Jens Spahn und Heidi Reichinnek

Kooperation vor Kanzlerwahl Ändert die CDU ihr Verhältnis zur Linkspartei?

Stand: 07.05.2025 12:35 Uhr

Ein Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU lehnt eine Zusammenarbeit mit der Linken ab - doch genau das wurde für den zweiten Wahlgang bei der Kanzlerwahl nötig. Die Diskussion ist damit neu entfacht, Kanzleramtsminister Frei zeigt sich offen.

Gleich in der zweiten Sitzung des neuen Bundestags haben die neuen Mehrheitsverhältnisse zu einer ungewöhnlichen Annäherung zwischen Union und Linken geführt. Die Debatte um eine Zusammenarbeit der Parteien ist damit neu entbrannt. Kanzleramtsminister Thorsten Frei zeigte sich nun offen für eine Abschaffung des Unvereinbarkeitsbeschlusses.

"Wir werden gemeinsam darüber zu sprechen haben", sagte Frei im Interview mit RTL und ntv. Der Beschluss des CDU-Bundesparteitags könne zwar nicht mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt werden. "Aber mit Sicherheit sind wir in einer Situation, wo wir die eine oder andere Frage neu bewerten müssen."

Die CDU lehnt in einem Parteitagsbeschluss "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit" mit der AfD wie mit der Linken ab.

Linnemann: "Unvereinbarkeitsbeschluss gilt"

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann trat Spekulationen über eine Kursänderung entgegen. In der ZDF-Sendung "Markus Lanz" betonte er: "Der Unvereinbarkeitsbeschluss gilt." Man dürfe den aktuellen Vorgang nicht überbewerten - auch in der Vergangenheit hätten sich die Parlamentarischen Geschäftsführer über Verfahrensfragen verständigt.

Ebenso wie Linnemann pocht auch der neue parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Steffen Bilger, auf den Unvereinbarkeitsbeschluss seiner CDU mit der Linkspartei. Die zuletzt geführten Gespräche seien keine Form der "inhaltlichen Zusammenarbeit" gewesen, sagte er dem Sender Welt. Allerdings werde es in den kommenden Wochen immer wieder Situationen im Bundestag geben, wo Gespräche geführt werden müssten, zum Beispiel über organisatorische Fragen.

Auch der neue Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte die Absprachen mit der Linke gerechtfertigt. Er schloss auch künftige Gespräche nicht aus. Wenn man eine Zweidrittelmehrheit wolle, müsse man auch mit Menschen reden. "Egal, ob einem gerade die politische Farbe an dieser Stelle besonders passt."

Weidel: CDU will "mit der Linken paktieren"

Hintergrund war das Scheitern von Friedrich Merz im ersten Wahlgang zum Kanzler. Eine zweite Wahl noch am gleichen Tag war nur durch eine Änderung der Geschäftsordnung möglich - dafür war jedoch eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die Union war deshalb auf die Linke zugegangen, obwohl ein sogenannter Unvereinbarkeitsbeschluss eine Zusammenarbeit mit dieser Partei eigentlich ausschließt.

AfD-Chefin Alice Weidel reagierte beim Kurznachrichtendienst X auf die Gespräche zwischen Union und Linken. Sie warf der CDU vor, "mit der Linken paktieren" zu wollen. "Weil jetzt schon absehbar ist, dass man mit der kleinen Koalition aus Union und SPD kaum regieren kann", so die Parteivorsitzende.

Linke fordert von Union Zusammenarbeit

Die Vorsitzende der Linksfraktion, Heidi Reichinnek, betonte, die Linke habe stets Gesprächsbereitschaft gegenüber den demokratischen Fraktionen signalisiert - und genau das habe man nun getan. Auf die Frage, ob damit der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU Geschichte sei, antwortete sie: "Ich finde, das zeigt ziemlich deutlich, dass die Gesprächskanäle zwischen den demokratischen Fraktionen da sind, und die Frage ist für mich damit geklärt."

Linken-Chefin Ines Schwerdtner forderte die Union auf, künftig stärker mit ihrer Partei zusammenzuarbeiten. Sie erwarte, dass sich die Union nicht nur melde, "wenn die Hütte brennt, sondern auch bei anderen politischen Entscheidungen, wenn eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist". Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte sie weiter: "Demokratische Parteien sollten in der Lage sein, miteinander zu sprechen."

Thorsten Faas, FU Berlin, zur holprigen Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler

tagesschau24, 06.05.2025 17:00 Uhr

Politologe Faas: Pragmatischer Umgang

Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas sieht im Umgang der Union mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss am Tag der Kanzlerwahl vor allem politische Zweckmäßigkeit. Bei tagesschau24 sagte er, dass das Verfahren bei der Kanzlerwahl eigentlich dem Unvereinbarkeitsbeschluss widerspreche. "Man darf gespannt sein, ob da eine Kursänderung auch kommt", so Faas.