Das Gelände des ehemaligen Fliegerhorsts Oldenburg aus der Luft.

Wie gefährlich sind Giftstoffe auf früherem Oldenburger Fliegerhorst?

Stand: 23.06.2025 06:40 Uhr

Ein von der Stadt Oldenburg beauftragter Sachverständiger widerspricht einem Gutachten der Staatsanwaltschaft zur illegalen Abfallentsorgung auf dem einstigen Militärgelände. Nun gibt es Zweifel unter anderem an seiner Unparteilichkeit.

Von Christina Gerlach

"Für Georg Karfusehr, Inhaber von 'Groundsolution', einem Sachverständigenbüro für Altlasten, ist die Sache klar." Mit einer knalligen Marketingfloskel beginnt eine offizielle Pressemitteilung der Stadt Oldenburg. Der Sachverständige war beauftragt worden, ein besorgniserregendes Gutachten der Staatsanwaltschaft zum unerlaubten Umgang mit Abfällen zu bewerten. Sind tatsächlich gefährliche Stoffe auf der Schießbahn des ehemaligen Fliegerhorstes illegal vergraben? Karfusehrs eindeutige Antwort laute: "Nein", schreibt das städtische Pressebüro weiter. Kurz zusammengefasst stellte der Sachverständige demnach fest: "Keine Gefährdung - kein Sanierungsbedarf", was den SPD-Ratsherrn Thomas Klein zur Bemerkung veranlasste, er empfinde das Gutachten als große Beruhigung.

Kein Sanierungsbedarf trotz Schadstoff-Funds?

Ganz im Gegensatz zur Oldenburger Staatsanwaltschaft, die von gefährlichen Stoffen spricht, "die nach Art und Beschaffenheit grundsätzlich geeignet sind, ein Schutzgut (Gewässer, Boden) zu verunreinigen beziehungsweise deren Eigenschaften nachhaltig zu verändern". Gefunden wurden bei der staatsanwaltschaftlich angeordneten Beprobung des Geländes unter anderem Asbest, Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Asphalt. Außerdem "schwarze Dichtungsmaterialien (teilweise an Mauerwerk anhaftend), die bei der Sondierung vor Ort durch einen Geruch nach Teeröl auffielen". Stoffe, die laut Kreislaufwirtschaftsgesetz geordnet entsorgt werden müssen. Karfusehr hat stattdessen festgestellt, von den Materialien würden keine Gefahren für das auf dem ehemaligen Fliegerhorst entstehende Wohngebiet ausgehen. Er sehe auch keinen Sanierungsbedarf.

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Fragen im Umweltausschuss unbeantwortet

Bei der Präsentation seines Berichts im Umweltausschuss des Oldenburger Stadtrates gab es zahlreiche Fragen, weil nicht alle Ratsmitglieder von den Schlussfolgerungen Karfusehrs überzeugt waren. Unter anderem, ob der Sachverständige schon mal für die Stadt tätig war. Was nicht nur dem FDP-Ratsherrn René Dittrich wichtig war, um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Sachverständigen einschätzen zu können. Aber seine Frage blieb unbeantwortet.

NDR Recherchen: Sachverständiger schon vorher im Projekt Fliegerhorst tätig

Nachfragen des NDR brachten nun ans Licht, der Sachverständige war bereits intensiv ins "Projekt Fliegerhorst" eingebunden. Karfusehr ist im Frühjahr 2024 beauftragt worden, das Angebot eines Abbruchunternehmens zur Sanierung der sogenannten Hallensichel Nord auf dem ehemaligen Militärflugplatz zu bewerten. Das bestätigte die Stadt auf NDR Nachfrage. Er sollte demzufolge die "Auskömmlichkeit" des Angebots prüfen. Also, ob zu dem genannten Preis die erforderliche Leistung tatsächlich erbracht werden kann, was Karfusehr positiv beschied. Die Firma aus der Nähe von Soest (Nordrhein-Westfalen) hatte im "Projekt Fliegerhorst" in den vergangenen Jahren immer wieder "Nachschläge" zum Teil in Millionenhöhe abgerechnet. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt wegen Betrugs- und Korruptionsverdachts gegen einen der Geschäftsführer. Im September 2023 war ein erster Verdacht aufgekommen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Gutachter unter Betrugsverdacht

In diesem Zusammenhang ist auch ein Gutachter aus Bad Zwischenahn im Fokus der Ermittler, der unter anderem die Rechnungen an die Stadt Oldenburg geprüft und abgezeichnet hat. Auch er steht unter Betrugsverdacht und war im April 2024 ebenfalls zur Frage der Auskömmlichkeit des genannten Angebots angefragt worden. Auch er habe die Auskömmlichkeit bestätigt, teilte die Stadt mit. Auf eine Anfrage des NDR ließ Georg Karfusehr dazu über eine Hamburger Anwaltskanzlei mitteilen, "eine Zusammenarbeit mit Herrn Dr. E. war (…) nicht erforderlich und hat nicht stattgefunden". Darüber hinaus warnt die Kanzlei vor einer Berichterstattung. Eine Anfrage an Dr. E. blieb unbeantwortet. Es gilt die Unschuldsvermutung. Beide Sachverständige hielten das Angebot übrigens für akzeptabel und das genannte Unternehmen bekam einen weiteren Millionenauftrag zum Abriss von Flugzeughallen und zur Sanierung der bis ins Jahr 2005 militärisch genutzten Flächen.

Vertrauen aufs Spiel gesetzt

Die FDP im Oldenburger Stadtrat hat jetzt Zweifel an der Neutralität und Aussagekraft des Sachverständigen. Die Vorgehensweise der Verwaltung sei "nicht nachvollziehbar und völlig inakzeptabel". Sie konterkariere massiv die Bemühungen, Vertrauen in die Aufarbeitung der Altlasten auf dem Fliegerhorst aufzubauen. Es müsse umgehend geklärt werden, warum die Informationen über die vorherige Beauftragung von Herrn Karfusehr nicht offengelegt wurden. Ratsherr Dittrich (FDP) ist außerdem irritiert, dass Karfusehr kein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger sei. Die öffentliche Bestellung und Vereidigung ist ein staatlich geregeltes Verfahren, das sicherstellt, dass bestimmte Anforderungen an Fachwissen, Unparteilichkeit und Vertrauenswürdigkeit erfüllt werden.

Staatsanwaltschaften ermitteln weiter

Auch Ratsfrau Vally Finke (Gruppe für Oldenburg) ist erstaunt: Wieso lasse die Stadt Oldenburg ein entlastendes Gegengutachten erstellen, wenn sie andererseits erwäge, Schadenersatz zu verlangen? Denn einerseits sehe Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) die Stadt als Geschädigte, sollten tatsächlich illegal Schadstoffe auf dem Schießstand vergraben worden sein, was er allerdings andererseits bislang stets ausgeschlossen habe. Das Gutachten der Staatsanwaltschaft bestätigt nach Finkes Ansicht, dass mit ziemlicher Sicherheit ein Schaden vorliegt: "Warum möchte also nun die Geschädigte nachweisen, dass ihr kein Schaden entstanden ist?".

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat die von der Stadt in Auftrag gegebene Stellungnahme zu ihrem Schadstoffgutachten nicht beeindruckt. Es stehe ihr frei, einen eigenen Sachverständigen zu beauftragen. Wir ermitteln weiter, hieß es dazu auch aus Osnabrück.