
Elektronische Patientenakte Patientenschützer werfen Regierung Irreführung vor
Kurz vor ihrem Start sorgt die elektronische Patientenakte abermals für Kritik. Patientenschützer sehen keine Möglichkeiten, einzelne Dokumente nur bestimmten Ärzten zur Verfügung zu stellen und fühlen sich getäuscht.
Kurz vor dem bundesweiten Start der elektronischen Patientenakte (ePA) werfen Patientenschützer dem Bundesgesundheitsminister eine Irreführung der Öffentlichkeit vor. Anders als bislang vermittelt, hätten Versicherte keine Möglichkeit, einzelne Dokumente nur bestimmten Ärzten, Therapeuten oder Apotheken zur Verfügung zu stellen.
"So kann auch ein Orthopäde sehen, dass der Patient in jahrelanger psychotherapeutischer Behandlung ist, selbst wenn der Patient diese Information nur für neurologische Fachärzte zur Verfügung stellen will", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Nachrichtenagentur KNA. "Wird diese Information aber für den Orthopäden gesperrt, wird sie für alle Ärzte gesperrt. Will der Versicherte jedoch den Orthopäden von einem bestimmten Dokument ausschließen, bleibt nur die Möglichkeit, diesem Facharzt den kompletten Zugriff zu verweigern".
Damit hätte der Orthopäde auch keine Chance, für ihn relevante Ergebnisse beispielsweise radiologischer Fachärzte einzusehen.
Deutschlandweiter Start nach Testphase geplant
Am Dienstag startet der bundesweite Rollout der ePA. Nach einer Testphase in drei Modellregionen soll sie nun deutschlandweit für alle 75 Millionen gesetzlich Versicherten schrittweise genutzt werden können. Verpflichtend ist die Nutzung im Gesundheitssystem aber erst ab dem 1. Oktober. Ein Widerspruch gegen die Nutzung ist möglich.
Die Patientenschützer beklagten, für die Versicherten werde die Steuerung ihrer Daten eine schier unüberwindbare Aufgabe. "Die Gefahr ist groß, dass so die gesamte Gesundheitswirtschaft den kompletten Zugriff auf die eigenen Gesundheitsdaten erhält", sagte Brysch. Grundsätzlich könnten Leistungsanbieter 90 Tage darauf zugreifen. Nur bei Rettungssanitätern und Werksärzten ist diese Möglichkeit auf drei Tage begrenzt. Auch die Apotheken hätten dann Einsicht in die kompletten Krankendaten.
Patientenschützer fordert temporären Stopp der Patientenakte
Brysch kritisierte, die Verantwortlichen hätten die Chance verpasst, leicht verständliche Differenzierungsmöglichkeiten der Daten zu etablieren. Auch sei es nicht mehr möglich, aus der Medikationsliste einzelne Medikamente zu entfernen. Manche Medikamente erlaubten aber konkrete Rückschlüsse auf bestimmte Krankheiten "Es gibt nur die Möglichkeit, diese Liste nicht zu nutzen."
Der Patientenschützer forderte die zukünftige Bundesregierung auf, die elektronische Patientenakte so lange zu stoppen, bis eine Differenzierungsmöglichkeit sichergestellt sei.