Eine Frau platziert eine Blume an einer Gedenkmauer des KZ Bergen-Belsen.

Erinnerungskultur Im Schatten des Konzentrationslagers

Stand: 29.04.2025 06:42 Uhr

Die NS-Gedenkstätte Bergen-Belsen und die Stadt Bergen liegen nur etwa sieben Kilometer voneinander entfernt. Der Schatten, den das ehemalige Konzentrationslager immer noch auf die Stadt wirft, ist deutlich zu spüren.

Von Nadja Babalola, NDR

Elke von Meding lebt seit 43 Jahren in Bleckmar, direkt bei Bergen. Die mittlerweile 85-Jährige arbeitet noch immer ehrenamtlich für die Gedenkstätte Bergen-Belsen und setzt sich für die geschichtliche Aufarbeitung ein. In einer Stadt, die lange nicht mit den NS-Gräueltaten in Verbindung gebracht werden wollte und in der auch sie es nicht immer einfach hatte, erinnert sie sich: "Ich habe sogar mal ein Hakenkreuz an der Scheune vorne gehabt. Ich habe aber nichts davon öffentlich gemacht."

Von Meding ist im Ort als eine Frau bekannt, die für die Gedenkstätte arbeitet und keine Angst vor Konfrontationen hat. Die Dorfbewohner akzeptieren das so, wollten aber gerade in der Vergangenheit nicht viel mit ihr oder dem, wofür sie sich stark macht, zu tun haben.

Die Gründe dafür sind vielschichtig, sagt die 85-Jährige. "Manche haben einfach kein Interesse an der Geschichte des Ortes, andere sagen mir‚ sie können es nicht mehr hören oder seien genervt."

Eintausend Menschen pro Transport

In Hannover geboren zieht die ehemalige Mathematik- und Physiklehrerin 1982 mit Mann und drei Kindern nach Bleckmar bei Bergen. Schnell will sie mehr über den Ort und seine Geschichte wissen und schließt sich 1995 der Arbeitsgemeinschaft Bergen-Belsen an.

Am Anfang gibt sie nur offene Führungen durch die Gedenkstätte, später wird sie Vorsitzende der AG Bergen-Belsen und ruft die Veranstaltung "Lichter auf den Schienen" ins Leben. Immer am 15. April wird an der historischen Verladerampe des ehemaligen KZ Bergen-Belsen an die Befreiung des Konzentrationslagers erinnert. Die eintausend Kerzen sollen an die etwa eintausend Menschen erinnern, die in einen Transport gepasst haben.

"Wir müssen dafür sorgen, dass niemand vergisst, was passiert ist. Man muss die Vergangenheit kennen, muss wissen, wo es hinführen kann, um sich einen Standpunkt zu erarbeiten und um gegen das Vergessen zu kämpfen", mahnt von Meding.

Wenig Touristen in der Stadt

Bergen-Belsen war von April 1934 bis 1945 ein nationalsozialistisches Konzentrationslager. Mehr als 52.000 Menschen sind hier gestorben. Jährlich kommen Hunderttausende von Touristen dorthin, um sich ein Bild von der Gedenkstätte zu machen.

Kaum ein Besucher verirrt sich dagegen in die Innenstadt von Bergen, mit seinen etwa 14.000 Einwohnern. Ein Gedenkbaum hinter der Kirche am Marktplatz erinnert an Anne Frank, die in Bergen-Belsen getötet wurde. Es ist schwierig, mit den Menschen über das Konzentrationslager ins Gespräch zu kommen.

Claudia Dettmar-Müller ist seit 2019 parteilose Bürgermeisterin der Stadt. Sie wisse, dass es in Bergen schwierig ist, mit Menschen über dieses Thema ins Gespräch zu kommen und die Geschichte zu reflektieren, schildert sie. Die Herausforderung sei es aber, dieses Thema lebendig zu halten und den Menschen keine Vorwürfe zu machen, sondern wirklich auf die Herausforderungen hinzuweisen und Wege aufzuzeigen.

Elke von Meding tut das inzwischen seit fast 30 Jahren. Ihr großer Wunsch ist es heute nur noch, jemanden zu finden, der es in Bergen so wie sie fortführt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der NDR in der Sendung "Hallo Niedersachsen" am 15. April 2025 um 19:30 Uhr.