Rheinland-Pfalz "Bluterkrankheit": So lebt Lukas mit Hämophilie

Stand: 17.04.2025 08:56 Uhr

Eine auffällige Neigung zu blauen Flecken. Dann die Diagnose Hämophilie - da ist er noch ganz klein: Lukas erzählt, wie er mit der Erkrankung lebt. Und: Er hat eine Botschaft.

Lukas Leihberg ist 27 Jahre. Geboren ist er in Diez und aufgewachsen in Montabaur im Westerwald. Er war noch ein Baby, als bei ihm Hämophilie festgestellt wurde - eine angeborene Störung der Blutgerinnung. Eine seltene Erkrankung. Angefangen hat es damit, dass er schon als kleiner Knirps auffällig viele blaue Flecken hatte.

"Ich habe Hämophilie A und da den schwersten Grad", sagt Lukas. Das bedeutet, sein Blut gerinnt so gut wie gar nicht. Die sogenannte Restaktivität seiner Blutgerinnung liegt bei unter einem Prozent.

Lukas ist bisher der einzige in seiner Familie mit Hämophilie

Menschen mit dieser Diagnose können verbluten. Bei ihnen können unter anderem spontane innere Blutungen, wie Gelenkblutungen auftreten, also ohne Einwirkung von außen. Auch nach einem Unfall, einem Stoß oder nach einer Spritze in den Muskel kann es zu gefährlichen Blutungen kommen, was unbehandelt lebensbedrohlich sein kann.

Was ist Hämophilie?
Der Begriff "Hämophilie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Blutungsneigung.
Hämophilie ist eine Blutgerinnungsstörung, die angeboren ist. Vor allem früher wurde sie oft als "Bluterkrankheit" bezeichnet. Patienten mit Hämophilie haben eine defekte Blutgerinnung. Dadurch bluten sie schneller und länger als andere Menschen. Bei der Erkrankung wird einer von mehreren Blutgerinnungsfaktoren zu wenig ausgebildet oder ist gar nicht vorhanden. Die Folge ist, dass das Blut langsamer gerinnt. Gestörte Blutgerinnung verhindert Wundverschluss Blutgerinnungsfaktoren sind Eiweiße im Blut, die eine entscheidende Rolle bei der Blutstillung spielen. Sie helfen, Wunden zu verschließen und Blutungen zu stoppen. Durch die gestörte Blutgerinnung bei Hämophilie werden Wunden oft nicht fest verschlossen - weshalb auch kleine Verletzungen schwere Blutungen auslösen können. Bei einer schweren Hämophilie kann es zu Spontanblutungen kommen, also ohne Einfluss von außen. Unbehandelt kann Erkrankung lebensbedrohlich sein Unbehandelt kann eine Hämophilie lebensbedrohlich sein. Mittlerweile gibt es Behandlungsmöglichkeiten, die Betroffenen ein aktives Leben und eine nahezu normale Lebenserwartung ermöglichen. An Hämophilie A erkranken fast nur Männer Es gibt Hämophilie A und B - je nach Mangel verschiedener Gerinnungsfaktoren. An A erkranken fast nur Männer - etwa einer von 5.000 männlichen Neugeborenen wird mit dieser Erkrankung geboren.

Hämophilie wird eigentlich vererbt. Bei Lukas ist es eine spontane Mutation. Niemand sonst in seiner Familie hat bisher diese Diagnose. In seiner Kindheit und Jugend sei er als aufgewecktes Kind aufgrund der Erkrankung immer wieder ausgebremst worden, erzählt er.

Wegen der Gefahr von Verletzungen konnte er keinen Leistungssport machen, keine gefährlichen Aktivitäten oder groß herumtoben - oder zumindest nur in einem gesicherten Rahmen.

Wegen Verletzungsrisiko als Kind kein Leistungssport

Mit etwa sechs Jahren war Lukas gerne mit seinen Freunden auf dem Bolzplatz kicken. Und weiter erzählt er: "Natürlich wollte ich wie meine Freunde auch gerne in den Verein und das halt leistungsmäßiger betreiben, aber das durfte ich nicht, weil man den Gegner nicht einschätzen kann, wie hart er rein geht und weil das alles so ein hohes Verletzungsrisiko ist."

Dennoch - von Verletzungen ist er nicht verschont geblieben: Loch im Kopf, Elle und Speiche gebrochen, den linken Schneidezahn ausgeschlagen...."Ich habe da genug mitgemacht in meinem Leben", meint Lukas und lacht etwas erleichtert rückblickend. Glücklicherweise ging das bei ihm immer gut aus.

Nehmt es leichter als es ist, und habt auf jeden Fall keine Angst davor, etwas auszuprobieren oder zu testen. Lukas Leihberg, Hämophiliepatient und stellvertretender Vorsitzender der IGH

Und dass Verletzungen bei Lukas gut ausgingen, hat er auch der Therapie zu verdanken, die er bekommt. Bei Hämophilie fehle ja ein Gerinnungsfaktor, so Lukas, aber das könne durch Medizin sozusagen ersetzt werden: "Ich bekomme ein Konzentrat, das kann man einfach auflösen und sich spritzen."

