Eine Luftaufnahme zeigt die Zerstörungen an der Ahr, nachdem eine Flutwelle auch das Dorf Insul überschwemmt hat (Archivbild vom 15. Juli 2021).

Pläne der Innenministerin Neustart beim Bevölkerungsschutz

Stand: 13.07.2022 17:33 Uhr

Zum ersten Mal jährt sich die Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz. Innenministerin Faeser hat nun ein Konzept für besseren Katastrophenschutz vorgestellt - auch die Bevölkerung soll mitziehen.

Von Mario Kubina, ARD Berlin

Menschen, die im Keller ihres Hauses ertrinken, Überlebende, die sich auf Dächer retten, um den Wassermassen zu entkommen. Landschaften, die in Trümmern und Schlamm versinken: Die Flutkatastrophe im vergangenen Sommer hat offengelegt, dass Deutschland auf solche Notlagen nicht ausreichend vorbereitet ist.

"Für eine ehrliche Bestandsaufnahme müssen wir klar sagen: Wir haben uns zu lange sicher gefühlt", sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser. "Wir müssen jetzt mit aller Kraft die großen Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte aufarbeiten." Die SPD-Politikerin verspricht einen Neustart im Bevölkerungsschutz:

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe können wir heute sagen: Ja, wir haben aus den schrecklichen Ereignissen des letzten Jahres gelernt. Der Schutz unserer Bevölkerung hat nun endlich die Priorität, die er schon längst hätte haben müssen.

Ein schnelles Dach über dem Kopf

Heißt konkret: kein Hin- und Herschieben von Verantwortung, wie es die Ministerin formuliert. Bund, Länder und Hilfsorganisationen sollen sich in Krisenlagen besser koordinieren. Eine Schüsselrolle kommt laut Faeser einem neuen Kompetenzzentrum zu, auf das sich Bund und Länder geeinigt haben. Hier sollen krisenrelevante Informationen zusammenlaufen, um Hilfseinsätze aufeinander abzustimmen und bei großflächigen Katastrophen bundesweite Lagebilder zu erstellen.  

Ist der Krisenfall da, sollen die Menschen in Zukunft schnell ein Dach über dem Kopf haben - und sei es ein Zeltdach: "Mit der Schaffung von mehreren Notfall-Zeltstädten für den mobilen Einsatz im gesamten Bundesgebiet können Schlafplätze in Zelten, Gesundheitsversorgung, Strom, Wasser und Mobilität für jeweils bis zu 5000 Menschen bundesweit in Rekordzeit aufgebaut werden", so Faeser.

Bevölkerungsschutztag geplant

Wichtig ist ihr auch, dass in Zukunft besser vor drohenden Katastrophen gewarnt wird - "denn eine rechtzeitige Warnung kann Leben retten". Ab dem nächsten Frühjahr soll das so genannte Cell-Broadcast-System einsetzbar sein. Damit können Behörden Warnungen direkt aufs Handy schicken.

Insgesamt wünscht sich die Innenministerin ein größeres Problembewusstsein in der Gesellschaft. Deshalb soll es in Zukunft einmal im Jahr einen Bevölkerungsschutztag geben. Das Ziel: Jede und jeder soll wissen, was bei Fluten oder auch Waldbränden zu tun ist - und wie man anderen helfen kann.

Mehr Offenheit bei Krisenkommunikation gefordert

Auch Ralph Tiesler hat eine Botschaft mitgebracht zu dieser Pressekonferenz. Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe macht deutlich: Was Bedrohungslagen angeht, gibt es keine Gewissheiten mehr. "Wir müssen offen miteinander reden", fordert er. "Das heißt: Wir müssen einen Weg finden, Gedanken zuzulassen im Austausch, die wir bislang nicht ausgesprochen haben."

Genau das hat Tiesler schon vor dem Auftritt mit der Ministerin getan. Mit einem Zeitungsinterview, in dem er davor warnte, dass bestimmte Flächen wegen Extremwetter-Ereignissen unbewohnbar werden könnten. Dazu befragt, sagt er bei der Pressekonferenz, dass er keine Liste von betroffenen Orten nennen könne. Und dass es ihm letztlich um mehr Offenheit in der Krisenkommunikation gegangen sei.

Und in aller Offenheit empfiehlt er, sich Gedanken darüber zu machen, was man im nächsten Corona-Winter zu Hause haben sollte: vom Notfallvorrat über den Erste-Hilfe-Kasten bis zu alternativen Energiequellen. So könne man sich und anderen helfen, bis professionelle Helfer vor Ort seien.