Klaus Flamm, Mitarbeiter der Stadt Freiburg, sitzt in einem Mähtraktor und mäht einen Grünstreifen. Viele Bauarbeiter, Gärtner und andere im öffentlichen Raum tätige Menschen sehen sich zunehmend verbalen oder körperlichen Attacken ausgesetzt.

Baden-Württemberg Beschimpft und beleidigt: Das ist Alltag für viele Straßenarbeiter in BW

Stand: 23.04.2025 09:50 Uhr

"Spinnst du?", "Aus dem Weg!" und auch mal ein Faustschlag - sind das Einzelfälle oder ein unguter Trend? Pöbeleien und Handgreiflichkeiten gegen Straßenarbeiter nehmen zu.

In Baden-Württemberg werden Straßen- und Bauarbeiter immer häufiger beleidigt und angepöbelt. Für Arbeiter an Straßenbaustellen oder auf städtischen Grünflächen gehören Angriffe inzwischen zum Alltag.

Auf der einen Seite rauschen Autos und Fahrradfahrer vorbei, auf der anderen Seite sind Fußgänger. Dazwischen auf einem breiten Grünstreifen: Klaus Flamm, Mitarbeiter im Freiburger Garten- und Tiefbauamt, auf seinem Mäher. Sein Job macht ihm Freude - aber das Benehmen von Verkehrsteilnehmern immer öfter nicht.

Verbalattacken und Handgreiflichkeiten gegen Bauarbeiter

"Die Menschen werden immer ungeduldiger", sagt er. Er berichtet von zum Teil harten Verbalattacken, übrigens auch von Fußgängern - weil sich viele gestört und behindert fühlen von notwendigen Arbeiten auf Straßen und Grünflächen. Er sei schon als Nazi beschimpft worden, auch das A-Wort sei gefallen. Früher gab es das zwar auch. "Aber in dieser Härte ist das neu."

Klaus Flamm, Mitarbeiter der Stadt Freiburg, sitzt in einem Mähtraktor. Viele Bauarbeiter, Gärtner und andere im öffentlichen Raum tätige Menschen sehen sich zunehmend verbalen oder körperlichen Attacken ausgesetzt.

Klaus Flamm, Mitarbeiter der Stadt Freiburg, wurde schon mehrfach beleidigt im Arbeitsalltag.

Tatsächlich gehört zum guten Ton mittlerweile auch ganz offenbar der schlechte: Menschen, die im Auftrag von Städten Garten- oder Bauarbeiten entlang von Straßen oder Radwegen verrichten, werden allzu oft Ziel von Beschimpfungen und Pöbeleien. Manche Verkehrsteilnehmer werden sogar handgreiflich, berichtet Frank Uekermann, Leiter des Garten- und Tiefbauamtes Freiburg.

Aggressive Menschen zeigen uns den Mittelfinger, fluchen oder spucken - Gott sei Dank nicht ganz so treffsicher - aus dem Auto auf meine Mitarbeiter. Frank Uekermann, Leiter des Garten- und Tiefbauamtes Freiburg

Aggressionen nehmen seit Jahren zu

"Ein bisschen niederschwellige Aggressionen gab es schon immer", sagt Uekermann. "Das hat aber in den letzten drei bis vier Jahren deutlich zugenommen." Die Hemmschwelle sei erheblich gesunken. "Aggressive Menschen zeigen uns den Mittelfinger, fluchen oder spucken - Gott sei Dank nicht ganz so treffsicher - aus dem Auto auf meine Mitarbeiter." Radfahrer seien dabei ähnlich aggressiv wie Autofahrer.

Auch aus Karlsruhe wird eine generell ansteigende Ungeduld und Unzufriedenheit der Bürgerschaft mit Baustellen verzeichnet. "Dies drückt sich durchaus auch durch verbale Beschimpfungen, oft mit emotionalem Charakter, sowie der Androhung körperlicher Gewalt aus", berichtet eine Stadtsprecherin.

Verständnis für Baumaßnahmen nimmt merklich ab

Mindestens einmal die Woche seien Mitarbeitende der Straßenmeistereien im Enzkreis mit Pöbeleien konfrontiert, sagt eine Sprecherin des Landratsamtes. Meist seien die Arbeiter von den Aggressionen überrumpelt und es bleibe keine Zeit, etwa das Nummernschild zu notieren. Auch komme es vielfach zu "Beinahe-Unfällen", weil Fahrer an einer Baustelle nicht langsamer würden, sondern versuchten, sich an Baustellen vorbeizudrücken.

