Abdelkader Selmi steht mit blauem Boxeroutfit im Ring und gibt einem Kontrahenten in gelb einen Schlag ins Gesicht.

Hessen Abdelkader Selmi: Box-Champion aus Frankfurt kämpft um sein Bleiberecht

Stand: 23.04.2025 14:11 Uhr

Abdelkader Selmi boxt erfolgreich für die Frankfurter Eintracht, wurde Deutscher Juniorenmeister. Auch eine Ausbildungsstelle hat der 20-Jährige. Dennoch soll er abgeschoben werden. Nicht nur für seinen Arbeitgeber ist das eine "Katastrophe".

"Mir geht es leider sehr, sehr schlecht", sagt Abdelkader Selmi. Der 20 Jahre alte Algerier lebt in Frankfurt. Zumindest noch. Denn Selmi soll abgeschoben werden, das hat ihm die Frankfurter Ausländerbehörde jüngst noch einmal bestätigt. Dabei fing alles vielversprechend an.

Selmi kam 2022 als 17-Jähriger nach Deutschland und stellte direkt einen Asylantrag. Kurz darauf begann er als Aktiver in der Boxabteilung von Eintracht Frankfurt. Mit Erfolg: Bereits ein Jahr später konnte er einen Titel nach Hessen holen. Selmi wurde in seiner Gewichtsklasse - bis 67 kg - Deutscher Meister der unter 22-Jährigen.

Boxchampion soll abgeschoben werden

Flucht aus Algerien

Geflohen war er aus Algerien, weil ihm dort Hass widerfahren sei. "Ich hatte Probleme wegen meiner Hautfarbe, wurde diskriminiert", sagte Selmi dem hr. Auch der Sport habe eine Rolle gespielt: "In Algerien habe ich nicht die Möglichkeit, Profi-Boxer zu werden", erklärt er.

Seit Herbst 2024 befindet er sich in einer zweijährigen Ausbildung. Selmi lernt derzeit den Beruf des Tiefbau-Facharbeiters bei einem Bauunternehmen in Frankfurt. Je nach Ausbildungsschwerpunkt geht es darin um Straßen-, Rohrleitungs- oder Kanalarbeiten. Selmi verlegt etwa Glasfaserkabel, die für schnelles Internet gebraucht werden.

Asylantrag abgelehnt

Ob er seine Ausbildung jemals in Hessen abschließen kann? Für Selmi bleibt das mehr als ungewiss - fast unrealistisch. Denn der buchstäbliche Schlag ins Gesicht kam vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Selmi soll ausreisen. Tut er das nicht freiwillig, droht ihm die Abschiebung, denn Algerien gilt als sicheres Herkunftsland.

"Menschen, die aus Algerien zu uns kommen wollen, müssen andere Wege wählen", sagt Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) im Gespräch mit der hessenschau. Das Asylverfahren sei ungeeignet, denn folge man den Entscheidungen vieler Gerichte, gebe es in Algerien keine politische Verfolgung, so der Minister. "Das Asylrecht ist für Menschen vorgesehen, die politisch verfolgt sind."

Grundsätzlich möglich sei es aber, in Deutschland zu bleiben, zum Beispiel über den Weg der Fachkräfteeinwanderung. "Da sind wir durchaus offen", so Poseck. Trotzdem: Obwohl Selmi eine sportliche Auszeichnung gewann und mit seiner Ausbildung dem Fachkräftemangel entgegenwirkt, soll er das Land verlassen.

Asylbewerber in Hessen
Laut Innenministerium leben derzeit 9.190 abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Hessen. Darunter befinden sich auch die 242 Algerier, zu denen auch Abdelkader Selmi zählt. Die Schutzquote der Algerier, also solche, deren Antrag bewilligt wird, liege bei einem Prozent.

"Paradebeispiel, wie Integration laufen sollte"

Selmis Boxtrainer bei Eintracht Frankfurt, Abelilah Karouia, macht das sprachlos. "Wir finden es absolut nicht fair, weil der Junge ein Paradebeispiel ist, wie Integration laufen sollte. Er hat auf die Schnelle Deutsch gelernt, er ist unser Leistungsträger und ein Vorbild für die Kinder", sagt er im Interview mit der hessenschau.

Auch Selmis Chef im Ausbildungsbetrieb kann die Entscheidung nicht nachvollziehen. "Es ist mir völlig unverständlich", sagt Dirk Heesen, der Geschäftsführer der Südwestdeutschen Rohrleitungsbau GmbH. "Diese Jobs werden gebraucht, wir bilden Leute aus, schaffen Facharbeiter. Wenn uns dann Behörden Steine in den Weg legen, ist das eine Katastrophe".

Petition mit bislang über 5.500 Unterstützern

Selmis Boxabteilung sowie sein Ausbildungsbetrieb und die Berufsschule, die er besucht, haben Mitte April eine Petition dagegen gestartet - mit dem Titel "Bleiberecht für Abdelkader - Einer von uns!"

Damit soll verhindert werden, dass ein Mann abgeschoben werde, den sein Betrieb behalten wolle, der sich in der Jugendhilfe zielstrebig und vorbildlich verhalte, der in der Berufsschule alles für eine erfolgreiche Ausbildung gebe und hoch motiviert und erfolgreich weiter bei der Frankfurter Eintracht boxe, heißt es darin.

Die Petition richtet sich direkt an den Hessischen Landtag und das Regierungspräsidium Darmstadt. Sie hat bereits über 5.500 Unterschriften vereint (Stand 23. April).

Aufschiebung statt Abschiebung durch Petition?

Wie erfolgreich die Petition sein kann, bleibt abzuwarten. Allerdings könnte sie ein erster Schritt in ein sogenanntes Härtefallverfahren sein, sagt der Fachanwalt für Migrationsrecht Stephan Hocks. Ihm zufolge hätte diese Art von Petition eine aufschiebende Wirkung.

Zudem sei es entscheidend, mit welcher Art "Eintrittskarte" man versuche, in Deutschland Fuß zu fassen. Möglich sei es, dass jemand, der über das Asylrecht ins Land gekommen ist und damit keinen Erfolg hatte, aufgrund seiner Integration das Verfahrern wechseln könne.

Dann würde nicht mehr ein Asylverfahren in Betracht gezogen werden, sondern man könne über die Ausbildungsduldung in ein Bleiberecht gelangen. Laut Horcks sei das aber in der Umsetzung schwierig: Bleiberechte zu geben, so der Migrationsexperte, sei politisch selten gewollt.

In Selmis Fall, so jedenfalls scheint es, könnte genau diese Ermessensfrage der Knackpunkt sein.