Nicusor Dan.
Porträt

Rumäniens künftiger Präsident Dan Ein Pragmatiker gegen die Korruption

Stand: 19.05.2025 05:12 Uhr

Eigentlich war der Sieger der Präsidentenwahl in Rumänien selbst ein Protestkandidat: Denn der Mathe-Professor Dan ist ein parteiloser Reformpolitiker, gilt als extrem pragmatisch - und vor allem als nicht korrupt.

Die Stichwahl in Rumänien war überraschend unspannend - zur Freude des pro-europäischen Lagers. Der parteilose liberale Reformpolitiker, Nicusor Dan, holte knapp 54 Prozent und rund 850.000 Stimmen mehr als sein Herausforderer, der Rechtsradikale George Simion.

Der Schlüssel für den Erfolg war der enorme Anstieg bei der Wahlbeteiligung. Beim ersten Präsidentschaftswahlgang lag sie noch bei 53 Prozent. In der Stichwahl waren es dann 65 Prozent.

Offenbar haben sich viele Nicht-Wähler einen Ruck gegeben, nachdem sie sahen, dass Simion in der ersten Runde das mit Abstand beste Resultat geholt hatte. Die vielen zusätzlichen Wähler verhinderten einen rechtsradikalen Präsidenten in Rumänien.

Pragmatischer Mathe-Professor

Das künftige rumänische Staatsoberhaupt, Dan, ist ein 55-jähriger Mathematik-Professor. Er kann durchaus als Mathe-Genie bezeichnet werden: Als Jugendlicher gewann er bei der internationalen Mathematik-Olympiade zweimal die Goldmedaille für Rumänien.

Seine Mitstreiter aus seinem Wahlkampfteam erzählen, dass er sich auch so verhält, wie man sich einen typischen Mathematiker vorstellt - extrem pragmatisch. Dan habe etwa, zum Bedauern seines Teams, viele Social-Media-Auftritte abgelehnt, weil sie, laut "seiner Logik und seinen Berechnungen" keinen unmittelbaren Nutzen gebracht hätten.

Am Ende hat es zum Sieg gereicht, und Dan trat ans Rednerpult, vor die Kameras des linearen Fernsehens: "Ich möchte mich bei den zehntausenden Rumänen bedanken, die in den vergangenen Wochen für unsere Idee gekämpft haben. Sie haben bewiesen, welche Kraft die Zivilgesellschaft hat. Diese Kraft ist viel stärker als die Entfremdung in diesem Land", sagte Dan.

Stichwahl zwischen zwei Protestkandidaten

In Rumänien haben sich tatsächlich viele von der Politik entfremdet. Sowohl der Rechtsradikale, George Simion, als auch der parteilose Reformpolitiker, Nicusor Dan, waren Protestkandidaten.

Der Präsidentschaftkandidat der großen Regierungskoalition aus den Parteien PSD, PNL und UDMR, Crin Antonescu, war schon in der ersten Wahlrunde ausgeschieden. Und dann löste sich die Regierungskoalition Anfang Mai auf. Premier Marcel Ciolacu trat zurück. Die Regierung war immer unbeliebter geworden, ihr wurde Korruption vorgeworfen.

Rumänien ist das drittkorrupteste Land der EU, nach Ungarn und Bulgarien. Das will Dan als Präsident ändern, und viele kaufen ihm das auch ab. Denn er ist im Gegensatz zu vielen anderen rumänischen Politikern selbst nicht durch Korruption aufgefallen.

Dan sagte in seiner Siegesrede: "Bei den heutigen Wahlen hat eine Gemeinschaft von Rumänen gewonnen, die einen tiefgreifenden Wandel wollen. Eine Gemeinschaft, die eine funktionierende Verwaltung fordert, ein Land mit weniger Korruption und eine prosperierende Wirtschaft für die rumänischen Bürger."

Wer wird mit Regierung beauftragt?

Eine der ersten Aufgaben von Präsident Dan ist es, einen neuen Premierminister zu finden und ihm den Regierungsbildungsauftrag zu erteilen. Dabei ist im Moment noch schwer vorstellbar, mit welcher Regierung Nicusor Dan gut zusammenarbeiten könnte, denn Reformkräfte haben im rumänischen Parlament keine Mehrheit.

Auch auf die etwa fünf Millionen Wähler des rechtsradikalen Präsidentschaftskandidaten Simion will Dan zugehen.

Es ist eine Gemeinschaft, die so empört ist, dass sie glaubt, die Lösung für Rumänien sei eine Revolution. Es ist unsere Pflicht, diese Menschen davon zu überzeugen, dass die Lösung für Rumänien eine Reform der Justiz ist und eine Reform der Verwaltung. Es wird eine schwierige Zeit kommen, um die Wirtschaft ins Gleichgewicht zu bringen. Ich bitte Euch um Hoffnung und Geduld.
Nicusor Dan

Simion wäre für EU ungemütlich geworden

Der unterlegene Kandidat bei der Präsidentschaftswahl, der 38-jährige Chef der AUR-Partei, Simion, meldete sich mit einem etwas skurrilen Video zu Wort. Im feinen blauen Anzug, an einem edlen Holzschreibtisch sitzend, verkündete er zu melancholischer Klaviermusik seine Wahlniederlage. "Es ist Zeit, unseren Kampf fortzusetzen für Gerechtigkeit und Wahrheit, für die traditionelle Familie, für den christlichen Glauben und die Freiheit", sagte Simion dabei.

Als Präsident wäre er vermutlich ziemlich ungemütlich für die EU geworden. Simion wollte gegen die EU-Kommission opponieren und für mehr Nationalstaat kämpfen. Er ist gegen die militärische Unterstützung der Ukraine, und er hat völkische Ansichten und Großrumänien-Träume, etwa von einer Vereinigung mit der Republik Moldau. Der neue Präsident Nicusor Dan ist dagegen überzeugter Europäer.

Oliver Soos, ARD Wien, tagesschau, 19.05.2025 05:27 Uhr