
Baden-Württemberg Sicher auf der Straße: Gibt es heute mehr oder weniger Unfälle in BW als früher?
Beim Blick in die Nachrichten-App könnte man manchmal denken: Auf den Straßen in Baden-Württemberg wird es immer gefährlicher. Ein Blick in die Statistik sagt etwas anderes.
- Verkehrsunfallstatistik: Sind wir in BW sicherer unterwegs?
- Verkehrstote: Wie ist der Trend deutschlandweit?
- Fahrrad im Fokus: Wo gibt es Möglichkeiten zur Verbesserung?
- Unfallexperte: Wie wird der Straßenverkehr sicherer?
- Tempolimit: Zentraler Baustein für mehr Sicherheit?
- Prävention: Gibt es kostenlose Verkehrssicherheitsangebote?
- Wo finden Opfer von Verkehrsunfällen und Angehörige Hilfe?
- Quiz: Testen Sie Ihr Wissen!
Verkehrsunfallstatistik: Sind wir heute sicherer unterwegs als früher?
Schaut man sich die Unfallstatistiken seit 1990 für Baden-Württemberg an, muss man klar sagen: Ja, der Straßenverkehr ist heute sicherer als damals.
Besonders deutlich wird der langfristige Trend zu sichereren Straßen, wenn man sich die Zahl der Unfallopfer pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner ansieht. Gab es laut Statistischem Landesamt 1990 noch 13 Verkehrstote pro 100.000 Einwohner, so lag dieser Wert 2023 nur noch bei 3,3. Auch bei den Schwer- und Leichtverletzten zeigt sich dieser Trend.
Die BW-Landesregierung weist zudem darauf hin, dass der Anteil der Verkehrsunfälle mit Personenschaden an der Gesamtzahl der Verkehrsunfälle immer geringer werde. 1990 kamen noch bei rund 17,7 Prozent der Verkehrsunfälle Personen zu Schaden, 2024 war das dagegen bei nur noch 10,8 Prozent der Verkehrsunfälle der Fall.
Verkehrstote: Wie ist der Trend deutschlandweit?
Bundesweit zeigt sich der Rückgang bei Verletzten und Toten im Straßenverkehr übrigens auch: Ein Blick zurück in die Zeit vor Einführung der Anschnallpflicht zeigt das ganz deutlich. 1970 kamen laut Statistischem Bundesamt im Straßenverkehr in Deutschland (Bundesrepublik und DDR zusammengerechnet) noch 21.300 Menschen ums Leben. 2024 waren es noch 2.759 Verkehrstote - ein Rückgang um rund 87 Prozent.
In der Bundesrepublik kam die Anschnallpflicht 1976, in der DDR 1980 - Bußgelder gab es in Westdeutschland ab 1984, wenn man ohne Sicherheitsgurt erwischt wurde. Das brachte einen signifikanten Rückgang der Verkehrstoten mit sich.
So berichtete der Vorgänger des SWR, der SDR, im Radio über die Einführung des Bußgelds für "Gurtmuffel" am 1. August 1984:
Doch auch lange nach Einführung der Anschnallpflicht setzte sich der positive Trend fort. Thoralf Knote forscht am Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme zu Fahrzeug- und Verkehrssicherheit. Auch er betont: "Die Zahl der Getöteten im Straßenverkehr ist seit 1991 kontinuierlich gefallen - und das obwohl die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen und deren Fahrleistung gestiegen ist". Setze man das miteinander ins Verhältnis, werden die Fortschritte noch deutlicher, sagt Knote.
Unfallexperte: Wie wird der Straßenverkehr effektiv sicherer?
Der Rückgang bei Verkehrstoten und -verletzten hat laut Experte Thoralf Knote vor allem zwei Gründe: Kommunen und Landkreise identifizierten anhand polizeilicher Daten Unfallschwerpunkte, so Knote. Die werden dann durch Maßnahmen wie Geschwindigkeitsüberwachung, Umbau oder die Installation einer Ampel gezielt sicherer gemacht. Das Land Baden-Württemberg unterstützt solche Maßnahmen finanziell. Klar sei aber auch, sagt der Experte: "Deutschland ist zwar ein wohlhabendes Land, trotzdem können wir es uns nicht leisten das gesamte Straßennetz auf einmal so umzubauen, wie das für die Verkehrssicherheit wünschenswert wäre. Hier geht es um Prioritätensetzung."
Neben der Infrastruktur seien die Fahrzeuge der zweite wichtige Faktor. Die seien sehr viel sicherer geworden. "Wir haben heute Fahrzeuge vor allen Dingen in der Mittel- und Oberklasse, in denen können Sie Unfälle überleben, da wären Sie vor 20 Jahren noch mit hoher Wahrscheinlichkeit getötet oder schwer verletzt worden", erklärt Knote.
Bei der Entwicklung der Fahrzeuge hält Knote auch noch weiteren Fortschritt für möglich: "Wir haben noch ein enormes Potenzial bei aktiven Fahrassistenzsystemen. Neben Notbremsassistenten arbeitet die Fahrzeugindustrie noch an an ganz anderen Lösungen, zum Beispiel Warnsysteme zur Vermeidung von Wildunfällen." Doch auch ein potenziell vollautomatisierter Verkehr könne nur ein weiterer Beitrag für mehr Sicherheit sein, so der Experte. "Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass autonome Fahrzeuge keine Unfälle verursachen werden."
