
Minderheitsregierung in Sachsen Schweres Ringen um den Haushalt
Am 26. Juni soll im sächsischen Landtag der Haushalt für 2025 und 2026 beschlossen werden. Doch wie das gelingen soll, ist offen: Die Minderheitskoalition aus CDU und SPD braucht dafür die Opposition.
CDU und SPD haben im Sächsischen Landtag nur 51 von 120 Stimmen. Auf die AfD will die Regierung nicht angewiesen sein. Und die Verhandlungen zwischen den restlichen fünf Fraktionen gestalten sich mehr als zäh. Nach Informationen von MDR Sachsen soll über Pfingsten nur noch mit Linken und Grünen weiterverhandelt werden. Eine generelle Absage an das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sei das aber nicht.
Zwar liegt mit dem 50-Milliarden-Vorschlag der Staatsregierung der größte Doppeletat der jüngeren sächsischen Geschichte auf dem Tisch, ein rigider Sparhaushalt ist es trotz massiv steigender Ausgaben dennoch. Mehr als 800 Änderungsanträge haben die Oppositionsparteien eingereicht.
Bislang ist kein Durchbruch in Sicht. Wie angespannt und heikel die Situation ist, zeigt sich beispielsweise in der kurzfristigen Absage von teils lang vereinbarten Interviewterminen.
Ein riskantes Spiel
In der kommenden Woche trifft sich der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags zu einer mindestens viertägigen Klausur. Punkt für Punkt wird jeder einzelne Etat der Ministerien durchgegangen. In keinem Fachausschuss hat die Regierung bislang eine Mehrheit für ihre Vorschläge bekommen.
Noch immer hoffen CDU und SPD auf Einigung, die in der kommenden Woche im Haushaltsausschuss am Ende eine Mehrheit ermöglicht. Sonst, so die Befürchtung, werden die Haushaltsberatungen im Landtag zu einem riskanten Spiel. Es drohen nächtliche Abstimmungen und übermüdete Abgeordnete, die Zufallsmehrheiten ermöglichen.
Das Worst-Case-Szenario: Am Ende wird kein Haushalt beschlossen. Oder der Zeitplan wird nicht gehalten, und die Sitzungen müssen in die Sommerpause verschoben werden.
Das BSW sieht die Möglichkeit, sich zu einigen
SPD-Chef Henning Homann warnte am Brückentag nach Himmelfahrt per Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" und der "Sächsischen Zeitung", wenn man den Haushalt nicht vor der Sommerpause beschließe, drohe eine Katastrophe. Das Interview kam bei den Verhandlungspartnern schlecht an. Alle drei bewerten es als Versuch, sie unter Druck zu setzen, in dem ihnen die Verantwortung im Falle eines Scheiterns zugeschoben würde.
Verantwortung trage die Regierung, sagt BSW-Fraktionschefin Sabine Zimmermann gegenüber MDR Sachsen. "Das Interview selbst war eine Katastrophe", meint sie, vor allem mit Blick auf die schwierige, sensible Phase der Verhandlungen. "Die Sondierungsverhandlungen im vergangenen Jahr waren schon schwierig, aber die Situation jetzt übertrifft es nochmal bei weitem."
CDU und SPD hätten noch nicht verstanden, dass sie eine Minderheitsregierung haben und sich die Mehrheiten suchen müssen. "Da kann man nicht im alten Trott weitermachen." Noch sieht sie allerdings die Möglichkeit für eine Einigung mit CDU und SPD.
"Ich glaube, vielen ist noch nicht klar, was es heißt, wenn kein Haushalt beschlossen wird", sagt die Linken-Fraktionschefin Susanne Schaper. "Vielleicht war es ja auch eine Botschaft an die eigene Koalition. Es ist der Haushalt der Koalition, sie sind der Herr des Verfahrens."
Die Opposition will neue Schulden
Bei den Grünen ist eine Zustimmung zum Haushalt an die Ermöglichung einer Kreditaufnahme gekoppelt. Wenn man über diese Klippe nicht komme, gehe es zumindest um eine Enthaltung.
"Wir haben unsere Vorschläge und Änderungswünsche fristgerecht vorgelegt, verhandeln ernsthaft und konstruktiv", sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Franziska Schubert MDR Sachsen. Die Regierung müsse sich bewegen. "Es geht nicht darum, dass wir 'den Preis hochtreiben', sondern darum, Härten im Haushalt abzumildern, den Haushalt zu reparieren." Unredlich nennt sie den Versuch der Regierung, Verantwortung auf die Opposition abzuschieben.
Das zentrale Thema haben BSW, Linke und Grüne bislang alle zu einer Hauptbedingung gemacht: mehr finanziellen Spielraum durch neue Schulden. Sie wollen, dass Sachsen die Möglichkeit zur Kreditaufnahme nutzt, die die Grundgesetzänderung des Bundes nun den Ländern schafft. Mehr als 700 Millionen Euro könnte das für den Freistaat pro Jahr ermöglichen.
Druck kommt auch von der AfD
Eine Kompromisslinie könnte vielleicht sein, das für den nächsten Haushalt zu ermöglichen. So zumindest könnte man einige Wortmeldungen interpretieren. Etwa, wenn die SPD wiederholt davon spricht, ohne neue Schulden komme man in dieser Legislatur nicht aus.
Unter Druck sind alle - am stärksten aber die Union. "Keine neuen Schulden": Diese harte Linie hatte CDU-Fraktionschef Christian Hartmann schon vor Monaten ausgegeben - wohl wissend, dass sonst droht, dass die eigenen Reihen nicht geschlossen bleiben.
Denn Druck bekommt er nicht nur von links, sondern auch von der AfD. Die schaut von der Seitenlinie auf den harten Kampf auf dem politischen Feld und kommentierte diese Woche per offenem Brief und Pressekonferenz: "Sachsen darf keine zusätzlichen Schulden aufnehmen, denn die Schulden von heute sind die Steuern von morgen."
Mit der AfD-Fraktion wird nicht verhandelt, der sächsische Landesverband ist vom Landesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Wiederholt bot Fraktionschef Jörg Urban nun öffentlich der CDU vertrauliche Gespräche an. Nur der CDU, nicht dem zweiten Regierungspartner SPD.
Sorge in den Kommunen
Linke-Fraktionschefin Schaper appelliert - wohl vor allem Richtung CDU und SPD -, die demokratischen Kräfte im Landtag müssten zusammenkommen. "Es ist nichts Neues, dass die extrem rechte AfD sich an die CDU heranwanzt und sie spalten will."
Mit Sorge schauen viele nach Dresden, die vom Haushalt direkt oder indirekt abhängig sind. Etwa die Kommunen, denen dem Vernehmen nach Hunderte Millionen fehlen, wenn kein Haushalt rechtzeitig beschlossen wird.
So lang gilt in Sachsen die vorläufige Haushaltsführung, die vorsieht, dass in vielen Bereichen etwa 30 Prozent der bisherigen Mittel nicht ausgegeben werden dürfen. Verkürzt schreibt die sächsische Verfassung vor, dass bereits laufende Maßnahmen und rechtliche Verpflichtungen fortgesetzt werden können, wohingegen neue Maßnahmen nur bei Notwendigkeit und Unaufschiebbarkeit begonnen werden dürfen.
Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege warnt, dass etwa zehntausend Jobs in wichtigen Bereichen wie etwa der Schuldner- oder Familienberatung auf dem Spiel stünden. "Wer das nicht verstanden hat im Landtag, der hat den Schuss nicht gehört", sagt Michael Richter von der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Sachsen und mahnt zum Kompromiss.