Medikamente helfen Lukas, aktiv zu leben

Für Lukas ist das mittlerweile Routine: Alle drei Tage muss er sich morgens spritzen. Früher waren es alle zwei Tage. Sein Leben sei durch die Medikamente besser geworden. So ist auch mal eine kleine Schnittwunde nicht schlimm. Es kann höchstens sein, dass es ein bisschen länger blutet.

Er sei aktiv, auch sportlich, aber heute habe er eher das Problem, dass ihm wegen der Arbeit die Zeit für diese Dinge fehle. Auf die Frage, ob man bei der Erkrankung auch Tabletten nehmen könne, meint er: "Tabletten sind ein Traum von vielen, aber leider gibt es keine Tablettenform."

Wundversorgung mit Pflaster

Auch kleine Wunden können bei Menschen mit Hämophilie länger bluten, da der Wundverschluss länger dauert.

Lukas engagiert sich in der Interessengemeinschaft Hämophiler

Lukas setzt sich schon seit vielen Jahren für andere ein, die auch Hämophilie haben. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Interessengemeinschaft Hämophiler e.V. (IGH). Unter anderem organisiert der Verein Veranstaltungen, bei denen schon die Jüngsten mit sieben oder acht Jahren lernen können, sich zu spritzen. Denn das, so Lukas, ist ein wichtiger Schritt, um Unabhängigkeit zu erreichen, von Eltern und Ärzten.

Die Interessengemeinschaft hat auch den sogenannten Haem-o-mat entwickelt. Mit dessen Hilfe können Hämophiliepatienten die richtige Sportart für sich entdecken.

Eine seltene Krankheit bedeutet oft auch kaum entsprechende Fachärzte. Bei Hämophilie sei das aber nicht so schlimm: "Unter den seltenen Krankheiten in Deutschland ist Hämophilie noch eine der therapeutisch mit am besten aufgestellten", so Lukas.

Bundesweit ärztliche Versorgung bei Hämophilie

Bundesweit gebe es eine ärztliche Versorgung, auch wenn man je nach Ort manchmal eine Anfahrt von bis zu 200 Kilometern habe bis zur nächstgrößeren Stadt. Hämophiliezentren gibt es nicht so oft. In Rheinland-Pfalz gibt es ein einziges Hämophiliezentrum - und dieses ist an der Uniklinik in Mainz. Wer sich informieren und orientieren möchte, kann sich auch an die Deutsche Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten e.V. (DHG) wenden.

"Keine Angst vor Hämophilie - man kann gut damit leben"

Angst, sagt Lukas, brauche man vor der Krankheit nicht zu haben. Mittlerweile seien die Therapien individueller geworden, man könne sich gut damit arrangieren und gut mit der Erkrankung leben. Die meisten Sorgen machten sich wohl Eltern, dass ihren Kindern etwas passieren könne.

"Aber solange die Kinder ihre Therapie bekommen, gespritzt werden und einfach nur ein bisschen mit Vernunft ans Leben gehen, kann man eigentlich gut und gerne das machen, was man will", sagt Lukas.

Für die Zukunft wünscht sich Lukas, dass die Krankheit endlich heilbar wird, dass die Gentechnik diesbezüglich weiter entwickelt wird und dass Diskussionen oder der Streit um Preise mit der Pharmaindustrie neue Therapien nicht behindern.

Lukas' Botschaft an Betroffene und Nichtbetroffene

Lukas' Botschaft an alle Hämophiliepatienten: "Nehmt es leichter als es ist und habt auf jeden Fall keine Angst davor, etwas auszuprobieren oder zu testen. Man muss als Hämophiliepatient nicht die größten Extremsportarten machen, aber sie sind heutzutage auch möglich. Man muss halt nur alles mit seinen Behandlern abgesprochen haben. Und die sind größtenteils auch dahingehend offen und auch daran interessiert, dass du dein Leben leben kannst, so wie du willst."

Und Lukas’ Botschaft an alle Menschen: "Meine Hämophilie sieht man mir nicht an - so wie viele andere Herausforderungen, die Menschen still mit sich tragen. Genau deshalb ist es umso wichtiger, offen und mitfühlend aufeinander zuzugehen. Urteilt nicht vorschnell. Fragt, hört zu, versteht. Vor allem in Zeiten, wie diesen, in denen eigentlich Zusammenhalt und Miteinander gefordert sind. Denn oft sind es gerade die, die anders sind, die das Leben am tiefsten spüren – und von denen wir am meisten lernen können."

Welttag der Hämophilie

Am 17. April ist Welttag der Hämophilie. Dieser Aktionstag soll über die Erkrankung informieren. Der Tag wurde 1989 durch die World Federation of Hemophilia (WFH) eingeführt.