Neben der Technik sieht Knote im Bereich Verkehrserziehung Potenzial. "Speziell ab etwa zwölf Jahren, wenn Kinder und Jugendliche die Welt ohne ihre Eltern und Großeltern erkunden und beginnen selbst zu Fuß, auf dem Fahrrad oder im ÖPNV am Verkehr teilzunehmen, sind Kinder und Jugendliche besonders gefährdet", erklärt der Experte, "und es prägt sich in diesem Alter mental das Verkehrsverhalten." In seiner Abteilung am Fraunhofer-Institut forschen sie auch daran, wie eine solche "interaktive Unfallprävention" für Heranwachsende aussehen kann.
Fahrrad im Fokus: Wo gibt es Möglichkeiten zur Verbesserung?
Doch trotz aller positiven Trends bei der Verkehrssicherheit in Deutschland und in Baden-Württemberg: Weiterhin passieren schlimme Unfälle im Straßenverkehr. Veränderungen und Trends bringen neue Herausforderungen mit sich. Immer mehr Fahrräder, E-Bikes und E-Scooter sind auf den deutschen Straßen unterwegs. Bundesweit starben 2024 deutlich mehr Radfahrerinnen und Radfahrer im Straßenverkehr als noch zehn Jahre zuvor. In Baden-Württemberg gab es 2024 außerdem erstmals mehr tödliche Unfälle mit E-Bikes oder Pedelecs als mit konventionellen Fahrrädern. Und auch E-Scooter sind immer häufiger in Unfälle verwickelt.
In Sachen Fahrradfreundlichkeit schneidet Baden-Württemberg trotzdem zusammen mit Hessen und Niedersachen in der jüngsten Zufriedenheitsbefragung des Vereins Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC) am besten ab. Allerdings gebe es bei Konflikten zwischen Auto- und Fahrradfahrenden sowie bei der Hindernisfreiheit von Radwegen noch Verbesserungsbedarf, so der ADFC. Um hier nachzubessern, brauche es eine konsequente Trennung von Rad- und Autoverkehr, wo der Verkehr besonders dicht ist. Außerdem mehr Verkehrsüberwachung - und Tempolimits.
Tempolimit: Zentraler Baustein für mehr Sicherheit?
Die Forderung nach klaren und flächendeckenden Tempolimits inner- wie außerorts eint verschiedene Vereine, Fachverbände und Interessengruppen. Viele versprechen sich davon eine deutliche Reduktion der Unfälle. Auch Experte Thoralf Knote vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme sieht die Reduzierung der erlaubten Geschwindigkeit an Unfallschwerpunkten als probates Mittel an.
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) plädiert etwa für einen Modellversuch zu Tempo 30 innerorts. Ein Tempolimit auf Autobahnen forderte zudem im Januar ein Bündnis von 14 Organisationen von der neuen Bundesregierung, darunter Greenpeace, die Gewerkschaft der Polizei und der Verkehrsclub Deutschland.
Doch gerade ein mögliches Tempolimit auf Autobahnen ist in der Bevölkerung stark umstritten. Verschiedene Umfragen kamen zuletzt zu dem Ergebnis, dass zwar eine Mehrheit ein Tempolimit befürwortet, die Idee aber beim Rest der Befragten auf große Ablehnung stößt.
Prävention: Gibt es kostenlose Angebote zur Verkehrssicherheit?
Die Verkehrswachten an vielen Orten in Baden-Württemberg bieten Kurse an:
- Beispielsweise "Pedelec-Trainings für ältere Zielgruppen" oder
- "Alles im Griff" für junge Erwachsene
- Außerdem kostenpflichtigen Fahrsicherheitstrainings (teilweise Kostenübernahme etwa durch Arbeitgeber möglich)
Weitere Angebote:
- "Gib Acht im Verkehr" unter Schirmherrschaft von BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) bündelt Informationen zur Unfallprävention.
- Die Aktion "Team Vision Zero" vom BW-Verkehrsministerium bietet zum Beispiel einen Selbstcheck zur Fahrtauglichkeit.
Für Kinder und Eltern:
- Der DVR beispielsweise bietet das kostenlose Programm zur Verkehrserziehung "Kind und Verkehr" an.
- Die Deutsche Interessengemeinschaft Verkehrsunfallopfer (DIVO) stellt Kindergärten und Schulen auf Anfrage eine kostenlose "Sicherheitsausrüstung zur Prävention und Unfallverhütung" zur Verfügung.
Erste-Hilfe-Kurse:
- Hilfsorganisationen bieten kostenpflichtige Erste-Hilfe-Kurse für Einsteiger und zum Auffrischen an (für Mitglieder sind diese einmal pro Jahr oft kostenlos).
- Kostenlose Apps fürs Smartphone unter anderem vom Deutschen Roten Kreuz, vom Arbeiter-Samariter-Bund und von den Maltesern
Wo finden Opfer von Verkehrsunfällen und Angehörige Hilfe?
Wenn bei Verkehrsunfällen Menschen zu Schaden kommen, hat das häufig drastische Folgen. Für sie selbst, aber auch für ihre Angehörigen. Bei der Bewältigung der vielfältigen Folgen helfen verschiedene gemeinnützige Vereine, die deutschlandweit aktiv sind:
- die DIVO bietet beispielsweise rechtliche Beratung für Unfallopfer an und gibt Tipps für Hilfe im Alltag nach einem schweren Unfall
- die Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland bietet außerdem zusammen mit dem DVR und der Bundesanstalt für Straßenwesen den "Hilfefinder" an (Informationen und Hilfsangebote für Betroffene psychischer Unfallfolgen)
Quiz: Testen Sie Ihr Wissen!
Testen Sie ihr Wissen: Wie sicher sind die Straßen in Deutschland und BW?
Sendung am Sa., 21.6.2025 5:00 Uhr, Guten Morgen Baden-Württemberg, SWR1 Baden-Württemberg