
Bayern Landgericht Passau: Ein Rechtsextremist als Rechtsreferendar?
Er engagierte sich in rechtsextremen Organisationen und publizierte in rechtsradikalen Medien. Dennoch darf ein angehender Jurist aktuell am Landgericht Passau ein Rechtsreferendariat absolvieren. Es ist die Voraussetzung, um Richter zu werden.
Wer vom Staat zum Juristen ausgebildet werden möchte, der darf diesen Staat und seine Verfassung nicht aktiv bekämpfen. So urteilte das Bundesverwaltungsgericht vor einem halben Jahr. Damals ging es um einen Neonazi, der am Oberlandesgericht Bamberg sein Rechtsreferendariat absolvieren wollte, dort aber als "charakterlich ungeeignet" abgelehnt worden war. Zurecht, wie das oberste deutsche Verwaltungsgericht letztinstanzlich feststellte.
Kontrollmechanismen haben versagt, kritisieren die Grünen
Einen ähnlichen Fall gibt es nun am Landgericht Passau, nur, dass dort ein Bewerber aus der rechtsextremen Szene angenommen wurde und seit vergangenem Oktober als Rechtsreferendar angestellt ist. Hier hätten Kontrollmechanismen versagt, kritisiert der rechtspolitische Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, Toni Schuberl.
Die Grünen haben deshalb eine Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Justizminister Georg Eisenreich verweist in seiner Antwort, die dem BR vorliegt, auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Zum Einzelfall könne man sich deshalb nicht äußern. Grundsätzlich würden Bewerber für das Rechtsreferendariat aber überprüft, etwa ob sie Mitglied in einer extremistischen Organisation seien. Gäbe es Zweifel an der Verfassungstreue, könne auch der Verfassungsschutz eingeschaltet werden.
"Ein Zettel zum Ankreuzen – das ist einfach zu wenig"
Genau das sei in diesem Fall jedoch offenbar nicht passiert, glaubt Toni Schuberl: "Die Antwort der Staatsregierung zeigt deutlich, dass hier nicht genau überprüft worden ist", so Schuberl, der selbst Jurist ist und im Rahmen seiner Ausbildung ebenfalls ein Rechtsreferendariat am Landgericht Passau absolviert hat: "Ich kenne das aus meiner eigenen Referendariatszeit. Man bekommt einen Zettel, und da muss man halt ankreuzen, ob man verfassungsfeindlich ist oder nicht, und wo man Mitglied ist. Das war's dann schon. Und das ist einfach zu wenig."
Burschenschaftler, IB-Aktivist und rechtsradikaler Publizist
Schon eine oberflächliche Internetrecherche zeigt, dass der Rechtsreferendar am Landgericht Passau nicht nur familiär eng mit der extrem rechten Szene vernetzt ist. Er gehört sowohl zur rechtslastigen Schülerburschenschaft Saxonia-Czernowitz als auch zur vom Verfassungsschutz beobachteten Burschenschaft Danubia. Jahrelang publizierte er in diversen Medien am rechten Rand, gab als Podcaster rechtsextremen Politikern wie Björn Höcke von der AfD und Herbert Kickl von der österreichischen FPÖ ein Forum. Zudem trat er öffentlich für die rechtsextreme Identitäre Bewegung auf. Im Interview mit dem Magazin "Der Spiegel" zeigte er offen seine Sympathien mit dem NS-Juristen Carl Schmitt und verbreitete den antisemitischen Verschwörungsmythos eines angeblichen systematisch geplanten Bevölkerungsaustauschs.
Schutz des Rechtsstaats versus Berufsverbot
Trotzdem sei es gar nicht so leicht, einem Bewerber die Ausbildung als Rechtsreferendar zu verweigern, sagt Laurent Lafleur, Sprecher des Oberlandesgerichts in München, das auch für das Landgericht Passau zuständig ist. Denn nicht nur Richter und Staatsanwälte müssen das Rechtsreferendariat absolvieren, sondern auch Anwälte: "Wenn ich also jemandem von vornherein verbiete, den Vorbereitungsdienst anzutreten, dann halte ich ihn einerseits von staatlichen Ämtern fern, hindere ihn aber zugleich auch daran, beispielsweise den Beruf des Rechtsanwalts zu ergreifen. Deswegen verlangt das Bundesverfassungsgericht eine besonders sorgfältige Prüfung, weil dies letzten Endes einem Berufsverbot gleichkommen könnte."
Kurz vor dem Referendariat noch ein Auftritt beim Burschentag
Ein wichtiger Maßstab für die Beurteilung eines Bewerbers für das Rechtsreferendariat ist laut Lafleur, ob er die freiheitlich-demokratische Grundordnung in aggressiver, gewalttätiger Art und Weise bekämpft. Im Fall des Passauer Rechtsreferendars fällt auf, dass er sein öffentliches Engagement für extrem rechte Medien und Organisationen im Vorfeld seiner Anstellung am Landgericht deutlich heruntergefahren hat. Dass er sich damit auch von extrem rechter Ideologie distanziert hätte, scheint eher zweifelhaft. Dem BR liegen Fotos vor, die ihn noch im Herbst 2023 bei einem Treffen der Identitären Bewegung im oberösterreichischen Steyregg zeigen. Erst vor einem Jahr, also wenige Wochen vor Beginn seines Referendariats, zeigte er sich öffentlich und farbentragend auf einem Burschentag im oberösterreichischen Schärding. Mehrere Anfragen des BR ließ er unbeantwortet.

Mitglieder der extrem rechten Burschenschaft Danubia vor dem Verbindungshaus in München - mittendrin der heutige Rechtsreferendar
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Quelle: Regionalnachrichten aus Niederbayern 18.06.2025 - 06:00 Uhr