meint: "Vorrangiges Ziel für die Führung in Teheran wird es bleiben, ihre Macht zu erhalten. Entsprechend wird sie ihre Antwort kalibrieren. Bevor die Mullahs untergehen, werden sie jedoch möglicherweise versuchen, die ganze Region in den Abgrund zu reißen. In den Augen der frustrierten iranischen Bevölkerung ist das korrupte Unterdrückungsregime längst diskreditiert. Die Abermilliarden, die es ins Atomprogramm und in Terrororganisationen statt in die Entwicklung des Landes steckte, haben sich als gigantische Fehlinvestitionen erwiesen. An die islamistische Revolutionsrhetorik glaubt ohnehin kaum noch jemand.

Zwei Machtressourcen außer nackter Gewalt bleiben den Ayatollahs jedoch noch: der unbeirrbare Wunsch der Iraner nach nationaler Unabhängigkeit und der tief in der schiitischen Kultur verankerte Kult der Selbstaufopferung. Jedes externe Gerede über einen Regimewechsel spielt den Machthabern in Teheran deshalb nur in die Hände."

Erinnerungen an den Irak und Afghanistan

Die Neue Zürcher Zeitung kommentiert: "Experten sagen, es brauche ultimativ Bodentruppen, um das iranische Nuklearprogramm zu beenden - und die iranische Armee hat beträchtliche Kapazitäten. Wirtschaftlich verfügt Iran auch über ein erhebliches Druckmittel: Iran kontrolliert die Meerenge von Hormus  - ein Nadelöhr für den globalen Erdölhandel.

Auch wenn Israel und die USA das iranische Regime in die Knie zwingen könnten, stellt sich die Frage, wie man ein Land, das sich die Intervention von außen nicht gewünscht hat, stabilisieren kann. Ein gutes Szenario ist kaum vorstellbar: Sowohl im Irak wie in Afghanistan führten erzwungene Machtwechsel zu Terror und Bürgerkrieg."

Auch die dänische Zeitung Politiken blickt zurück: "Repressive nahöstliche Regimes anzugreifen ist traditionell ein Rezept für Chaos und gescheiterte Staaten. Irak und Libyen sind abschreckende Beispiele für misslungene westliche Interventionen." 

Die niederländische Zeitung Trouw schreibt: "Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kann zufrieden sein, denn mit dem amerikanischen Angriff scheint nun das zu geschehen, was er seit 20 Jahren anstrebt: Iran als regionale Großmacht auszuschalten, die mit Atomwaffen eine nahezu unantastbare Position erlangen würde. Das Völkerrecht ist allerdings eindeutig: Ein Angriff auf ein Land ist nicht zulässig, es sei denn, es besteht eine unmittelbare Bedrohung. Ein Angriff kann also nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass man Verhandlungen, die nicht vorankommen, erzwingen will.

"Hinter den Kulissen erodiert der Zusammenhalt der NATO"

La Repubblica aus Italien sieht die Glaubwürdigkeit von Trump beschädigt: "Mit dem Angriff auf den Iran hat Donald Trump vielleicht den persischen Atomstandorten schweren Schaden zugefügt, aber er hat auf jeden Fall die verbleibende Glaubwürdigkeit der USA in der Welt beschädigt. Außerdem hat er eine Krise in seiner eigenen Bevölkerung ausgelöst, die ihn gewählt hat, damit er sich um sein Land kümmert, anstatt weit entfernte Monster zu bekämpfen."

Die spanische Zeitung El Mundo kommentiert: "Donald Trumps Angriff im Alleingang auf den Iran bedeutet das Ende des Multilateralismus und der kollektiven Sicherheit, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden waren. Die selbsternannte Position des US-Präsidenten als Friedensstifter, der sich selbst des Friedensnobelpreises für würdig hält, ist dahin. (...) Wenn ein Bombenangriff auf Nuklearanlagen einfach möglich ist, lautet die implizite Botschaft: In der verbleibenden Amtszeit von Trump ist alles möglich: totale Unberechenbarkeit. 

Die australische Zeitung Sydney Morning Herald sieht in dem Angriff eine Herausforderung für die NATO: "Für die NATO sind die Auswirkungen immens. Das Bündnis, das noch immer unter den Folgen des über dreijährigen Stellungskriegs in der Ukraine leidet, sieht sich nun gezwungen, mit einem US-Präsidenten umzugehen, der es in einen größeren regionalen Krieg hineinzieht - einen Krieg, auf den nur wenige europäische Hauptstädte Lust oder für den sie die Kapazität haben. (...)

Hinter den Kulissen erodiert der Zusammenhalt der NATO. Nicht wegen russischer Panzer, sondern wegen der Unberechenbarkeit der USA. Und das hat die NATO und Europa gezwungen, sich einer unbequemen Wahrheit zu stellen. Die größte Bedrohung für ihre Einheit könnte nun aus dem Bündnis selbst kommen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 23. Juni 2025 um 12:50 Uhr.