
Hessen Hessens bester Torjägerin wird das Feld zu klein
Franziska Aulbach schießt mehr Tore als Ronaldo oder Messi zu ihren besten Zeiten. Die Kreisliga-Torjägerin träumt aber nicht von der Meisterschaft oder Torrekorden. Sie wünscht sich vor allem Mitspielerinnen.
"Das merkt man fast gar nicht", sagt Sadik Gashi. Damit hat er nachweislich Unrecht. Franziska Aulbach ist die sportlich unübersehbar herausstechende Top-Torjägerin bei den B-Liga-Fußballerinnen des SV Seulberg. Sogar mehr als das. In ganz Hessen hat keine Amateurfußballerin in der laufenden Saison mehr Tore geschossen als "Franzi", wie sie hier alle nennen. 54 waren es bislang. Deutschlandweit liegt sie damit auf Rang acht der besten Torschützinnen, in Hessen ist sie sogar die derzeit Erfolgreichste im Amateurbereich.
Gashi ist ihr Trainer bei den Seulberger Fußballerinnen und will mit seiner Beschreibung von der unauffälligen Torjägerin natürlich auf das hinaus, was Aulbach so macht, wenn sie gerade keine Tore schießt. Da lässt sie sich eben nicht anmerken, dass sie in ihrem Team und der Kreisliga B eine Ausnahmeerscheinung ist. "Generell ist es nicht unbedingt meine Stärke, im Mittelpunkt zu stehen", sagt Aulbach. Auch das wieder ausdrücklich bezogen auf das Leben außerhalb des Fußballplatzes.
54 Tore in 17 Spielen
In ihrem Sport ist sie durchaus etwas Besonderes. In der vergangenen Saison unterlegte sie das bereits mit "ein paarunddreißig" Toren, wie sie überschlägt. Über 50 in 17 Spielen sind aber auch für die Verhältnisse der 21-Jährigen bislang unerreicht. Stolz mache sie ihr persönlicher Score und auch die damit verbundene Bekanntheit durchaus, die in den vergangenen Wochen spürbar zugenommen habe. Vor allem freue sie aber, "dass ich der Mannschaft helfen konnte".
Spaß und das Gemeinsame stehen bei den Fußballerinnen aus Friedrichsdorf vor den Toren Frankfurts im Vordergrund, das vermitteln sie glaubhaft. "Die meisten von uns kommen hier aus dem Dorf", sagt Aulbach. Auch außerhalb von Training und Spielen unternehmen die Kickerinnen viel miteinander. Das würden wohl die meisten Kreisligisten bei den Männern auch so unterschreiben. Wer als Frau auf dieser Ebene spielen will, muss aber zwangsläufig Pionierinnenarbeit leisten.
Anfänge in einer Jungsmannschaft
Im Nachwuchs spielte Aulbach mangels Spielerinnen lange gegen Jungen. "Als ich hier angefangen habe, gab es noch keine Damenmannschaft", sagt Aulbach. Ihr Jugendtrainer, Didi Privat, erklärt erstmal: "Lustiger Name, aber ich heiße wirklich so." Noch viel lieber erzählt er aber von der jungen Franzi, die damals schon mit einer "tollen Ballführung" verhaltensauffällig geworden sei. "Sie war immer hart gegen sich und den Gegner, was damals ja noch Jungs waren", sagt Privat. Damals sei sie bereits "90 Minuten durchgelaufen, anfangs aber immer im selben Tempo." Rhythmik und Explositivät habe er ihr noch beibringen können.
Dankesnachrichten von ihren heutigen Gegnerinnen wird der Nachwuchstrainer dafür wohl nicht erhalten. In der Kreisliga B ist kaum ein Kraut gegen sie gewachsen. Trotzdem belegt der SV Seulberg mit einem Torverhältnis von 118:27 und Spielen, die zwischendurch schon mal 25:2 enden, hinter der SG Westerfeld II nur Tabellenplatz zwei.
Norwegisches Modell in der Kreisklasse
Der Titel? Ein Ziel. Aber nicht das größte. "Wir wollen alle unbedingt Meister werden", betont Aulbach. Wichtiger ist ihr und ihrem Team aber, andere für den Fußball zu begeistern – aus gegebenem Anlass. Der SV Seulberg spielt in der B-Klasse nach dem "norwegischen Modell." Seulberg tritt in der Regel mit neun Spielerinnen an, in der Liga spielen aber auch Teams mit, die zu siebt kicken. Es fehlt ganz einfach an Personal. "Es interessieren sich immer mehr Mädchen und Frauen für den Fußball. Viele trauen sich aber nicht, einen Verein aufzusuchen, aber generell brauche die Vereine Nachwuchs und freuen sich über neue Spielerinnen", betont Aulbach.
Noch lieber, als Meisterin oder Torschützenkönigin zu werden, ist ihr darum, so bald wie möglich in einer Elfer-Liga mitzuspielen. Ihr Trainer spricht aus, was wohl die ganze Liga weiß: "Vielleicht ist das Siebenerfeld ein bisschen zu klein für sie."