
Hessen Keramik bemalen im Trend: Warum "Pottery Art" immer beliebter wird
Viele junge Menschen beschäftigen sich laut einer aktuellen Studie der Uni Mainz mit kreativen Hobbys. Immer beliebter ist das Bemalen von Keramik. In vielen Städten gibt es inzwischen Ateliers. Was fasziniert junge Menschen an diesem vermeintlichen "Oma-Trend"?
Ein Mittwochmorgen in den Osterferien in Gelnhausen (Main-Kinzig). Das kleine Keramikstudio von Frederike Schürenkämper in der Altstadt hat kurz nach der Öffnung bereits kaum mehr einen Stuhl frei.
An drei langen Gruppentischen sitzen vorwiegend junge Frauen, halten Pinsel in der Hand und bemalen damit Tassen, Müslischalen oder Teller. Die Regale vor den gelb-goldenen Wänden sind gefüllt mit Keramikrohlingen und unterschiedlichsten Farbglasuren.
"Pottery Art" trendet auf Social Media
"Ich habe angefangen, als der Hype um Keramikläden noch gar nicht da war", setzt Frederike Schürenkämper an zu erzählen, muss dann aber abbrechen, weil drei Schülerinnen reinkommen. Sie haben Glück: Exakt drei freie Plätze gibt es noch.
Seit 2016 hat die freischaffende Künstlerin schon ein Keramikatelier. Damals noch in Bad Orb, heute in der Gelnhäuser Altstadt. Als sie anfing, wurde sie noch gefragt, wen sowas denn überhaupt interessiere. Heute dagegen gibt es in vielen Städten, auch den kleinen, Keramikateliers und Begriffe wie "Pottery Art" trenden in den Sozialen Medien.

Frederike Schürenkämper
"Pottery Art" ist beliebt, weil es leicht ist
"Keramik malen ist, glaube ich, so beliebt, weil es leicht ist", sagt Schürenkämper. "Du hast super schnell ein ganz tolles Ergebnis." Wer hier in ihr "Zitronengold" kommt, muss nicht mal einen Platz reservieren.
Wortwörtlich nach dem Motto: Wer zuerst kommt, malt zuerst. Bevor es an die Farben geht, bekommt jeder eine kleine Einweisung. Und schon darf man sich einen fertigen Keramikrohling aus dem Regal aussuchen und loslegen.
Studie: Fast jeder zweite hat ein Kunsthandwerk-Hobby
Die Beliebtheit von Kunsthandwerk, worunter auch Keramik bemalen fällt, bestätigt auch eine aktuelle Studie der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Mehr als 40 Prozent der Befragten gab bei dieser Umfrage an, mindestens einmal im Jahr einem kunsthandwerklichen Hobby nachzugehen, die Mehrheit von diesen gut 40 Prozent sogar mindestens einmal im Monat.
Annalena Röser ist im Projektteam der Studie und erklärt: "Man kann fast über alle kreativen Aktivitäten hinweg sagen, dass es meistens - und zum Teil auch wirklich mit großem Abstand - die jungen Personen sind, also die 15- bis 25-Jährigen, die am häufigsten kreativ sind. Sie spielen zum Beispiel Instrumente, singen oder tanzen."
Keramik malen bei allen Altersklassen beliebt
Einzig beim Kunsthandwerk, worunter auch Keramik bemalen fällt, stellte sich heraus: Dieses Hobby betreiben alle Altersklassen gerne. Das kann auch Frederike Schürenkämper bestätigen.
Sie kniet gerade neben einem Stuhl, auf dem ein kleines Mädchen sitzt und erklärt geduldig, wie das Stempeln auf Keramik funktioniert. Hier ins "Zitronengold" kommen die Familien, wie die Senioren oder auch junge Menschen. Nur die Männer, die seien meist in der Unterzahl, wenn sie auch langsam mehr werden würden.
Kopf abschalten, malen, entspannen
Doch was begeistert vor allem Jugendliche an einer Aktivität, die vor einigen Jahren noch ein vermeintliches Omi-Hobby war? Bea sitzt mit einer Freundin an einem der Tische und beide bemalen ihre Tassen mit fröhlichen Smileys.
"Bei mir ist das so, beim Keramik malen kann ich total abschalten”, sagt sie. "Der Kopf ist still im Vergleich zu sonst. Deshalb bin ich immer super entspannt, wenn ich hier raus gehe."

Drei Teilnehmerinnen beim Aussuchen der Stücke, die sie bemalen wollen.
Handarbeit als Gegengewicht zur digitalen Welt...
Sich vollkommen auf eine Sache fokussieren, in einer Welt, in der die Menschen sonst im Sekundentakt mit News und Unterhaltung bombardiert werden - das klingt für viele verlockend.
Auch Frederike Schürenkämper sieht das kreative Bemalen als eine Art Gegengewicht zum Digitalen: "Wir tun immer weniger mit den Händen und gerade die jungen Leute arbeiten viel am Rechner. Deswegen glaube ich, dass man den Ausgleich braucht."
... inklusive Ansteckungseffekt
Das Endergebnis wird dann trotzdem oft genug mit der virtuellen Welt geteilt. Die Soziologin Annalena Röser von der Uni Mainz spricht von einem "sozialer Ansteckungseffekt".
Der entstehe, wenn der Feed voll ist mit Videos über das Keramik malen. "Das sieht man und denkt, ach, das möchte ich auch mal ausprobieren", analysiert sie.

Gemeinsam malen macht außerdem weniger einsam.
Der Weg ist das Ziel
Nach etwa zwei Stunden sind die meisten im "Zitronengold" fertig mit ihrer Keramik. Tassen, Teller und Co. bleiben im Laden zum Brennen und können nach etwa einer Woche abgeholt werden. Auch, wenn sich alle am Ende auf ihr selbstgemachtes Kunstwerk freuen, sagt die Keramikkünstlerin, auf das Endprodukt komme es gar nicht so sehr an.
"Viele sind erst mal nur darauf fokussiert”, weiß sie. "Die haben dann Fotos dabei, wie es aussehen soll und erst im Laufe des Tuns verstehen sie so langsam, dass es gar nicht darum geht."
Eigentlich, sagt Friederike Schürenkamp, ist der Weg zum Endprodukt nämlich viel wichtiger. Das Sich-Vertiefen, das kreative Tüfteln, das im Hier-und-Jetzt-Sein - um dann mit neuer Energie in den Alltag zurückzukehren.