Die Windräder im Windpark Heidenrod

Hessen Grüner Gesetzentwurf: Wie hessische Bürger an Windrädern verdienen sollen

Stand: 14.05.2025 17:40 Uhr

Wer in Hessen Windräder baut, soll die betroffenen Kommunen finanziell beteiligen. Das wollen die Grünen gesetzlich regeln, um Bürgern den Ausbau schmackhaft zu machen. Auch die Regierungsfraktionen sehen den Anreiz - aber auch ein Problem.

Von Sandra Müller und Christoph Scheld

Wenn sich die Rotoren des Windparks Heidenrod (Rheingau-Taunus-Kreis) drehen, klingelt bei Klaus Henrich die Kasse. Er ist einer von 300 Bürgern, die neben der Gemeinde Heidenrod und dem Stromversorger SÜWAG Anteile am Windpark besitzen und somit von den Erlösen der Stromerzeugung profitieren.

Deshalb freut sich Henrich über den Anblick der 140 Meter hohen Türme - aber auch darüber, "dass sie etwas zur Energiewende beitragen und wir im kleinen Teil auch etwas dazu beigetragen haben", so Henrich, der auch Vorstandsvorsitzender der Bürgergenossenschaft ist.

2012 entschieden sich rund 88% Prozent der Heidenroder Bürger für einen Windpark im Gemeindegebiet. Damals schrieb Heidenrod noch tiefrote Zahlen.

Erfolgskonzept: Die Bürger vorher fragen

Der Klimawandel machte dem etwa 6.000 Hektar großen Wald im Gemeindegebiet stark zu schaffen. Der Lösungsansatz: ein Windpark, der nicht nur etwas zum Klimaschutz beitragen, sondern auch die klamme Kommunalkasse konsolidieren sollte.

Der Schlüssel zum Erfolg: die Bürger wurden von Beginn an einbezogen, erklärt Bürgermeister Volker Diefenbach (SPD). "Unser Rat ist immer, dass man ergebnisoffen auf die Bürger zugeht und nicht ein Projekt fast bis zum Ende plant und dann fragt, seid ihr dafür oder dagegen."

Was in der rund 8.400-Einwohner-Gemeinde schon Realität ist, wollen die Grünen im Landtag für ganz Hessen erreichen - mit einem neuen Gesetz.

Grüne: "Von Sonne und Wind sollen alle profitieren"

"Von Sonne und Wind sollen alle profitieren", so das Versprechen der energiepolitischen Sprecherin Kaya Kinkel. Konkret will das geplante Gesetz, das am Mittwoch zum ersten Mal im Landtag in Wiesbaden beraten wurde, dass Kommunen und dadurch auch die Bürger finanziell an Erneuerbare-Energien-Projekten beteiligt werden.

Das heißt, wenn ein Wind- oder Solarpark in Planung ist, muss den Kommunen eine Kooperation angeboten werden. Wie diese aussieht, lässt der Entwurf offen. Von vergünstigten Stromtarifen für Bürger über Anteile für Energiegenossenschaften - wie in Heidenrod - bis hin zur Übernahme eines Windrads durch den kommunalen Versorger ist demnach vieles denkbar.

Das Ziel der Grünen: mehr Akzeptanz und dadurch mehr Ausbau von Erneuerbaren Energien. "Wir wissen, man schaut anders auf ein Windrad, wenn man weiß, es dreht sich und die Kommune hat davon einen finanziellen Vorteil", so Kinkel.

Windpark ermöglicht Sozialstation

In Heidenrod ist diese Rechnung bislang aufgegangen. 12 Windräder drehen sich inzwischen in den Gemeindewäldern. Die Mitglieder der Bürgergenossenschaft bekommen eine jährliche Dividende ausgezahlt. Pro Jahr nimmt die Kommune rund 1,5 Millionen Euro ein - nicht nur durch den erzeugten Strom, sondern auch durch die Pacht oder Gewerbesteuern. 

Mit dem Geld finanziert die Gemeinde unter anderem günstige Kita-Gebühren, eine Sozialstation für Senioren und 18 Dorfgemeinschaftshäuser. Auch die früher horrende Grundsteuer konnte inzwischen drastisch gesenkt werden. Nach Angaben des Bürgermeisters ist das dem Windpark mit Bürgerbeteiligung zu verdanken.

Alles schön und gut, fanden auch CDU und SPD im Landtag. Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) stimmte den Grünen sogar zu, dass die Akzeptanz der Bürger für Windräder und Solarparks erhöht werden müsse. "Wenn die Vorteile nicht in der Kommune gesehen werden, dann sinkt die Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten, um Erneuerbare Energien heimisch zu produzieren", so Mansoori. Allerdings stecke der Teufel wie immer im Detail.

"Unbürokratisch und schlank" vs. "Bürokratiemonster"

Die Grünen heften dem eigenen Papier das Label "unbürokratisch und schlank" an. Michael Müller (CDU) sprach hingegen von einem "Bürokratiemonster", unter anderem wegen der geplanten zusätzlichen Kooperationsverfahren. "Die Gefahr von zu viel Regulierung und Verpflichtung sorgt dafür, dass möglicherweise weniger entsteht", so Müllers Befürchtung.

Zu viel Bürokratie erkannte auch René Rock (FDP). Ihn störe außerdem, was die Grünen für den Fall planen, dass es zu keiner Kooperation zwischen Investor und Kommune kommen sollte: "Eine Strafe darf bei den Grünen ja nicht fehlen", schimpfte er. Damit meinte Rock, dass der Investor laut Gesetzentwurf eine Ausgleichsabgabe von 0,4 Cent pro Kilowattstunde an die Kommune zahlen soll.

Bei einer Anlage mit einer durchschnittlichen Leistung von sechs bis sieben Megawatt wären das rund 64.000 Euro pro Jahr, haben die Grünen ausgerechnet. Ihr Fazit: Dies sei wirtschaftlich tragfähig und gleichzeitig ein Anreiz, sich mit der Kommune zu einigen. Zu viel Regulierung, befand wiederum die AfD, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien wegen der hohen staatlichen Subventionen ohnehin ablehnt.

Grüne vermissen Initiative der Landesregierung

Dass das geplante Gesetz der Grünen trotz inhaltlicher Überschneidungen mit CDU und SPD kaum Aussicht auf Erfolg hat, wurde am Mittwoch im Landtag deutlich. Kaya Kinkel offenbarte aber auch einen anderen Grund für den Entwurf: "In anderthalb Jahren gab es von dieser Landesregierung keine energiepolitische Initiative", stichelte sie gegen Schwarz-Rot.

Das ließen die wiederum nicht auf sich sitzen. Ein eigener Entwurf zu Bürgerbeteiligung sei längst in der Ressortabstimmung, so die Regierungsfraktionen. Stephan Grüger, energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, versprach zudem der Opposition: "Unsere Vorlage wird besser sein als Ihre, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen". Im Herbst will Schwarz-Rot dieses Versprechen einlösen.

Sendung: hr-fernsehen, 14.05.25, 16:45 Uhr