
Hessen Schweinepest-Bekämpfung kostet Land schon mehr als 14,5 Millionen Euro
Die Afrikanische Schweinepest tötet viele Tiere und bedroht die wirtschaftliche Existenz von Schweinehaltern in Südhessen. Die Seuchenbekämpfung wird auch für das Land Hessen teuer, wie eine Anfrage der Grünen ans Landwirtschaftsministerium zeigt.
Vor zehn Monaten ist die Afrikanische Schweinepest (ASP) im Süden Hessens ausgebrochen. Ein Ende ist trotz einer Entspannung nicht in Sicht. Mehr als 3.600 Hausschweine wurden schon gekeult, bis Februar mehr als 1.000 mit Gewissheit tödlich infizierte Wildschweine gefunden. Was die betroffenen Schweinezüchter in existenzielle Nöte bringt und Jäger stresst, belastet auch den Etat des Landes erheblich.
Bis Mitte März dieses Jahres hat die Landesregierung schon mehr als 14,5 Millionen Euro zur Bekämpfung der Seuche ausgegeben. Das geht aus der Antwort von Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU) auf eine Anfrage der Landtagsfraktionen der Grünen hervor.
Suche nach toten Wildschweinen ist teuer
Größter Ausgabenposten: die Suche nach toten Wildschweinen mit Hilfe von speziell ausgebildeten Spürhunden oder Drohnen auf einer Fläche von 350.000 Hektar. Die Hälfte der Kosten fiel allein dafür an.
Fast genauso viel, rund sechs Millionen Euro, kosten Bau und Wartung von Zäunen. Über eine Länge von 470 Kilometern ziehen sich die Zäune inzwischen, 350 Kilometer davon sind elektrisch.
Soforthilfen und Abschussprämien
Hessen ließ den betroffenen Schweinehaltern außerdem über Soforthilfen Geld für Hygienemaßnahmen und den Verlust von Tieren zukommen. Knapp 447.000 Euro zahlte das Land im vergangenen Jahr über die Tierseuchenkasse extra aus. Es beteiligt sich beispielsweise auch mit inzwischen bis zu 100 Euro pro Stück an Entschädigungen, die Kreise Jägern für erlegte Wildschweine zahlen, die nicht mehr vermarktet werden können.
Personalkosten sind in der Summe nicht einmal enthalten.
Minister: "Langwierig und hochkomplex"
Jung nennt in seiner Antwort auf die Grünen-Anfrage die Bekämpfung der Schweinepest eine "langwierige und hochkomplexen Aufgabe". Dem könnten das Land sowie die betroffenen Landkreise und kreisfreie Städten nur gemeinsam entgegentreten.
Hintergrund: Die Grünen interessierten sich vor allem für die finanzielle Belastung der Kommunen und wie Aufgaben und Kosten zwischen ihnen und dem Land aufgeteilt worden sind. Angaben über die bisherigen Gesamtausgaben der Kommunen liegen nicht vor.
Betroffen ist ein Gebiet samt einer Pufferzone, dessen Ränder von Frankfurt und über den Taunus bis in den Rheingau reichen, direkt an die Landesgrenzen von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie in die Nähe der bayerischen Grenze. Es umfasst die sieben Kreise Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Offenbach, Odenwald, Hochtaunus und Rheingau-Taunus, außerdem die kreisfreien Städte Darmstadt, Offenbach, Frankfurt und Wiesbaden.
Im Mittelpunkt steht die Sperrzone 2. Jagen ist dort verboten und Schweinehalter müssen kranke Schweine sofort melden. Es gelten aber auch Auflagen für Privatpersonen: Radfahren, Reiten und Spazierengehen im Wald nur noch auf befestigten Wegen.
Sperrzone 2 ist von der Sperrzone 1 umgeben, in der Wildschweine verstärkt bejagt werden, um eine Ausbreitung zu verhindern. Für die Aufhebung einer dritten Sperrzone mit rigiden Auflagen für die Halter von Hausschweinen hatte die EU-Kommission in der ersten März-Woche grünes Licht gegeben.
Aufgaben geteilt
Zentral organisiert wird die hessische Bekämpfung der Schweinepest von einem ASP-Führungsstab in Wiesbaden. Laut Minister Jung hat sich das Land bis Ende Februar dieses Jahres vor allem um das Aufstellen und die Wartung von Schutzzäunen gegen die Ausweitung der Seuche gekümmert, aber auch um die Suche nach totem Schwarzwild.
Letzteres hätten gemäß einer Vereinbarung inzwischen die Kommunen übernommen. Sie halten auch die aufgestellten Zäune in Schuss. Sind weitere Zäune nötigt – so wie zuletzt an den Autobahnen A3 und A66 – wird demnach das Land aktiv.
Jung: Ausbreitung der Seuche nach Norden verhindert
Anfang April hatte Landwirtschaftsminister Jung gegenüber dem hr eine positive Zwischenbilanz des bisherigen Seuchen-Managements gezogen. So sei es gelungen, eine Ausbreitung der Seuche in Richtung Norden des Bundeslandes und in benachbarte Bundesländer zu verhindern.
Vor allem habe man die betroffenen Betriebe "massiv unterstützen können“. Der CDU-Politiker betonte: "Wir wollen, dass auch in Zukunft Schweinehaltung in Südhessen möglich ist."
Viele Betriebe kaum zu retten?
Trotz einiger Lockerungen in den vergangenen Wochen ist die Lage für Schweinehalter aber brenzlig. Ein Landwirt berichtete dem hr schon vor Wochen, dass ihm ein jährliches Minus von 250.000 Euro drohe, die Versicherung gegen die Ausfälle laufe aus. Kollegen hätten die Schweinehaltung bereits eingestellt oder dächten ernstlich daran.
Veterinärmediziner sehen die Zukunft ebenfalls dunkel, rechnen sogar mit dem Zusammenbruch der Branche in dem Gebiet. "Die Landwirte in der Region können das kaum schaffen. Die meisten werden sicherlich aufhören“, sagte der Gießener Professor Gerald Reiner dem hr.
Der Fachmann für Schweinekrankheiten nannte die Lage für die Bauern "katastrophal" - trotz der aktuellen Zeichen, die für eine derzeit wirksame Eindämmung sprechen. Die Züchter brauchen Planungssicherheit. Die Seuche könnte aber jederzeit neu ausbrechen und ihren Höhepunkt noch gar nicht erreicht haben. Denn das Virus überlebt bis zu einem Jahr in Kadavern und Böden. Die Kosten für das Land würden dann noch weiter steigen und auch für die Kommunen.
Solidarmodell nicht geplant
In ihrer Anfrage bringt die Grünen-Fraktion zur Entlastung der betroffenen Kreise und Städte ein Umlageverfahren ins Spiel. Sie wollen wissen, ob die Kosten auf alle hessischen Kommunen verteilt werden könnten.
Ein solcher Akt der finanziellen Solidarität ist nach Angaben des Landwirtschaftsministers im Gesetz über den Finanzausgleich innerhalb Hessens nicht vorgesehen. Das Gesetz zu ändern ist laut Jung derzeit auch nicht beabsichtigt.