Ein Feuerwehrmann steht neben einem Warnschild mit der Aufschrift «Ölspur».

Baden-Württemberg Frust bei Feuerwehr: "Wir sind keine nützlichen Idioten für Einzelne"

Stand: 22.06.2025 11:16 Uhr

Bei Freiwilligen Feuerwehren im Raum Heilbronn gibt es immer öfter Kopfschütteln über einzelne Einsätze. Ein erfahrener Feuerwehrmann spricht jetzt Klartext.

Von Alexander Dambach

Die Zahl der Feuerwehreinsätze im Landkreis Heilbronn mit seinen 46 Kommunen nimmt immer weiter zu. Gut zwölf Mal am Tag müssten die ehrenamtlichen Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren in der Region inzwischen ausrücken, sagt Reinhold Gall aus Obersulm (Kreis Heilbronn). Er selbst ist seit 50 Jahren Feuerwehrmann und Ehrenvorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands Heilbronn.

Viele Einsätze von Freiwilligen Feuerwehren unnötig

Was ihn sichtlich ärgert ist, dass die Feuerwehren zu immer mehr Bagatelleinsätzen gerufen werden, die gar nicht zum eigentlichen Auftrag gehören. Die Zahl der Brand- und Unfalleinsätze sei nämlich nahezu gleich geblieben, so Gall.

"Wir sind nicht das Mädchen für alles. Oder drastischer ausgedrückt: Wir sind keine nützlichen Idioten für die Bequemlichkeit von Einzelnen", betont der Feuerwehrfunktionär. Gall war von 2011 bis 2016 auch Innenminister (SPD) von Baden-Württemberg und rückte auch während dieser Zeit als aktiver Feuerwehrmann bei Einsätzen mit aus.

Ich gehe davon aus, dass mittlerweile 20 bis 30 Prozent der Einsätze nicht zum Aufgabengebiet der Feuerwehr gehören. Reinhold Gall, Ehrenvorsitzender Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

Gall: Feuerwehr zum Reinigen oder Toiletteaufstellen gerufen

Und dann nennt der Feuerwehrmann ein paar Beispiele von Einsätzen, die regelmäßig für Frust bei den Aktiven sorgen. Da wird laut Gall schnell die 112 gewählt, wenn bei einem leichten Sturm ein paar Äste auf einem Grundstück liegen.

Oder wenn es darum geht, wenige Zentimeter Wasser aus einem Kellerraum zu beseitigen. Das seien dann eigentlich Reinigungsarbeiten, stellt er klar. Aber die Freiwillige Feuerwehr werde mittlerweile auch gerufen, um eine mobile Toilette auf einer Baustelle wieder aufzustellen, die umgefallen ist.

112 ist ein Notruf. Wie der Name schon sagt, wenn eben jemand in Not ist. Reinhold Gall, Ehrenvorsitzender Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

Ebenfalls unverständlich ist für Gall, dass die Feuerwehr zuletzt immer wieder etwa auch bei Hausnotrufen alarmiert werde. Dafür würden Menschen doch eigentlich an einen Anbieter Geld bezahlen, dass der sich dann darum kümmere und auch vor Ort erscheine. Richtig erklären kann er sich diese Entwicklung nicht.

Ölspuren sind ein besonderes Reizthema

Besonders verstimmt sind die Feuerwehrleute über die Beseitigung von Ölspuren. Laut Gall musste die Feuerwehr Obersulm zuletzt innerhalb von zwei Wochen fünf Mal Ölspuren beseitigen. Das ist zeitaufwendig und bindet viele Kräfte.

Es sei klar geregelt, dass in solchen Fällen der "Baulastträger", also sprich, Bund, Land, Kreis oder Kommune am Zug seien. Hier werde dennoch schnell die Feuerwehr gerufen, obwohl es sich nicht um einen Notfall handele.

Vorbildlich geregelt habe das der Landkreis Heilbronn, so Gall. Hier gebe es eine Einsatzbereitschaft bei den Straßenbauämtern für die Kreisstraßen. Auch die Kommunen müssten sich mit dem Thema intensiver beschäftigen, fordert Gall.

Die Feuerwehr muss gelegentlich mal lernen, dass das Wörtchen "Nein" auch zum Sprachschatz gehört. Reinhold Gall, Ehrenvorsitzender Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

Bröckelt das Verständnis bei Arbeitgebern?

Die große Sorge der Ehrenamtlichen ist, dass es irgendwann auch zu Problemen mit dem Arbeitgeber führen könnte. Denn wenn der Alarm immer öfter piepst, müssen die Freiwilligen Feuerwehrleute oft vom Arbeitsplatz aus direkt los.

Wenn es hier zu immer mehr auch unnötigen Bagatelleinsätzen komme, so Gall, dann gefährde das möglicherweise auch das Verständnis des Arbeitgebers.

Nach dem Feuerwehrgesetz sind die Ehrenamtlichen bei einer Alarmierung verpflichtet zu erscheinen. Reinhold Gall, Ehrenvorsitzender Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

Wenn es um die Kosten geht, lenken manche ein

Wie begegnen die Freiwilligen Feuerwehren jetzt dieser Entwicklung? Es geht hier vor allem auch um Öffentlichkeitsarbeit, so Gall. Den Anrufenden müsse bewusst sein, dass unterm Strich der Verursachende einen Bagatelleinsatz zahle.

So habe man es auch schon erlebt, dass einzelne Anrufende die Feuerwehr auch wieder weggeschickt hätten, wenn klar geworden sei, wer die Kosten für die Alarmierung tragen müsse.

"112 ist der bequeme Weg"

Auch mit Leitstellen ist die Feuerwehr im Austausch, um hier möglicherweise am Telefon und vor einer Alarmierung noch besser auszuloten, ob es ein wirklicher Notfall für die Feuerwehr ist oder ob es sich um einen Fall handelt, für den ein Bürger oder eine Bürgerin privat verantwortlich ist.

Das Thema Ölspur hat jetzt auch der Kreisbrandmeister auf dem Schirm, der dazu mit den Kommunen im Austausch ist. "112 ist für viele eben der bequeme Weg", sagt Gall. Er hofft, dass hier ein Umdenken einsetzt, welches sich dann vielleicht auch an den Einsatzzahlen ablesen lässt.

Sendung am Mo., 23.6.2025 6:00 Uhr, SWR4 BW am Morgen, SWR4 Baden-Württemberg

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