Zwei Menschen stehen auf einem Friedhof vor einem Grab mit Holzkreuzen.

Rheinland-Pfalz Umstrittene "letzte Ruhe": Landtag debattiert über neues Bestattungsgesetz

Stand: 14.05.2025 20:04 Uhr

Totenasche in Flüssen, Tuchbestattungen und Urnen daheim aufbewahren: Das RLP-Gesundheitsministerium will das Bestattungsgesetz ändern. Am Mittwoch war es erstmals Thema im Landtag.

Von Mathias Zahn

Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium plant zahlreiche Änderungen am mehr als 40 Jahren alten Bestattungsgesetz. Es sollen zum Beispiel Flussbestattungen möglich werden. Am Mittwoch hat der Landtag erstmals auf Antrag der SPD-Fraktion über das Thema beraten. Wir klären die wichtigsten Fragen:

Landtag RLP debattiert erstmals über neues Bestattungsgesetz

Welche Bestattungsformen soll es künftig neu in Rheinland-Pfalz geben?

Flussbestattungen sollen möglich werden. Das gibt es bisher in keinem anderen Bundesland. Nur Seebestattungen auf hoher See sind heute schon erlaubt. Bei den Flussbestattungen würde die Asche Verstorbener von einem Schiff aus in Rhein, Mosel, Lahn oder Saar beigesetzt - in einer Kapsel, die sich schnell im Wasser auflöst. Das soll verhindern, dass die Kapsel am Ufer angespült wird. Im ersten Gesetzentwurf war noch von der Möglichkeit die Rede, die Asche vom Schiff aus zu verstreuen. Davon ist das Gesundheitsministerium abgekommen. Der Bestatterverband Rheinland-Pfalz e.V. hatte in seiner Stellungnahme vor unerwünschten Situationen mit verwehter Asche gewarnt.

Vom Ministerium heißt es nun: "Auf das Verstreuen der Asche verstorbener Personen vom Schiff aus wird verzichtet, da bei ungünstigen Wetterbedingungen, wie etwa aufkommendem Wind, die Asche nicht wie angedacht im Fluss landet, sondern etwa auf dem Schiff."

Möglich sein soll es auch, die Urne privat aufzubewahren. Ebenso einen Teil der Asche im Krematorium entnehmen zu lassen, "zur würdevollen Weiterverarbeitung" etwa zu einem Schmuckstein. Die Sargpflicht soll wegfallen und damit Tuchbestattungen für alle möglich werden - so wie sie im Islam üblich sind. Die Leiche wird dabei statt in einem Sarg in einem Tuch in die Erde gelassen. Bisher sind solche Tuchbestattungen in Rheinland-Pfalz nur als Ausnahme für Menschen mit muslimischem Glauben vorgesehen.

Wer kann die neuen Bestattungsformen nutzen?

Verstorbene, die ihren letzten Hauptwohnsitz in Rheinland-Pfalz hatten. Diese müssen zu Lebzeiten in einer sogenannten Totenfürsorgeverfügung die Bestattungsform festgelegt haben - ebenso eine Person, die sich um die Ausführung kümmern soll. Gibt es keine solche Verfügung, muss die Urne auf einem Friedhof beigesetzt werden. Die Hinterbliebenen können nicht selbst entscheiden, die Urne beispielsweise zuhause aufzubewahren.

Warum will die Landesregierung die Reform?

Der zuständige Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) sagt, das bestehende Bestattungsgesetz sei über 40 Jahre alt und bilde beispielsweise den kulturellen Wandel nicht ab. Das geplante neue Gesetz entspreche den Wünschen der Menschen und dem Zeitgeist. Die Reform biete Raum für ganz individuelle Formen der Trauer.

Wie reagiert das Land auf Kritik?

Die katholische und evangelische Kirche kritisieren die Pläne und sehen beispielsweise die Totenruhe in Gefahr, wenn Asche zur Herstellung eines Erinnerungsstücks aufgeteilt oder zuhause in einer Urne aufbewahrt wird.

