
Interview mit Klimaforscher "Wir sind mitten im Klimanotstand"
Die größten Klimakatastrophen könnten noch verhindert werden, meint der Klimaforscher Schellnhuber im tagesthemen-Interview. Dafür müssten vor allem die Industrieländer aber schneller klimaneutral werden.
Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber warnt vor einem Überschreiten von sogenannten Kipppunkten im Klimasystem. Im Interview mit den tagesthemen sagte er, dass die Welt in den vergangenen zwanzig Jahren näher an diese Punkte herangerückt sei, "weil wir auch nichts getan haben".
Klimaneutral bis 2040
Nach Ansicht des Wissenschaftlers, der von 1991 bis 2018 das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung leitete, befinde man sich aber noch vor den meisten roten Linien. Man werde möglicherweise die tropischen Korallenriffe verlieren. Die größten Schäden könnten aber noch gestoppt werden, wenn Maßnahmen schnell ergriffen würden. "Wir müssen vor allem in den Industrieländern bis 2040 klimaneutral wirtschaften. Wenn das gelingt, würden wir die größten Unfälle vermeiden und wir würden vor allem unseren Nachkommen noch eine lebenswerte Welt übergeben können", so Schellnhuber.
Klarer Befund
Schellnhuber gehört zu einer Gruppe führender Klimaforscher, die vor einem schnelleren Erreichen der Kippunkte warnt. Wenn diese überschritten würden, könnte die globale Erwärmung noch deutlich drastischer ausfallen als bisherige Szenarien nahelegten. Der Befund, den die Forscher vorlegten, sei klar, so Schellnhuber: "Wir sind mitten drin im Klimanotstand."
Das Klimapaket der Bundesregierung sei indes vielleicht besser, als es im Augenblick eingeschätzt werde. Ausreichen werde es aber nicht. Hoffnung setzt Schellnhuber hingegen auf junge Menschen. Sie könnten eine Stimme werden, "die die Politik ein bisschen anschubsen und wahrscheinlich sogar richtig vor sich hertreiben" könnte. Seit zwei Jahren habe er wieder Hoffnung, dass die Politik noch rechtzeitig reagiert.