
Studie "Jugend in Deutschland" Optimismus trotz vieler Krisen
Deutschlands junge Generation steht wirtschaftlich und politisch unter Dauerstress, blickt aber dennoch zuversichtlich nach vorn. Das zeigt die achte Trendstudie "Jugend in Deutschland 2025".
Der Unterricht ist heute im Schulgarten. Entspannte Atmosphäre, aber ernstes Thema. Erdkundelehrer Andreas Aust diskutiert mit seiner Klasse, wie es in der Ukraine nach einem Krieg weitergehen könnte. In der Klasse 10a des Gymnasiums Norf in Neuss beobachten die Schülerinnen und Schüler ganz genau, was in der Welt los ist.
"Ich bin schon nachdenklich", sagt Anton Nobes. "Wir haben jetzt gerade in Deutschland einen politischen Wechsel gesehen. Ob die Regierung es schafft, die Krisen in den Griff zu bekommen, ob sich da was ändert, wird sich zeigen. Es wird bestimmt spannend, das zu beobachten."

Wird die neue Bundesregierung die Krisen in den Griff kriegen?, fragt sich Anton Nobes.
Sein Sitznachbar Ben Liesenfeld blickt mit Sorge in die Vereinigten Staaten: "Donald Trump ist dort ja jetzt Präsident geworden. Meiner Meinung nach ist er unberechenbar. Ich weiß nicht, was er vorhat und wie er persönlich mit den Konflikten umgeht." Mitschülerin Karla Kren ist skeptisch vor ihrem Schüleraustausch in den USA: "Ich habe ein bisschen Angst, wie das werden wird, wenn ich in den USA bin. Was das vielleicht für einen Effekt auf mich hat."
Dauerkrisenmodus nach wie vor Realität
Die angespannte Lage in der Ukraine und Nahost belastet die jungen Menschen laut der Studie "Jugend in Deutschland 2025" am meisten. Hier machen sich 62 Prozent der Befragten Sorgen. Wirtschaftliche Sorgen wie Inflation haben 57 Prozent, bei teurem oder knappen Wohnraum sind es 48 Prozent. Eine Spaltung der Gesellschaft befürchten ebenfalls 48 Prozent. Der Klimawandel macht 47 Prozent Angst.
"Für viele ist der Dauerkrisenmodus nach wie vor Realität - das Niveau psychischer Belastungen bleibt entsprechend hoch, und wir erleben knapp ein Viertel junger Menschen, die angeben, das Gefühl zu haben, eine Behandlung zu benötigen", sagt Kilian Hampel, der an der Studie mitgearbeitet hat. Fast jeder zweite Befragte klage über Stress, ein Drittel über Erschöpfung. Für die Studie wurden mehr als 6.000 Menschen im Alter von 14 bis 69 Jahren befragt.
Vertrauen in politisches System bröckelt
Die Auswertung zeigt, dass das Vertrauen in das politische System bröckelt: Viele Jugendliche fühlen sich von etablierten Parteien nicht vertreten und wenden sich laut Studie zunehmend alternativen oder radikalen Kräften zu - weniger aus Gleichgültigkeit, sondern aus Enttäuschung von der Politik.
"Die Erfahrungen der letzten Jahre haben bei ihnen den Eindruck hinterlassen, dass ihre Sorgen nicht ernst genommen werden - obwohl seit Jahren Alarm geschlagen wird. Die vergangenen Wahlen zeigen die enorme Fragmentierung und Polarisierung, in der sich die junge Generation befindet", so Hampel.
Jüngere übernehmen Verantwortung für Ältere
Dennoch sind sie bereit, Lasten zu schultern: Eine Mehrheit akzeptiert höhere Beiträge zur Rentenversicherung, um die Versorgung der Älteren zu sichern. "Die junge Generation zeigt sich solidarisch gegenüber den Älteren, ist leistungsbereit und orientiert sich an traditionellen Tugenden", so Studienleiter Simon Schnetzer.
Viele junge Menschen verspüren Angst vor Altersarmut oder dem Zusammenbruch des Rentensystems. Sie erkennen die Notwendigkeit, zur Finanzierung der heutigen Renten beizutragen - 44 Prozent fühlen sich dafür mitverantwortlich, nur ein Viertel widerspricht, und ein Drittel ist unentschlossen. Doch gleichzeitig lehnen junge Menschen mehrheitlich ab, das Renteneintrittsalter zu erhöhen (65%) oder das Rentenniveau zu senken (74%). Stattdessen erwarten sie, dass der Bundeszuschuss gesteigert wird und höhere Staatsausgaben für die Rente folgen. Sie erwarten einen fairen Generationenvertrag mit einer klaren Vision für die Zukunft.
Immer mehr junge Menschen in Vollzeitjobs
Mit dem Vorurteil, dass junge Menschen besonders faul seien, räumt die Studie auf. 81 Prozent arbeiten in Vollzeitjobs. Das sind deutlich mehr als in älteren Generationen. Aber: Die Einstellung hat sich geändert. Die Vorstellung, in jüngeren Jahren zu schuften, um sich ein Leben für später aufzubauen, gibt es immer weniger - offenbar auch ein Effekt aus der Erkenntnis, dass unklar sei, wie das Leben in wenigen Jahren aussehe.
"Was oft fälschlich als Faulheit ausgelegt wird, ist in Wahrheit Selbstschutz, nämlich der bewusste Versuch, Überlastung zu vermeiden und sich nicht kaputtzuarbeiten. Das ist vor dem Hintergrund verständlich, dass psychische Belastungen in dieser Generation bereits stark ausgeprägt sind und kaum Raum für zusätzlichen Dauerstress besteht", so Hampel.
KI als Chance und Herausforderung
Im Gymnasium Norf in Neuss arbeiten die Schülerinnen und Schüler mit Tablets. Das macht vieles einfacher. Gleichzeitig ist aber die Digitalisierung und vor allem die Künstliche Intelligenz auch eine Herausforderung.
Schüler Luis Süßmuth befürchtet, dass die KI irgendwann das Kommando übernehmen könnte: "Ich denke, es bietet auf der einen Seite sehr viel Potenzial und Raum für Neuerung und Innovation. Auf der anderen Seite denke ich mir auch, dass wir einen verantwortungsbewussten Umgang damit lernen müssen, damit wir es auch in Zukunft gut nutzen können, damit wir immer noch die Kontrolle darüber behalten."

Luis Süßmuth hofft, dass es einen verantwortungsvollen Umgang mit KI geben wird.
60 Prozent blicken optimistisch in die Zukunft
Anton Nobes macht sich Gedanken um seine beruflichen Perspektiven. "Wenn ich mal studiere, wenn ich mal in 15 Jahren ins Arbeitsleben komme, wie wird das dann aussehen? Wird es die Jobs, die ich vielleicht jetzt interessant finde, dann überhaupt noch geben? Werden die vollkommen anders aussehen? Es ist gerade schwer einzuschätzen."
Und dennoch enthält die Studie auch eine gute Nachricht: 60 Prozent der Befragten blicken optimistisch in die Zukunft.