
Baden-Württemberg Wohnen in BW: So groß ist das Stadt-Land-Gefälle bei Immobilienpreisen
Der Traum vom eigenen Heim: In Großstädten lässt er sich von vielen kaum realisieren, angesichts hoher Preise. Wie viel günstiger ist es eine halbe Stunde Fahrzeit entfernt?
Zwischen Karlsruhe und Straubenhardt (Enzkreis) liegen lediglich 21 Kilometer Luftlinie - und doch sind die Unterschiede gewaltig. Das haben auch Senem Gümüs und ihr Ehemann Cenk festgestellt: Das junge Paar mit zwei Kindern ist von Karlsruhe aufs Land gezogen, um in Straubenhardt seinen Traum vom Eigenheim zu verwirklichen.
Rund 250.000 Euro mussten die beiden aufbringen. Etwas Vergleichbares in Karlsruhe wäre für sie finanziell nicht zu stemmen gewesen.
Immobilienpreise: Eigenheim-Suche im Umland kann sich lohnen
Kein Einzelfall in Baden-Württemberg. Das Gefälle bei den Immobilienpreisen zwischen Stadt und Umland ist teils enorm. Das belegen Zahlen des Immobilienverbands IVD Süd.
So kostet ein modernes freistehendes Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche plus ortsüblich großem Grundstück in Ulm im Schnitt 645.000 Euro, im etwa 30 Kilometer entfernten Herbrechtingen im Kreis Heidenheim nicht einmal die Hälfte, nämlich 310.000 Euro.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in anderen Regionen im Land. Ein weiteres Beispiel: In Stuttgart kostet ein vergleichbares Einfamilienhaus im Schnitt 1,15 Millionen Euro. Etwa eine halbe Stunde entfernt in Korntal-Münchingen im Kreis Ludwigsburg liegt der Preis mit 750.000 Euro rund ein Drittel niedriger.
Die Tendenz lässt sich auch anhand von Bestands-Eigentumswohnungen zeigen, wie die folgenden Grafiken zeigen:
Enorme Unterschiede auch bei Mietpreisen in BW
Auch bei Mieten ist das Gefälle groß. Für Bestandswohnungen mit gutem Wohnwert wurden in Böblingen und Konstanz im Frühjahr 2025 jeweils 17 Euro pro Quadratmeter verlangt, in Stuttgart waren es 16,40 Euro. Am unteren Ende der Liste liegen Albstadt im Zollernalbkreis mit 8,30 Euro sowie im Rhein-Neckar-Kreis Meckesheim mit 8,20 Euro und Eberbach mit 7,70 Euro.
Fast überall sind die Immobilien in den vergangenen fünf Jahren teurer geworden. In Heidelberg etwa kostete ein freistehendes Einfamilienhaus im Frühjahr 2020 im Schnitt rund 782.500 Euro, fünf Jahre später 903.000 Euro. Deutliche Steigerungen gab es auch in Karlsruhe, Freiburg und Ulm.
In Heilbronn stagnierten die Preise bei rund 620.000 Euro. In Mannheim gingen sie von 836.250 Euro auf 790.000 Euro zurück. Am günstigsten ist ein solches Einfamilienhaus laut der IVD-Liste aktuell in Albstadt mit 230.000 Euro.
Begrenzter Neubau und Spekulation wirken sich auf Preise aus
Generell sind sowohl Kauf als auch Miete in den baden-württembergischen Groß- und Universitätsstädten am teuersten. Das Statistische Landesamt nennt als Einflussfaktoren in den Ballungsräumen neben der hohen Nachfrage auch eine begrenzte Neubautätigkeit und Spekulation mit Wohnraum.
Erheblich günstiger wohnt man in kleineren Städten und ländlichen Regionen wie Albstadt, Balingen oder Crailsheim im Kreis Schwäbisch Hall.
Allerdings: "Wenn ich dort den Arbeitsplatz nicht habe oder die Lebensbedingungen nicht stimmen, dann hilft mir im Endeffekt das günstige Wohnen irgendwo im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb überhaupt nichts", schränkt Stephan Kippes ein. Er ist Professor für Immobilienmarketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen und beobachtet für den IVD Süd den Immobilienmarkt.
Leerstand auf dem Land nimmt zu
Der Experte beobachtet in strukturschwachen Gebieten einen wachsenden Leerstand: Angesichts von wegfallenden Zugverbindungen und Schließungen von Schulen, Gaststätten, Geschäften und Arztpraxen zögen Menschen zunehmend weg in Ballungsräume, wo bereits Wohnungsnot herrsche, sagte Kippes dem SWR.

Luftbild von Einfamilienhäusern in einer Gemeinde im Landkreis Heilbronn
Experte fordert Maßnahmen zur Stärkung strukturschwacher Regionen
Darum fordert Kippes eine engagierte Strukturpolitik, die ländliche Regionen stärker unterstützt und dort Abwanderung verringert. Solche Regionen bräuchten eine gute Infrastruktur, auch die Ansiedlung von Arbeitgebern oder von Hochschulen sei sinnvoll.
"Wenn man dem flachen Land etwas Gutes tut, dann nimmt man nicht Stuttgart oder anderen Ballungszentren Geld weg - sondern dann hilft man denen auch, indem man dort den Druck, hinzuziehen, reduziert", so Kippes.Das in der Corona-Pandemie zunehmend verbreitete Arbeiten im Homeoffice wäre eine Chance für ländliche Regionen, so Kippes. Allerdings stellt er noch keine nennenswerten Verlagerungseffekte fest.
Ein Hauptgrund: Vielfach fehle eine gute Versorgung mit leistungsfähigem Internet. Das müsse dringend verbessert werden. Man müsse dann zwar trotzdem bereit sein, längere Strecken zu pendeln, "aber das tut dann ja nicht weh, wenn ich nur ein oder zwei Mal pro Woche zum Beispiel nach Stuttgart muss".
Druck in den Ballungszentren wächst
Gerade in den Ballungszentren wird sich bei der Schaffung von Wohnraum kaum etwas verbessern. Der IVD Süd erwartet für 2025 vielmehr einen "massiven Rückgang der Baufertigstellungen". Der Grund: Es gebe einen Überhang an Fertigstellungen im Vergleich zu den Baugenehmigungen, so Stephan Kippes. Er bezeichnete die Entwicklung als "besorgniserregend".
Zugleich hat das Interesse, in Wohnimmobilien zu investieren, aufgrund sinkender Zinsen bei Wohnungsbaukrediten wieder zugenommen. In der Folge steigen die Preise etwa bei Eigentumswohnungen - am stärksten unter den Großstädten in Baden-Württemberg in Reutlingen und Heidelberg.