
NATO-Verteidigungsminister Letzte Vorbereitungen für die große Aufrüstung
Die NATO-Verteidigungsminister treffen sich in Brüssel. Dort wollen sie letzte Vorbereitungen für ein beispielloses Aufrüstungsprogramm treffen. Ziel ist vor allem die Sicherung der Ostgrenze.
Mark Rutte ist kein Mann, der sich in der Öffentlichkeit mit Selbstzweifeln plagt. Als NATO-Generalsekretär tritt er cool und selbstbewusst auf, er will das Bild einer starken und geschlossenen Allianz repräsentieren. Nach innen und nach außen.
So selbstbewusst, wie vor dem heutigen NATO-Verteidigungsministertreffen hat er sich noch nicht geäußert: Die NATO sei das mächtigste Verteidigungsbündnis der Weltgeschichte, sagte Rutte, "mächtiger als das Römische Reich". Ein Satz wie in Stein gemeißelt, eine Anspielung auf den imperialen Höhepunkt der Römer. Den Niedergang Roms unter dem wachsenden Druck auf die Außengrenzen durch Angreifer aus dem Osten - Hunnen, Germanen, Perser - ließ Rutte weg. Das wäre etwas für Zweifler.
Sicherung durch Abschreckung
Die Sicherung der Ostgrenze durch Abschreckung wird das beherrschende Thema sein, wenn sich die Verteidigungsminister der Allianz heute im Brüsseler Hauptquartier treffen. Ein letztes Mal will man gemeinsame Ziele für die Aufrüstung besprechen, möglichst konkret, damit die Zukunftspläne in drei Wochen beim NATO-Gipfel in Den Haag verabschiedet werden können.
Es geht auch um Trumps Fünf-Prozent-Idee
Das alte Zwei-Prozent-Ziel soll abgelöst werden, künftig könnte eine Fünf vor dem Komma stehen. Heißt: Jedes Mitgliedsland verpflichtet sich, fünf Prozent seiner Wirtschaftsleistung, dem Bruttoinlandsprodukt, in die Verteidigung zu investieren.
Die Idee mit der Fünf vor dem Komma stammt von Donald Trump. Im Januar haute er die Zahl raus, einfach so, ohne Absprache mit den Partnern. "Irre Idee" oder "völlig illusorisch" lauteten die ersten Reaktionen im Bündnis. Die Zahl schien aus der Luft gegriffen, weil fast ein Drittel der NATO-Länder immer noch nicht das gültige Zwei-Prozent-Ziel schafft.
Unklar blieb auch, ob Trump selbst damit rechnete, dass sein Vorschlag ernst genommen würde. Rutte griff die Zahl auf, er schien sie ernst zu nehmen. Oder besser: Er gab vor, sie ernst zu nehmen.
Ausgaben für Infrastruktur
Um an die fünf Prozent zu kommen, so verlautete aus dem Hauptquartier, könnte man Ausgaben für Infrastruktur wie den Ausbau militärisch nutzbarer Straßen und Brücken in Höhe von 1,5 Prozent dazu rechnen. Gerade für logistisch zentrale Länder wie Deutschland mit ihrem Auftrag, Transporte von Truppen und Panzern unfallfrei sicherzustellen, ein wichtiger Beitrag.
Dann blieben 3,5 Prozent für direkte Verteidigungsausgaben wie Waffen, Munition und Soldatengehälter - aus Sicht von Experten wäre das immer noch eine enorme Anstrengung für das Bündnis, aber eine machbare.
Hinter der Prozentrechnung steckt die Hoffnung, dass Trump das Einschwenken der Europäer und Kanadier auf seine Vorgabe als einen persönlichen Triumph werten könnte und - wichtiger noch - dass er ablässt von den Drohungen, Europa allein zu lassen mit der Bedrohung durch das Russland von Präsident Wladimir Putin.
Pistorius will lieber über das Notwendige reden
Ob die fünf Prozent beim Gipfel in Den Haag am Ende schwarz auf weiß im Schlussdokument stehen, ist noch nicht sicher. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius würde lieber weniger über Prozentzahlen und mehr über das militärisch Notwendige diskutieren. Beim Gipfel müsse man darüber verhandeln, "was nötig ist und was möglich ist", sagte er. Er wünsche sich eine Verhandlung "unter Erwachsenen".
Was nötig ist, will Pistorius zusammen mit den anderen 31 Verteidigungsministern der Allianz beim Treffen in Brüssel festzurren. Dabei geht es um konkrete militärische Fähigkeiten zur Abschreckung und Verteidigung.
Luftverteidigung, Transportkapazitäten, weitreichende Waffensysteme und moderne Drohnentechnologie - jedes Land bekommt abgestimmte Planungsziele, je nach Lage und bisherigem Aufgabenprofil. Für Deutschland ist auch eine Heraufsetzung der Zahl von Soldatinnen und Soldaten im Gespräch.
Eine entscheidende Rolle bei allen Rüstungsplänen wird aber die Frage spielen, was die Europäer im Ernstfall an Fähigkeiten ersetzen müssten - Fähigkeiten, die bisher die USA im Bündnis übernommen haben. Denn selbst wenn Trump sich mit der Fünf vor dem Komma vorerst gnädig stimmen lassen sollte, ist allen Europäern klar, dass sie notfalls auch allein für die Sicherheit des Kontinents gerüstet sein sollten.