"Das Verständnis für notwendige Baumaßnahmen hat merklich abgenommen", heißt es aus dem Landratsamt Rastatt. Die Ursachen für dieses Verhalten sähen die Kollegen vor Ort vor allem in den persönlichen Befindlichkeiten der Verkehrsteilnehmer: "Stress, Zeitdruck und höchst individuelle Frustrationstoleranzen", sagt ein Sprecher der Behörde.

Im Kreis Heilbronn habe einmal ein Autofahrer mit seinem Wagen einen der Mähzüge blockiert, heißt es aus dem zuständigen Landratsamt. Auch Stuttgart verlautet, dass Aggressivität und Übergriffe zunehmen würden. "Es kommt dabei vereinzelt auch zu körperlichen Übergriffen", sagt ein Sprecher der Landeshauptstadt. Betroffene könnten Unterstützung von geschultem Personal in Anspruch nehmen.

Radfahrer attackiert Stadtmitarbeiter mit Faustschlag

In der Regel versuchen Mitarbeiter, die Situation zu deeskalieren oder einfach tief durchzuatmen, wie Frank Uekermann, Leiter des Garten- und Tiefbauamtes Freiburg, sagt. Das fällt aber nicht immer auf fruchtbaren Boden. In Freiburg sei vor einiger Zeit ein Mitarbeiter von einem genervten Radfahrer mit einem Faustschlag attackiert worden.

Frank Uekermann, Amtsleiter des Garten- und Tiefbauamts der Stadt Freiburg, steht neben einem noch zu mähenden Grünstreifen.

Frank Uekermann, Leiter des Garten- und Tiefbauamtes Freiburg, sorgt sich um die Arbeiter auf den Straßen.

Arbeiten an Rasenstreifen oder auf Baustellen an den Freiburger Straßen werden auf Randzeiten verlegt. Also möglichst jenseits der Rushhour oder sogar nachts, sagt Uekermann. Klaus Flamm ist inzwischen gerne zu zweit unterwegs, vor allem an bestimmten "Brennpunktstellen", wo besonders viel Verkehr herrscht und Stress programmiert ist.

Verkehrsminister Hermann: Respektlosigkeit inakzeptabel

Baustellen und Straßenarbeiten sind laut Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) notwendig, um Straßen und Brücken intakt zu halten. Zahlen zu aggressiven Handlungen oder gar Straftaten gegen Mitarbeiter auf Baustellen gibt es laut Verkehrsministerium nicht. Hermann sagt dem SWR: "Ich habe absolut kein Verständnis für Geringschätzung - vor allem gegenüber den Menschen, die täglich für unsere Sicherheit bei jedem Wetter auf den Straßen arbeiten."

Die Respektlosigkeiten empfindet er als beunruhigend und inakzeptabel. Die Arbeit von Straßenarbeitern sei anstrengend und nicht ungefährlich. "Wer daran zweifelt, ist bei einem Praktikum in einer Straßenmeisterei herzlich willkommen", so Verkehrsminister Hermann.

Mitarbeiter werden für Konfliktsituationen geschult

"Wir nehmen das Thema ernst", sagt ein Sprecher des baden-württembergischen Verkehrsministeriums. So würden beispielsweise im landeseigenen Aus- und Fortbildungszentrum der Straßenbauverwaltung in Nagold (Kreis Calw) angehende Straßenarbeiterinnen und -arbeiter gezielt auf mögliche Konfliktsituationen vorbereitet und darin geschult, angemessen und sachgerecht zu reagieren.

In Freiburg sind Beschäftigte des Garten- und Tiefbauamtes zum Teil resigniert und frustriert angesichts der Aggressivität. Etwa dreimal pro Woche gebe es inzwischen solche Vorfälle, sagt der Leiter des Amtes, Frank Uekermann. "Die herrschende Rohheit vieler Verkehrsteilnehmer ist schwer nachvollziehbar. Wir machen ja nur unsere Arbeit." Er plant nun Schulungen mit externer Hilfe, um seine Mitarbeiter zu wappnen im Umgang mit Pöblern. "Das ist ein Thema, das wir jetzt angehen müssen."

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