
AfD-"Kinderschutz-Kongress" in Hannover: 900 Menschen bei Gegendemo
Hunderte Menschen haben am Samstag in Hannover demonstriert. Anlass: der AfD-"Kinderschutzkongress" im Landtag. Die Partei will dort über angebliche "Frühsexualisierung" und "Gender-Wahn" sprechen.
Zu der Demo-Kundgebung am Vormittag vor dem Landtagsgebäude kamen nach Angaben der Polizei knapp 900 Menschen. Der Protest sei friedlich und ohne besondere Zwischenfälle verlaufen, hieß es in einer Bilanz am frühen Nachmittag. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) warf der AfD in einer Rede laut Manuskript vor, Kinder für politische Irreführung und Manipulation zu instrumentalisieren. Kinder sollten frei und ohne Angst aufwachsen. "In Vielfalt und in gegenseitigem Respekt - egal, ob sie in einer klassischen Familie leben, mit zwei Müttern oder mit einem alleinerziehenden Vater", so Onay. Die Kinderrechte seien für alle Kinder gültig, egal welcher Herkunft und mit welcher Weltanschauung. Die AfD hat sich Onay zufolge gegen die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz ausgesprochen. Die Partei sei gegen geschlechtliche Vielfalt, Aufklärung und Inklusion.
Weitere Demonstranten versammeln sich spontan
Zu dem Protest gegen die AfD-Veranstaltung hatten der Grünen-Stadtverband in Hannover und das Bürgerbündnis "Bunt statt Braun" aufgerufen. Die Gegendemo auf dem Hannah-Arendt-Platz stand unter dem Motto "Kinder wirklich schützen" und richtete sich den Organisatoren zufolge "gegen die braune Einflussnahme der AfD in der Bildungspolitik und anderswo". Auf dem Hanns-Lilje-Platz nahe des Landtags versammelten sich nach Angaben der Polizei gegen 9.45 Uhr spontan weitere Demonstranten. Auch diese Aktion richtete sich gegen die AfD-Veranstaltung, sagte eine Polizeisprecherin dem NDR Niedersachsen. Bis 13.45 Uhr seien dort zeitweise knapp 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewesen.

Der Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay (Bündnis 90/Die Grünen), spricht bei der Demonstration. Zu dem Protest hatten die Grünen und das Bürgerbündnis "Bunt statt Braun" aufgerufen.
AfD spricht von wachsenden Gefahren für Kinder
Der sogenannte Kinderschutzkongress der AfD-Landtagsfraktion begann am Vormittag im Niedersächsischen Landtag und sollte bis etwa 16 Uhr andauern. An der Veranstaltung nehmen unter anderem die stellvertretende AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Beatrix von Storch und Dennis Engelmann vom Bochumer Verein "Kinderseelenschützer" teil. Erwartet wurden auch der AfD-Landtagsabgeordnete Stephan Bothe und die rechte Influencerin Michelle Gollan. "Am 21. Juni 2025 sagen wir allen den Kampf an, die sich an Kindern vergehen", hieß es in einer Ankündigung der Fraktion. Die AfD behauptet, dass Gefahren für Kinder zunähmen. Sie spricht von "Frühsexualisierung, Gender-Wahn, Abtreibungen bis zum neunten Monat" und einer angeblichen "Verharmlosung von Pädophilie".

Initiatorin des "Kinderschutzgipfels" ist AfD-Landtagsabgeordnete Vanessa Behrendt (links). Neben ihr stehen Beatrix von Storch und Dennis Engelmann, Vorsitzender des Vereins "Kinderseelenschützer".
Ermittlungen gegen Initiatorin wegen Verdachts der Volksverhetzung
Die Initiatorin des "Kinderschutzgipfels" der AfD ist Vanessa Behrendt. Gegen die Landtagsabgeordnete wurde immer wieder wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt. Sie unterstellt wiederholt einzelnen Kita-Verantwortlichen und queeren Menschen pädophile Absichten. Unter anderem hatte die familienpolitische Sprecherin der AfD die Regenbogenflagge in einem Post bei X als Symbol für "Machenschaften pädophiler Lobbygruppen" bezeichnet.
Sexualpädagogische Konzepte als "Frühsexualisierung" bezeichnet
Die AfD-Politikerin interpretiert zudem immer wieder gängige sexualpädagogische Konzepte in Kindertagesstätten als "Frühsexualisierung" von Kindern. Zuletzt hatte Behrendt im April öffentlich ein Berufsverbot für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Kita in Bramsche gefordert, da im pädagogischen Konzept der Einrichtung auch geregelt war, wie damit umzugehen sei, wenn die Kinder unter anderem "Doktorspiele" machen würden, und welche Grenzen dabei gelten. Behrendt nannte das pädagogische Konzept in sozialen Netzwerken "pervers". Die Verantwortlichen und auch das Kultusministerium hielten damals dagegen, die Einrichtungen seien verpflichtet, solche Konzepte zu erstellen, um die Kinder zu schützen.
Kinderschutzbund sieht Instrumentalisierung
Der Kinderschutzbund und das Queere Netzwerk Niedersachsen distanzierten sich im Vorfeld von der Veranstaltung und warfen der AfD vor, Kinderschutz zu instrumentalisieren. "Die von ihr verbreiteten Behauptungen entbehren jeder fachlichen Grundlage und untergraben das Vertrauen in wichtige Präventionsarbeit", sagte Simon Kopelke vom Kinderschutzbund. Unter dem Deckmantel des Kinderschutzes würden Themen in einer Weise diskutiert, die gesellschaftliche Spaltung und Ängste schürten, statt dem Schutz von Kindern zu dienen. Mareike Stober vom Queeren Netzwerk betonte, Kinderschutz und Kinderrechte gelten für alle - auch für queere junge Menschen, die oft Unverständnis, Mobbing und Gewalt erlebten. "Sie brauchen Schutz, Anerkennung und keine Desinformation, um sicher und selbstbestimmt aufwachsen zu können", so die Verbandsvorständin.
Grüne sprechen von "ideologischem Manöver"
Auch von den Grünen im Landtag kam vorab scharfe Kritik an der Veranstaltung. "Die AfD instrumentalisiert den Begriff Kinderschutz, um ihre autoritäre, queerfeindliche Agenda salonfähig zu machen. Was hier stattfindet, ist ein ideologisches Manöver", sagte Swantje Schendel, Sprecherin für Kinder, Jugend, Familie und Queerpolitik. Kinderschutz bedeute viel mehr, Kinder und Jugendliche zu stärken, ihnen altersgerechte Aufklärung zu ermöglichen, Vielfalt anzuerkennen und Fachlichkeit sowie wissenschaftliche Erkenntnisse ernst zu nehmen - und die AfD tue genau das Gegenteil. "Wir stehen an der Seite all jener, die sich morgen dem Missbrauch des Kinderschutzbegriffs entgegenstellen", hieß es von der Partei am Freitag.