
Zwei Jahre Deutschlandticket Umkämpft, aber beliebt
Vor zwei Jahren ging das neue bundesweit gültige Ticket für den Nahverkehr an den Start. Gegen viele Widerstände hat es sich bis heute gehalten. Viele Experten fordern, das Angebot weiterzuentwickeln.
"Tolle Entwicklung, das Kind ist auf einem guten Weg. Daraus wird ein Star." Mit diesen Worten gratuliert der scheidende Bundesverkehrsminister Volker Wissing (parteilos) seinem Baby. Er hat das Deutschlandticket quasi zur Welt gebracht. Es war keine leichte Geburt.
Nach dem großen Erfolg mit dem 9-Euro-Ticket im Sommer 2022 sollte zeitnah ein Nachfolgeangebot her. Was folgten, waren lange Debatten über Preis und Finanzierung. Zweimal musste der Starttermin für das neue Ticket verschoben werden. Am Ende verständigten sich Bund und Länder auf einen Kompromiss bei der Finanzierung: Beide teilen sich seitdem die Kosten und übernehmen jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Widerstände auf dem Weg zum Erfolg
Im Mai 2023 erblickte das Deutschlandticket dann das Licht der Welt. Für den früheren FDP-Minister Wissing ist das Ganze ein Beispiel dafür, "wie man große Veränderungen und Verbesserungen für den Alltag der Menschen hinbekommen kann, auch wenn die Beharrungskräfte, die einem begegnen, enorm sind".
Widerstand kam aus verschiedenen Richtungen. Zum einen klagten Verkehrsunternehmen über Einbußen bei ihren Einnahmen, zum anderen forderten die Bundesländer mehr Geld, um das Deutschlandticket weiter zu finanzieren. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter sagte im Dezember im Bundesrat, das Ticket sei zwar eine Tarifrevolution. "Aber wir müssen ehrlich sein: Das Geld fehlt im System." Vor allem fehle Geld, um den Schienenverkehr zum Beispiel auf dem Land auszubauen, heißt es aus den Ländern.
Wie groß sind die Einspareffekte?
Wissing will das aber so nicht stehen lassen. Im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio erklärt er: "In Wahrheit ist das Deutschlandticket auch ein Digitalisierungsprogramm für öffentlichen Personennahverkehr." Und damit lasse sich viel Geld sparen, so Wissing.
Zum Beispiel könnten Vertriebskosten reduziert und Verkehrsverbünde miteinander verschmolzen werden. Die freiwerdenden Mittel könnten eingesetzt werden, um das Angebot zu verbessern - und damit auch, um mehr Bus- und Bahnverbindungen einzurichten.
Diese Dinge seien allerdings "ein stückweit verlangsamt worden, durch diese Debatte über die Zukunft des Deutschlandtickets", kritisiert Wissing. "Erst wenn das Ticket unbefristet ist, können die Reformschritte weiter vorangetrieben werden." Niemand setze auf das Ticket, wenn es im jährlichen Rhythmus infrage gestellt werde. "Ich empfehle dringend, diese Debatte einzustellen."
"Unwucht in der verkehrspolitischen Debatte"
Zustimmung bekommt der Minister aus der Verkehrsbranche. Auch der Verband "Allianz pro Schiene" hält die immer wieder aufkommende Debatte über den Preis des Tickets für schädlich. Man müsse davon wegkommen, das Deutschlandticket als Subventionsgeschäft wahrzunehmen, sagt Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege.
Über Subventionen fürs Autofahren wie die von der künftigen Bundesregierung geplante Erhöhung der Pendlerpauschale werde kaum gesprochen. Aber: "Jeder Euro, der ins Deutschlandticket fließt, wird als Subvention gebrandmarkt und als Argument genutzt, um über Preiserhöhungen zu reden." Das sei eine "Unwucht in der verkehrspolitischen Debatte" und eine typisch deutsche "Unsitte hier in der Autofahrerrepublik", so Flege im ARD-Interview.
Welche Zukunft hat das Ticket?
Nach der Erhöhung des Preises von 49 auf 58 Euro Anfang des Jahres fordert auch er ein Ende der Preisdebatte. Besser wäre es, sich darauf zu konzentrieren, das Ticket weiterzuentwickeln. Zum Beispiel sollten es noch mehr Firmen ihren Beschäftigten als vergünstigtes Jobticket anbieten, sagt Geschäftsführer Dirk Flege: "Das ist noch ein Wahnsinns-Potenzial. Wenn es nach uns geht, könnten auch die ganzen Landesbediensteten als Teil ihres Arbeitsvertrages das Jobticket erhalten."
Das Ziel sollte sein, die Zahl der verkauften Tickets zu erhöhen und so höhere Einnahmen zu generieren. Derzeit nutzen rund 13,5 Millionen Menschen das Deutschlandticket. Das Ziel der Branche lautet: mindestens 15 Millionen.
Flege fordert, das Deutschlandticket attraktiver zu machen - für Familien und durch ein bundesweites "Deutschlandticket Sozial" für Menschen mit wenig Geld. Sozialverbände fordern schon länger, den Flickenteppich bei Sozialtickets in Deutschland zu beenden und das bestehende Deutschlandticket für Empfänger von Sozialleistungen beispielsweise zu einem Preis von 25 Euro anzubieten.
Studien bestätigen "Klimaeffekt" und weniger CO2-Emissionen
Die meisten Ticket-Käuferinnen und Käufer leben in Städten und Ballungsräumen. Aber auch auf dem Land wird es immer beliebter, bilanzieren Verkehrsexperten. Das Statistische Bundesamt stellt fest, dass die Fahrgastzahlen im vergangenen Jahr im Nahverkehr um rund fünf Prozent im Vergleich zu Vorjahr angestiegen sind. Der Grund sei insbesondere das Deutschlandticket.
Auch die Zahl der Menschen, die seitdem dauerhaft öffentliche Verkehrsmittel nutzen, nimmt zu, meldet der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV).
Studien bestätigen einen sogenannten "Klimaeffekt". Danach soll das Ticket zu einer Verkehrsverlagerung führen - vom Auto auf die Schiene. Das Kopernikus-Projekt Ariadne, ein Verbund mehrerer Forschungsinstitute, teilte kürzlich mit, dass zwölf bis 16 Prozent der Deutschlandticket-Fahrten vorher mit dem Auto zurückgelegt wurden. Die Verkehrsunternehmen melden, gebe es das Ticket nicht, wären rund acht Prozent aller Deutschland-Ticket-Fahrten mit dem Auto unternommen worden.
2,3 Millionen Tonnen CO2 sollen seit der Einführung eingespart worden sein. Die Daten sind das Ergebnis einer Marktforschung im Auftrag des Bundes und der Länder.
Vor dem Hintergrund dieser Bilanz und anlässlich des zweiten Geburtstags des Tickets glaubt Flege von der "Allianz pro Schiene", dass das Angebot sehr alt werden wird: "Das Deutschlandticket ist ein Riesenerfolg. Und was richtig erfolgreich ist, wird jede Menge Fürsprecher haben. Ich glaube nicht, dass das jemals wieder abgeschafft wird."