
Bedingungsloses Grundeinkommen Gleiche Arbeitszeit, mehr Zufriedenheit
1.200 Euro monatlich - ohne Bedingungen. Das erhielten Teilnehmer einer deutschlandweiten Studie. Sie zeigt: Das bedingungslose Grundeinkommen führt nicht zu weniger Arbeit, sondern zu mehr Weiterbildung und Wohlbefinden.
Menschen mit einem bedingungslosen Grundeinkommen reduzieren nicht grundsätzlich ihre Arbeitszeiten. Das legt eine Langzeituntersuchung unter Beteiligung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) nahe.
Demnach habe das bedingungslose Grundeinkommen auch nicht dazu geführt, dass Menschen ihre Arbeit aufgaben. Der Anteil der Erwerbstätigen in der Gruppe mit bedingungslosem Einkommen sei "nahezu deckungsgleich" mit dem in der Vergleichsgruppe gewesen.
Unterschiede zeigten sich aber demnach im Umgang mit der eigenen beruflichen Situation: In der Gruppe mit Grundeinkommen bildeten sich mehr Menschen weiter und waren zufriedener mit ihrem Berufsleben.
Weiterbildung und berufliche Träume
Eine unter ihnen war Bianca Radlbeck: Die junge Schlosserin wollte nach ihrem Maschinentechniker in München studieren, erzählte sie dem BR. Durch das Grundeinkommen konnte sie sich ein WG-Zimmer leisten und musste nicht so viel nebenher jobben. Als sie später in ihre Heimatstadt Regensburg zurückzog, habe ihr das Grundeinkommen den Druck genommen, schnell irgendeinen Job anzunehmen. Stattdessen konnte sie in Ruhe nach dem richtigen Arbeitsplatz suchen, sagte sie.
Von ähnlichen Erfahrungen berichtete die Leipzigerin Romy dem MDR: "Es gibt einem viel Ruhe im Alltag und es hat auch das Selbstvertrauen gestärkt." Auch sie konnte sich durch das bedingungslose Grundeinkommen einen Traum erfüllen. Sie habe so eine nebenberufliche Selbstständigkeit als Künstlerin initiieren können, erzählt die 34-jährige Psychologin. "Ende des vergangenen Jahres habe ich eine berufliche Auszeit dafür genommen."
Besseres Wohlbefinden und finanzielle Sicherheit
Insgesamt zeigten die Probandinnen und Probanden mit Grundeinkommen laut Studie ein gesteigertes Autonomieempfinden. Auch habe sich ihr allgemeines Wohlbefinden verbessert. Das zeige sich in besserer mentaler Gesundheit, höherer Lebenszufriedenheit, weniger Stress, besserem Schlaf und einem erfüllteren Sozialleben. Demnach verbrachten die Personen mit Grundeinkommen pro Woche fast vier Stunden mehr mit sozialen Kontakten als die der Vergleichsgruppe.
Die allgemeine Lebenszufriedenheit verbesserte sich demnach bei Studienteilnehmenden durch die monatliche Zahlung so stark wie sonst bei einschneidenden positiven Lebensereignissen wie einer Eheschließung. Die finanzielle Sicherheit schaffe neue Handlungsspielräume, sagte die Wirtschaftspsychologin Susann Fiedler.
Auch ermögliche das Grundeinkommen eine nachhaltige finanzielle Sicherheit: Anfangs erfüllten sich Probandinnen und Probanden "lang gehegte Wünsche, später sparen und investieren allerdings viele", so die Studie. Demnach sank der Anteil derer mit einem Vermögen von weniger als 10.000 Euro während der Studienlaufzeit auf 13 Prozent - im Vergleich zu 27 Prozent in der Vergleichsgruppe. Insgesamt seien die Geldempfänger "sehr verantwortungsvoll" mit den zusätzlichen Mitteln umgegangen.
Interessant sei aus psychologischer Sicht, dass Bezieher des Grundeinkommens zwar anders handelten, sich ihre Einstellungen hingegen nicht änderten. "Sie sind dieselben Menschen in einem anderen Kontext", so Fiedler.
Verein: Grundeinkommen ist finanzierbar
Wäre das bedingungslose Grundeinkommen für alle überhaupt finanzierbar? Die Ansicht vertritt zumindest der Verein "Mein Grundeinkommen". Er entwickelte 2023 - parallel zur Langzeitstudie - in Kooperation mit dem DIW Berlin einen interaktiven Online-Finanzierungsrechner. Laut dem seien 75 Prozent des bedingungslosem Grundeinkommen refinanzierbar. Nur für den Rest seien Steuererhöhungen nötig.
Der Verein schlägt einen "moderaten Steuermix" vor. Neben einer Erhöhung der Einkommensteuer könnten auch eine höhere Unternehmens- sowie eine Finanztransaktionssteuer den Mehraufwand kompensieren. Zugleich würden andere Sozialleistungen wegfallen. Von einem Grundeinkommen würden den Berechnungen zufolge rund 83 Prozent der Bevölkerung profitieren, für 7 Prozent würde sich nichts ändern und 10 Prozent der Deutschen müssten mehr beitragen.
Bislang war das bedingungslose Grundeinkommen in der Politik umstritten: Manche Parteien waren skeptisch oder betrachteten es sogar als ungerecht. Jürgen Schupp, Studienleiter beim DIW Berlin, hofft, dass die Studie zur "evidenzbasierten Versachlichung der Debatte um das Narrativ des Grundeinkommens" beiträgt. "Es wäre wünschenswert, wenn in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft hoffentlich künftig verstärkt faktenbasiert gestritten würde."