Sarah Süß, die Bürgermeisterin von Steinhagen, mit einem roten Fahrrad an einer Bushaltestelle

Nordrhein-Westfalen Trotz Gewalt gegen Politiker: Weshalb eine 33-Jährige Bürgermeisterin ist

Stand: 05.06.2025 09:51 Uhr

Mit 33 Jahren regiert Sarah Süß (SPD) in Steinhagen. Sie ist NRWs jüngste Bürgermeisterin. Was sie antreibt, was sie vom durchschnittlichen Bürgermeister unterscheidet - und warum manche Angst haben vor Anfeindungen.

Von Sabine Schmitt

Die Gemeinde Steinhagen in Ostwestfalen. Ein bekannter Wacholderschnaps kommt von hier. Bielefeld ist nicht weit. Besonders ist aber etwas anderes: Sarah Süß. Die SPD-Politikerin ist mit 33 Jahren die jüngste Bürgermeisterin NRWs. Sie regiert die 20.000-Einwohner-Gemeinde seit 2020. Während viele Bürgermeister im Tagesgeschäft mit Unmut konfrontiert sind, etwa weil Geld für Schulen, Kitas, Schwimmbäder und Co fehlt, und bundesweit über Angriffe auf Kommunalpolitiker diskutiert wird, zeigt sie: Das Amt kann dennoch Anziehungskraft für junge Menschen haben.

Jüngste Bürgermeisterin

Im September sind die nächsten Kommunalwahlen in NRW, doch das Bürgermeisteramt hat ein Nachwuchsproblem. Aber nicht nur das. Obwohl Bürgermeister die Interessen alle Bürger vertreten, sind es offenbar meist Menschen mit einem ähnlichen Hintergrund, die den Job machen. Laut einer Analyse des Kölner Stadtanzeigers aus dem Jahr 2021 ist der durchschnittliche Bürgermeister in NRW männlich, katholisch, heterosexuell, älter als 50 Jahre und hat keinen Migrationshintergrund. Knapp 65 Prozent der Bürgermeister in NRW sind zudem über 50 Jahre alt.

Sarah Süß ist anders. Sie ist eine Frau - und eine von denen, die den Altersschnitt nach unten zieht. Als sie im Rathaus einzog, war sie 28 Jahre alt. Eine Frau und dann noch jung.

"Mensch, die ist ja erst 28, ist das nicht zu jung?" Das sei ganz am Anfang schon auch mal gefragt worden. "Danach war das gar nicht mehr so Thema, weil ich eben aus einer Verwaltungslaufbahn komme und da schon Verwaltungserfahrung mitgebracht habe." Unterm Strich sei ihr Alter eigentlich immer eher positiv betrachtet worden, sagt Süß. 

So nach dem Motto, naja, die ist ja noch jung, die kann das ja auch noch viele Jahre machen.

Sarah Süß (33), jüngste Bürgermeisterin in NRW

Auch für sie selbst sei das Alter bei Amtsantritt nie richtig ein Thema gewesen. "Das war mir gar nicht so bewusst, dass das so ungewöhnlich ist", sagt sie. "Ich wollte das machen, meiner Heimat zuliebe."

Der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen

Sie spricht von Heimat. Dabei wurde sie eigentlich woanders geboren. In Hamm. Aufgewachsen ist sie in Bockum-Hövel, einem Stadtteil mit starker Bergbautradition. "Dort habe ich früh erlebt, was Zusammenhalt und Solidarität bedeuten", schreibt sie auf ihrer Website. Steinhagen ist also ihre Wahlheimat. 

Der Wunsch oder die Idee, sich fürs Amt zu bewerben sei tatsächlich auch erst hier entstanden. "Also es ist jetzt nicht so, dass ich als Kind gesagt habe: Wenn ich groß bin, dann werde ich Bürgermeisterin." Erst mit der Zeit sei da dieser Wunsch gewesen, zu gestalten, Verantwortung zu übernehmen.

"Wir als Verwaltung und als Gemeinderat können schon viel gestalten"

Sie könne natürlich alleine nicht viel entscheiden. "Es gibt einen Rat und da hat jeder eine Stimme und meine ist genauso viel wert wie die der anderen Ratsmitglieder. Aber wir als Verwaltung und als Gemeinderat können schon viel gestalten vor Ort." Das sei das, was sie antreibt.

Jeder dritte Bürgermeister wurde schon bedroht

Das Amt hat auch Schattenseiten. Auch wenn Süß selbst Glück hatte und sagt, sie sei damit noch nicht konfrontiert worden. Eine bundesweite Untersuchung des Bundeskriminalamtes (BKA) zeichnet ein anderes Bild: Mehr als jeder dritte Bürgermeister sei schon mal persönlich bedroht worden - sowohl im direkten Gespräch, als auch schriftlich. Auch im Internet und in den sozialen Medien bekommen sie Hass zu spüren.

Junge Bürgermeister treffen sich in Berlin

Zurzeit treffen sich in Berlin 150 junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus ganz Deutschland zur Jahreskonferenz des Netzwerks "Junge Bürgermeister*innen". Sie wollen über die Rolle der Kommunen als demokratische Stabilitätsanker in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche sprechen. Als jung gelten alle, die bei der ihrer Wahl jünger waren als 40 Jahre.

50- bis 60-Stunde-Woche

Sarah Süß ist nicht in Berlin dabei. Sie ist nämlich nicht nur Bürgermeisterin, sondern auch Mama. Obwohl ihr Mann und sie sich privat alles 50-50 teilen, sei es manchmal ganz schon viel - und damit meint sie vor allem ihren Job als Bürgermeisterin. Die Stunden, die sie pro Woche arbeitet, variierten stark. Aber 50 bis 60 Stunden könnten das schon mal sein in der Woche.

Trotzdem mache sie den Job gerne. Genauso wie Dietrich Aden, Jahrgang 1988, er ist seit 2020 Bürgermeister in Greven im Münsterland. Was er und Süß schon machen, wollen andere noch erreichen: Bünyamin Yilmaz (geboren 2001) kandidiert in Bad Honnef als Bürgermeister. Jonas Becker wurde von der CDU in Burbach als Bürgermeisterkandidat nominiert. Er ist 26 Jahre alt.

Süß hat sich im Mai erneut als Bürgermeisterkandidatin durch den SPD-Ortsverein Steinhagen aufstellen lassen. Die Kommunalwahlen in NRW sind für den 14. September 2025 festgelegt - mögliche Stichwahlen finden am 27. September statt.

Unsere Quellen: