
Stopp des Nachzugs von Angehörigen Opposition nennt Dobrindts Pläne "familienfeindlich"
Innenminister Dobrindt will den Familiennachzug für Geflüchtete ohne Asylstatus stoppen. Die Linken halten das für "antichristlich", die Grünen sprechen bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs von verhinderter Integration.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will den Familiennachzug für Geflüchtete mit eingeschränktem Schutzstatus aussetzen. Während der ersten Beratung im Bundestag wurde der Gesetzentwurf seines Ministeriums von den Grünen, den Linken und den Jusos scharf kritisiert.
Wer legale Wege blockiere, befördere das Geschäft der Schleuser, sagte die Grünen-Abgeordnete Schahina Gambir. Die geplante Reform sei unmenschlich, denn "Familien gehören zusammen", kritisierte sie. Die Aussetzung bedeute menschliches Leid und die Verhinderung von Integration.
Bisher erlaubte das Gesetz den Nachzug von monatlich 1.000 Familienmitgliedern. Dazu zählen Eltern von Minderjährigen, Ehepartner und minderjährige Kinder. Mit dem neuen Gesetzentwurf soll dieser Mechanismus für zwei Jahre ausgesetzt werden. Ausnahmen sind nur für Härtefälle vorgesehen. Vor allem syrische Bürgerkriegsflüchtlinge erhalten einen sogenannten subsidiären Schutz, sie wären besonders von dem neuen Gesetz betroffen.
Linke nennen Entwurf "antichristlich" und "familienfeindlich"
Auch von der Linkspartei kam Kritik. Die Abgeordnete Clara Bünger warf Dobrindt, der in seiner Rede ausschließlich von "illegaler Migration" sprach, vor, die Menschen selbst in diese Illegalität zu treiben. Er schaffe die letzten legalen Wege für Schutzsuchende ab, sagte sie. Die Aussetzung des Familiennachzugs sei "antichristlich" und "familienfeindlich".
Die Bundespolizei bezeichnet die irregulären Einreisen als "unerlaubte Einreisen". Manchmal werden irreguläre Einreisen auch als "illegale Einreisen" bezeichnet. Auch von "irregulärer Migration" ist in der politischen Debatte oft die Rede. Gemeint sind damit immer undokumentierte Grenzübertritte und der unrechtmäßige Aufenthalt in Deutschland. Bei Personen, die unmittelbar nach der unerlaubten Einreise um Asyl ersuchen, wird das Verfahren jedoch so lange ausgesetzt, bis das Asylverfahren abgeschlossen ist.
Flüchtlingsorganisationen und Migrationsforscher weisen daraufhin, dass Migration an sich gegen kein Gesetz verstößt, also nicht "illegal" ist.
Jusos: Familiennachzug nötig für Integration
Der Chef der Jusos, Philipp Türmer, sagte im Deutschlandfunk, der eingeschlagene Kurs sei schädlich für die Integration der Menschen, die schon im Land seien. "Wir als Jusos halten das für falsch", sagte der Chef der Jugendorganisation der SPD. Es sei "einerseits eine moralische Verpflichtung", den Familiennachzug zu erlauben. Andererseits helfe er auch bei der Integration. Der Anspruch müsse sein, Menschen hier bestmöglich zu integrieren - und das funktioniere nicht, wenn sie ihre Familienmitglieder, "die wichtige Bezugspunkte sind", nicht nachholen könnten und in Sorge um sie seien.
Türmer nannte es ein grundsätzliches Dilemma, dass immer wieder Verabredungen mit der Union getroffen werden müssten, "die uns nicht schmecken können". Beim Thema Familiennachzug sei das "ganz besonders schmerzhaft". Er forderte, dass die SPD alles dafür tun müsse, dass es bei einer befristeten Maßnahme bleibe und der Familiennachzug "so schnell wie möglich" wieder eine Option sei.
Die SPD-Abgeordnete Rasha Nasr sprach von einem Kompromiss, vor dem sie Respekt habe. Sie sagte, dass er Folgen für die betroffenen Familien habe. Es gehe um Familien, die getrennt bleiben, um Kinder, die allein zurechtkommen müssten und um Ehepartner, die nicht wissen, wann sie sich wiedersehen könnten.
Dobrindt: Grenze der Integrationsfähigkeit erreicht
Bundesinnenminister Dobrindt verteidigte seinen Kurs für eine schärfere Asylpolitik. "Die illegale Migration, sie hat eine Grenze, die Integrationsfähigkeit unseres Landes, sie ist erreicht", sagte der CSU-Politiker. Deswegen müsse man "illegale Migration" zurückdrängen.
Es gebe "nicht den einzigen Schalter, den man umlegen kann und dann ist das Problem der illegalen Migration gelöst", sagte der CSU-Politiker. Notwendig seien viele verschiedene Maßnahmen, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Die setze die Bundesregierung nun Schritt für Schritt um.
Bei Grünen und Linken sorgten Dobrindts Äußerungen für Verwunderung. Schließlich handele es sich beim Familiennachzug nicht um "illegale Migration", sondern um ein geordnetes Verfahren, bei dem man wisse, wer ins Land komme.
Zahl der Asylanträge ohnehin rückläufig
Aus Dobrindts Sicht muss der Familiennachzug abgeschafft werden, um die Zahlen der Asylbewerber zu reduzieren. Er hatte von einem sogenannten Pull-Faktor gesprochen. Darüber hinaus solle die "Turbo-Einbürgerung" abgeschafft werden, die Liste sicherer Herkunftsländer erweitert werden und die verschärften Grenzkontrollen bestehen bleiben, sagte er. Dobrindt sprach sich zudem für Asylzentren an den EU-Außengrenzen aus.
Zuletzt beantragten immer weniger Menschen in Deutschland Asyl. Waren es 2023 noch 329.120 Anträge, so sank die Zahl vergangenes Jahr auf 229.751. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres ging die Zahl der Asylanträge weiter zurück. Dabei ist unter Migrationsexperten umstritten, ob dies ein Ergebnis der schrittweise eingeführten Grenzkontrollen an allen deutschen Binnengrenzen ist - oder die Folge von Maßnahmen anderer Staaten wie etwa Serbien und Polen.