
Bayern Tierleid in der Landwirtschaft – versagen staatliche Kontrollen?
Videos der SOKO-Tierschutz zeigen schwere Verstößen auf einem Hof in Bad Grönenbach. Im Landkreis Rosenheim wurden auf gleich zwei Höfen mehrere tote Rinder gefunden. Haben die staatlichen Kontrollen versagt? Und was kann man künftig besser machen?
Dass einem Amtstierarzt die Arbeit ausgeht, das ist kaum vorstellbar. Denn wenn es allein um die Kontrolle landwirtschaftlicher Betriebe geht, kommen auf einen Tierarzt 100 Höfe. Und das, obwohl Bayern im vergangenen Jahr 100 neue Stellen für Amtstierärztinnen und Amtstierärzte geschaffen hat.
Wie viele Kontrollen sie genau in Bayern durchführen, ist unklar. Das zuständige Umweltministerium kann keine Zahlen nennen. Und es werde auch keine Gesamtstatistik über Anzahl und Schwere der Verstöße geführt, teilt eine Sprecherin des Umweltministeriums auf BR-Anfrage mit. Doch neben den Kontrollen werden weitere Maßnahmen diskutiert, mit denen Tierschutzverstößen vorgebeugt werden könnten.
Vorschlag: Kontrollen mit Beratung verknüpfen
So sollten die Amtstierärztinnen und -tierärzte, die landwirtschaftliche Betriebe kontrollieren, zu Vertrauens- und Beratungspersonen werden, fordert die agrarpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Ruth Müller. Sie könnten die Landwirte auch gezielt auf Hilfsangebote oder Fortbildungen hinweisen.
Denn darüber herrscht Einigkeit: Wenn es den Tierhaltern selbst gut geht, können sie sich am besten um ihre Tiere kümmern. Darum gibt es seit Jahren Angebote für die seelische Gesundheit von Landwirtinnen und Landwirten, wie das Krisentelefon der SVLFG, das Montagstelefon oder den Bäuerlichen Hilfsdienst(jeweils externe Links).
Aber sich selbst Hilfe zu suchen ist gerade in schwierigen Zeiten nicht einfach. In Baden-Württemberg werden Hilfsangebote daher in einer "aufsuchenden Beratung" gezielt auf die Höfe gebracht. Ein präventiver Ansatz, für den sich auch der Bayerische Bauernverband aktuell interessiert.
Amtstierärzte mit vollem Arbeitspensum
Aber Amtstierärzte als Beratungsperson – diesen Vorschlag hält der Sprecher der beamteten Tierärzte in Bayern, Lieven Pool, momentan für "nicht realistisch". Die Amtstierärzte könnten bei der aktuellen Arbeitsfülle keine zusätzlichen Aufgaben übernehmen.
Ihnen könnte die Arbeit aber erleichtert werden, sagt der Bayreuther Veterinärdirektor Kai Braunmiller, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Fleischhygiene und Tierschutz in Bayern. Er schlägt ein "Tier-Gesundheits-Monitoring" vor, das Daten bündelt und für die Kontrolleure einsehbar macht, damit sie frühzeitig Veränderungen erkennen und die Landwirte entsprechend beraten. Zu den Daten, die in das Monitoring einfließen könnten, zählt Kai Braunmiller Informationen der Hof-Tierärzte, der Labore von Molkereien und Schlachthöfen sowie Meldungen aus den Tierkörperbeseitigungsbetrieben.
Koalitionsvertrag: Daten aus Tierkörperbeseitigungsbetrieben nutzen
Bislang ist es aus Datenschutzgründen nicht möglich, die Meldungen, die von Tierkörperbeseitigungsbetrieben erfasst werden, für eine "allgemeine Auswertung nach Tierschutzrecht" zu verwenden. Wenn Anzeichen für Tierleid an den Kadavern zu erkennen sind, wie unbehandelte Entzündungen, Bissverletzungen oder Unterernährung, soll aber künftig der Betrieb, von dem die Tiere stammen, auf Tierschutzverstöße kontrolliert werden.
Im aktuellen Koalitionsvertrag steht: "Wir werden den Tierschutz stärken und schaffen eine praxistaugliche Rechtsgrundlage für Kontrolle und Kennzeichnung von toten Tieren in Verarbeitungsbetrieben tierischer Nebenprodukte."
Mehr Aufmerksamkeit im Umfeld
Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) hat nach den jüngsten Skandalen die Bevölkerung aufgefordert, "sorgend hinzuschauen", wenn auf landwirtschaftlichen Betrieben Probleme entstehen.
Der Tierschutz-Experte Kai Braunmiller sieht neben Nachbarn und Berufskollegen weitere Personen in der Pflicht. Auf einen landwirtschaftlichen Betrieb kämen regelmäßig Tierärzte, Besamungstechniker, Futterlieferanten oder Viehtransporteure. Sollten sie Anzeichen für Tierseuchen erkennen, gibt es eine Meldepflicht, aber für Probleme beim Tierschutz nicht.
Eine Meldepflicht auch für Tierschutzverletzungen wäre wünschenswert, zum Wohl der Landwirtschaft insgesamt und auch zum Wohl des betroffenen Landwirtes, erklärt Kai Braunmiller. Denn falls psychische Probleme oder familiäre Notlagen bestehen, sollte möglichst frühzeitig geholfen werden.
Ein Tierschutzbeauftragter für Bayern?
In Bayern gibt es einen Tierschutzbeirat(externer Link) mit elf Vertretern von Tierschutzorganisationen, Berufsverbänden und Wissenschaftlern. Aktuell wird unter anderem von Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) laut über das Amt eines Tierschutzbeauftragten nachgedacht.
Auf Bundesebene gibt es das Amt seit 2023, die Tierärztin Ariane Kari hat es inne. In ihrer Funktion berät sie das für Tierschutz zuständige Ministerium, sie fördert die Zusammenarbeit der Behörden der Länder und steht für Bürgeranfragen und Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung.
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Quelle: BR24 im Radio 23.04.2025 - 06:47 Uhr