Archivbild: Geflüchteter in der Schreinerei

Nordrhein-Westfalen Arbeit für Geflüchtete: Schwieriges Thema trotz Fachkräftemangel

Stand: 23.04.2025 16:09 Uhr

Auf der Integrationsminister-Konferenz geht es auch um die Vermittlung von Geflüchteten in Jobs. Trotz Fachkräftemangel ist das immer noch eine schwierige Angelegenheit, wie eine Geschichte aus Dortmund zeigt.

Von Nina Magoley

Kseniia S. kam 2022 nach Deutschland - ihre Heimatstadt Charkiw steht seit Beginn des Ukraine-Kriegs unter Beschuss. Ihr BWL-Studium wurde in Deutschland anerkannt, ihre mehrjährige Berufserfahrung in unterschiedlichen ukrainischen Firmen hat sie gut belegt. Die junge Ukrainerin spricht fließend Englisch und mittlerweile auch gut Deutsch.

Und doch: Trotz zahlreicher Bewerbungen und intensivem Kontakt zum Jobcenter suchte sie bis vor Kurzem nach einer Arbeitsstelle mit einer beruflichen Perspektive.

Jobangebote waren nicht mehr aktuell

Nach ihrer Ankunft in Dortmund habe es nur einmal ein persönliches Gespräch im dortigen Jobcenter gegeben, berichtet Kseniia S.. Danach sei die Kommunikation ausschließlich schriftlich gelaufen. Einmal bot man ihr eine Stelle als Gabelstaplerfahrerin an. Mehrfach seien Stellen, die ihr das Jobcenter nannte, gar nicht mehr aktuell gewesen.

Ein neuer Betreuer schlug ihr in diesem Jahr vor, bei der Jobsuche über Alternativen nachzudenken - und beispielsweise als Haushaltswirtschaftshelferin anzufangen. "Er sagte, dass der von mir gewählte Weg für Ausländer nicht machbar und auch für Deutsche schwierig sei. Gemeint war die Arbeit im Büro."

"Arzt fährt Taxi"

Menschen stehen Schlange im Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen

Schlange stehen im Jobcenter Gelsenkirchen

Tatsächlich würden gut qualifizierte Fachkräfte von den Jobcentern oft in Bereiche vermittelt, wo sie mit ihrem Wissen kaum dauerhafte Perspektiven hätten, sagt Andreas Öhme vom Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT) NRW. "Beim Jobcenter kennt man die Zielgruppe meist nicht wirklich. Da fährt dann ein Arzt Taxi oder arbeitet in einem Lager." Fachkräfte "von Anfang an auf die Spur zu setzen" sei kein einfacher Weg, nicht nur, weil es eventuell an der Sprache hapere.

Der WHKT habe der Bundesagentur für Arbeit vorgeschlagen, schon in den Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge genaue Kompetenzen und bisherige berufliche Erfahrungen abzufragen. "Man müsste mehr auf die Zielgruppe eingehen können", sagt Öhme.

Jobcenter überlastet

"Jobcenter machen eigentlich einen guten Job", sagt Georg Judin von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Düsseldorf, "aber: Sie müssen für alle Arbeit finden - für Ausländer, Deutsche, auch für diejenigen, die gar nicht arbeiten wollen." Da sei eine Erfahrung wie die der Ukrainerin Kseniia S. nicht untypisch.

Die IHK Düsseldorf bietet die sogenannten "Willkommenslotsen", gefördert vom Land NRW. Judin ist einer von ihnen, als Ukrainer ist er für seine Landsleute zuständig. Sie vermitteln junge Menschen aus dem Ausland in duale Ausbildungen oder Ausgebildete in Jobs, helfen bei der Anerkennung von Ausbildungszertifikaten.

"Oft schwierig, in Deutschland Fuß zu fassen"

Das Bild zeigt einen Blumenstrauß

Warum nicht: Florist statt Jurist

Und oft, so Judin, könnten sie Langzeitsuchende auch dazu motivieren, neue Wege einzuschlagen: "Wer in der Ukraine Jurist war, kann in Deutschland ein wunderbarer Florist werden - wenn er Blumen mag." Denn in vielen höher ausgebildeten Berufen sei es einfach sehr schwierig, in Deutschland Fuß zu fassen, "ohne bei Null anzufangen".

Viele Berufe seien in Deutschland sehr reglementiert, sagt Judin. "Ohne spezielle Ausbildung gibt es kaum Chancen auf einen Einstieg." Da sei es manchmal nicht aussichtsreich, "wie in der Straßenbahn immer weiter in dieselbe Richtung zu fahren".

Stellenausschreibungen oft sehr spezialisiert

Auch Kseniia S. hat diese Erfahrung gemacht: "In Deutschland wird bei der Bewerbung sehr viel Wert auf Details gelegt", sagt sie beispielsweise, "selbst, wenn es sich um eine ganz gewöhnliche Arbeit handelt". Stellenausschreibungen seien oft so formuliert, dass man diese Tätigkeit ohne eine spezielle Ausbildung scheinbar nicht ausüben könne.

Viele Unternehmen würden ihre offenen Stellen ausschließlich auf ihren Websites veröffentlichen. "Man muss also zunächst wissen, in welchem ​​konkreten Unternehmen sie arbeiten möchte, weniger, in welchem Beruf." Für Neulinge in Deutschland erschwere das die Suche erheblich.

Viele Geflüchtete unter Azubis

Immerhin: In den Ausbildungsbetrieben sind Geflüchtete mittlerweile eine nicht wegzudenkende Größe. Vor allem Handwerksbetriebe suchen händeringend nach Nachwuchs. "Hier hat sich die Situation nur dank der Geflüchteten stabilisieren lassen", sagt Andreas Öhme vom Westdeutschen Handwerkskammertag. Vor allem Menschen aus Ländern wie Afghanistan, Syrien, Iran oder Irak sorgten für den dringend benötigten Nachwuchs in der Ausbildung.

"Das klappt deshalb, weil viele Betriebe bereits sind, auch Azubis einzustellen, die zunächst kaum Deutsch sprechen", weiß Öhme. Das seien aber gleichzeitig Kandidaten, die "unglaublich wissbegierig sind, unbedingt lernen wollen". Arbeitgeber seien dann optimistisch, dass man "das mit der Schule dann schon hinbekomme".

Syrer, Iraker, Afghanen

Mit Erfolg offenbar: Nach Zahlen des Westdeutschen Handwerkskammertags stammten 2024 von insgesamt 69.645 Azubis im Handwerk in allen Lehrjahren 9.460 aus dem Ausland - etwa 13,5 Prozent. Darunter 2.149 Syrer, 968 Iraker und 567 Afghanen.

In Branchen, wie dem Elektriker- und Sanitärhandwerk, die besonders über Nachwuchsmangel klagen, stellten ausländische Azubis sogar eine überproportional große Gruppe dar.

Kseniia S. möchte aber auch betonen, dass sie sehr dankbar sei, "dass der deutsche Staat in meine Entwicklung und Integration investiert hat, einschließlich drei Sprachkurse, damit ich eine gute Stelle finden kann". In dieser Woche hat sie eine Zusage bekommen: Sie fängt als Verkäuferin bei H&M an.

Quellen:

  • Interview mit Ukrainerin Kseniia S.
  • Interview mit Andreas Öhme, Westdeutscher Handwerkskammertag NRW
  • Interview mit Georg Judin, IHK Düsseldorf
  • Ausbildungsstatistik WHKTNRW