
Baden-Württemberg Handwerker am Schreibtisch gefangen: Bürokratie-Flut verursacht Milliardenkosten
Bürokratie kostet Unternehmen jährlich rund 61 Milliarden Euro. Bauunternehmer und Handwerker leiden besonders unter der Belastung durch Bürokratie - auch in Baden-Württemberg.
Mittelständische Unternehmen kämpfen mit einer enormen Belastung durch Bürokratie. Im Durchschnitt verbringen Mitarbeitende etwa sieben Prozent ihrer Arbeitszeit mit bürokratischen Aufgaben. Das zeigt eine aktuelle Studie der staatlichen KfW-Förderbank. Andreas Götz, ein Handwerker aus dem Kreis Heilbronn beklagt sogar: Mehr als die Hälfte seiner Arbeit besteht mittlerweile aus Verwaltungs- statt Handwerksarbeit.
Bürokratie frisst Arbeitszeit
Seit 35 Jahren steht der Dachdecker Andreas Götz mit Kreissäge, Maßband und viel Herzblut in seiner Holzbauhalle in Obersulm-Affaltrach (Kreis Heilbronn). Er hat Krisen durchlebt, Preise schwanken sehen, Lehrlinge kommen und gehen. Doch was den Zimmermeister heute mehr belastet als alles andere, ist der Papierkram. "So schlimm war’s noch nie", sagt der 62-jährige Zimmermeister und schüttelt den Kopf.

Der Zimmermeister Andreas Götz aus Obersulm bezeichnet die bürokratische Belastung als Wahnsinn.
Baustellendokumentation, Behördengänge, Schriftverkehr, ständige Zeiterfassung. Die Bürokratie nehme gar zwischen 60 und 70 Prozent seiner Arbeitszeit in Anspruch, klagt Götz.
Es ist ein Wahnsinn, wie viel Zeit das alles frisst. Andreas Götz, Dachdecker Obersulm-Affaltrach
Was früher mit einem Anruf oder einfacheren Formularen erledigt war, raubt ihm heute die Zeit für sein eigentliches Handwerk.
Studie belegt hohe Bürokratiebelastung für Mittelständler
Der Unternehmer ist damit bei weitem nicht allein. Laut einer Studie wenden mittelständische Unternehmen im Schnitt rund 32 Arbeitsstunden pro Monat auf, um bürokratischen Vorgaben nachzukommen. Dies geht aus dem repräsentativen "Mittelstandspanel" der staatlichen Förderbank KfW hervor, das rund 10.000 kleine und mittlere Unternehmen aus sämtlichen Branchen erfasst. Der Erhebung zufolge kostet es den Mittelstand jedes Jahr rund 61 Milliarden Euro, um alle Vorschriften zu erfüllen.
Wir wollen arbeiten und etwas bewegen, aber kommen nicht mehr vom Schreibtisch weg. Andreas Götz, Dachdecker Obersulm-Affaltrach
Auch in der Konjunkturumfrage der IHK Heilbronn-Franken gehören Bürokratie und Regulierung zu den am häufigsten genannten Geschäftsrisiken für Unternehmen. Die Industrie- und Handelskammer fordert schon lange eine Entlastung der Unternehmen von bürokratischen Aufgaben, wie etwa Nachweispflichten, die vielen Betrieben unnötig Zeit rauben.

Zu seinem eigentlichen Handwerk, dem Dachdecken, komme er kaum noch, sagt Andreas Götz.
Neue Regierung verspricht Bürokratieabbau
Die kommende Koalition aus Union und SPD hat versprochen, Bürokratie abzubauen und den Staat effizienter zu machen. "Der Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung hat einige gute Ansätze zur Wiederbelebung des Wirtschaftsstandorts", meint Christof Geiger, stellvertretender Geschäftsführer der IHK Heilbronn-Franken. Besonders die angekündigte Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sei mehr als überfällig. Doch diese Ansätze müssten "jetzt auch schnell und konsequent umgesetzt werden".
Dachdecker Andreas Götz aus Affaltrach glaubt noch nicht so recht daran. Zu viele Versprechungen wurden von früheren Regierungen gemacht, die letztlich nicht eingehalten wurden. Jetzt sei es jedoch allerhöchste Zeit, bevor die Wirtschaft weiter leide.
Sendung am Sa., 26.4.2025 6:00 Uhr, SWR4 BW am Samstagmorgen, SWR4 Baden-Württemberg