Leon Weintraub, Überlebender des KZ Flossenbürg, bedankt sich im Rahmen des Gedenkakts bei einem anwesenden Soldaten.

Bayern Gedenken in Flossenbürg: Rückkehr an den Ort des Grauens

Stand: 27.04.2025 15:45 Uhr

Vor 80 Jahren ist das KZ Flossenbürg in der Oberpfalz von amerikanischen Truppen befreit worden. Daran wurde am Sonntag mit einem Gedenkakt erinnert. Auch einige Überlebende kehrten dafür an den Ort des Grauens zurück.

Von Christoph Röder, BR24 Redaktion

Mit einem feierlichen Gedenkakt ist am heutigen Sonntag der 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg begangen worden. Knapp 1.000 Gäste sind zu diesem Anlass in die Oberpfalz gekommen, darunter auch sechs Überlebende sowie Nachkommen ehemaliger Häftlinge und internationale Gäste aus über 20 Nationen.

In den Ansprachen vor Ort wurde vor allem mit Sorge auf die aktuelle Weltlage geblickt und betont, dass das Gedenken und der Ausspruch "Nie Wieder" nicht zu oberflächlichen Floskeln und Formalitäten werden dürfen.

Flossenbürg – Ein Ort des Grauens

In dem Lager mit seinen Außenstellen waren zwischen 1938 und 1945 mehr als 100.000 Menschen inhaftiert, mehr als 30.000 Menschen überlebten die Verbrechen der Nationalsozialisten nicht. Die SS beutete die Arbeitskraft von Häftlingen im örtlichen Steinbruch gezielt aus. Es herrschten schwerste Zwangsarbeit, Hunger, Krankheit und Gewalt.

Emilia Rotstein, die Tochter des ehemaligen Häftlings und Überlebenden Leon Weintraub, kritisierte vor Ort, die Menschheit lerne selten aus der Geschichte. Der Holocaust sei ausführlich dokumentiert: "Trotzdem gibt es jetzt wieder Verneiner, Menschen, die behaupten, es wäre nie geschehen." Doch "das Vergessen würde den Opfern abermals das Leben rauben", gab sie zu bedenken. Auch ihr Vater, der 99-jährige Leon Weintraub, nahm an der Gedenkveranstaltung teil.

Bald seien die letzten Zeitzeugen nicht mehr imstande, ihre Erlebnisse selbst wiederzugeben, so Rotstein. Es sei unser aller Verantwortung, ihre Stimmen weiter klingen zu lassen. Sie versprach ihrem Vater unter Tränen, nicht indifferent daneben zu stehen, wenn Unrecht geschehe und demokratische Werte angegriffen werden.

Söder: "Humanität endete hier"

Nach Worten des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) gab es im Konzentrationslager Flossenbürg weder Gott noch Menschlichkeit. "Humanität endete hier", sagte Söder. Dennoch machten Geschichten von Überlebenden und anderen, die Beiträge zur Barmherzigkeit auch in den dunkelsten Zeiten geleistet hätten, immer wieder Hoffnung, dass die Menschlichkeit sich auch in solchen Situationen nicht töten lasse.

Ihm selbst seien die Bilder von Konzentrationslagern, die er in der Schulzeit gesehen habe, noch immer in Erinnerung. Es sei unvorstellbar, wie nach Jahrhunderten vermeintlicher Zivilisierung solche Verbrechen möglich gewesen sein. Es handle sich dabei auch nicht um ein Verbrechen unter vielen, sondern um das Verbrechen der Menschheitsgeschichte schlechthin, sagte Söder. Daher sei der Kampf gegen die leisesten Anzeichen einer Wiederholung die Aufgabe aller Demokraten in Deutschland.

Wieder Krieg und Ausgrenzung in Europa

"Ist es ein Tag, den wir feiern können?", fragte Landtags-Vizepräsident Tobias Reiß (CSU) angesichts der acht Jahrzehnte nach der Befreiung des Lagers durch die US-Armee. Seit drei Jahren herrsche wieder Krieg in Europa – und die Feinde der Demokratie "greifen uns unverhohlen" an, sagte der Repräsentant des bayerischen Parlaments. Auch Reiß mahnte, sich für Demokratie und Freiheit einzusetzen. "An diesem 80. Jahrestag kommt kein alliierter Retter. Wir stehen selbst in der Pflicht", mahnte er.

Die Kulturbeauftragte des Bundes, Claudia Roth (Grüne), zitierte den in Flossenbürg hingerichteten Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhöfer. Die Geschehnisse in der NS-Zeit hatten demnach ihre Basis in dem Herabschauen auf vermeintlich Schwache. Die Erinnerung daran sei umso wichtiger in der heutigen Zeit, in der die abschätzige Bewertung ganzer Menschengruppen offenbar wieder zum guten Ton gehöre, so Roth.

Flossenbürg als Ort der Demokratie-Weiterentwicklung

Flossenbürg schaue nicht nur zurück, sondern auch nach vorne, sagte der Leiter der KZ-Gedenkstätte, Jörg Skriebeleit, im BR-Interview. "Wir müssen gerade diese Erfahrung, die wir hier so spürbar haben an diesem Wochenende, aber auch im regulären Betrieb, deutlicher sichtbar machen in der Öffentlichkeit. Und dann sind wir nicht der mahnende Zeigefinger, sondern ein Ort, der wichtig ist für die Weiterentwicklung unserer Demokratien."

Im Anschluss an den Gedenkakt fanden eine Kranzniederlegung und eine interreligiöse Beisetzung von sterblichen Überresten statt, die bei Bauarbeiten gefunden wurden. Sie wurden in der Gedenkanlage "Tal des Todes" beigesetzt.

Mit Informationen von KNA und epd

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Quelle: BAYERN 3-Nachrichten 27.04.2025 - 14:00 Uhr