In der Begründung zum Gesetzentwurf wird unter anderem auf den Vatikan verwiesen. Zur Ascheteilung habe sich selbst der Vatikan im Dezember 2023 für die Möglichkeit einen "minimalen Teil der Asche ihres Verwandten in angemessener Weise an einem Ort aufzubewahren, der für die Geschichte des Verstorbenen von Bedeutung ist" ausgesprochen. Die evangelische Kirche kritisiert, der gesellschaftliche Konsens zur Totenruhe werde "aufgekündigt, wenn Totenaschen zu Sachen werden, über die Einzelne verfügen, die verloren gehen können oder deren Aufbewahrungsort früher oder später in Vergessenheit gerät".

Nach den Plänen des Landes soll die Urne nur zeitlich befristet privat aufbewahrt werden dürfen - nämlich solange die damit beauftragte Person dies gewährleisten kann. Stirbt diese Person zum Beispiel, muss die Urne auf einem Friedhof beigesetzt werden. Soweit die Vorschrift im Gesetzentwurf.

In der Realität scheint aber keine Kontrolle möglich. Findet ein Nachkomme die Urne bei einer Haushaltsauflösung und scheut die Kosten für die Bestattung, wird sich nicht kontrollieren lassen, ob die Asche nicht doch im Hausmüll entsorgt wird. Der Gesetzentwurf sieht eine "private Aufbewahrung" vor. Es wird aber auch hier keine Behörde verhindern können, dass die Asche nicht doch im eigenen Garten verstreut wird.

Wie steht es um die Bedeutung von Friedhöfen als öffentliche Orte?

Kirchen und Bestatterverband Rheinland-Pfalz e.V. kritisieren, dass mit der privaten Aufbewahrung von Urnen der Friedhof als Erinnerungsort für alle wegfalle. Bestatter berichten, dass sich nach Sterbefällen nicht selten erbitterte Familienfehden entwickeln. Die Person, die die Urne zuhause aufbewahrt, könnte anderen Hinterbliebenen den Zugang verwehren, um Abschied zu nehmen. Der Bestatterverband sagt, der Friedhof sei dagegen ein neutraler und öffentlich zugänglicher Ort: "Ein öffentlicher Friedhof fährt nicht in den Urlaub, hat keine Vorbehalte gegenüber Einzelpersonen und steht jedermann offen." Außerdem befürchten Kommunen, dass ihnen Einnahmen aus den Friedhofsgebühren entgehen, sollten viele Menschen die private Aufbewahrung ihrer Urne zu Lebzeiten festlegen. Um Kosten zu sparen, könnte dies der Fall sein.

Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium schreibt dazu: "Natürlich können die neuen Bestattungsformen die Gefahr bergen, dass die Friedhofskosten teurer werden, dass es, wie auch jetzt schon, Streitigkeiten in den Familien gibt und vielleicht auch einige Angehörige leiden, dass sie nicht öffentlich trauern können. Es wird jedoch verkannt, dass es hier in allererster Linie um die Verstorbenen und deren Willen geht." Was die Zukunft der Friedhöfe betrifft, empfiehlt das Ministerium den Kommunen einfallsreicher zu werden, "wie z.B. die Anlage von einem 'Friedwingert' auf dem Friedhof, um die Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, auch weiterhin auf dem Friedhof bestattet zu werden".

Was sieht der Gesetzentwurf zu den Sternenkindern vor?

Das geplante neue rheinland-pfälzische Bestattungsgesetz soll auch dem Schmerz und der Trauer von Eltern von Sternenkindern gerecht werden. So werden Babys bezeichnet, die kurz vor, während oder bald nach der Geburt sterben. Kinder, die vor der 24. Schwangerschaftswoche sterben oder mit weniger als 500 Gramm tot geboren werden, wurden laut Ministerium bislang als Fehlgeburten betrachtet. Mit der Reform sollen auch diese Kinder formell beerdigt werden können. Auch beispielsweise zusammen mit der Mutter, sollte diese etwa bei der Geburt sterben.

Der Wortschöpfung Sternenkinder liegt der Gedanke zugrunde, dass diese Kinder den Himmel und die Sterne erreicht haben, noch bevor sie das Licht der Welt erblicken durften. Viele betroffene Väter und Mütter empfänden den Begriff "Fehlgeburt" als verletzend, so das Gesundheitsministerium. Er kommt daher im Entwurf für das neue Bestattungsgesetz nicht mehr vor.

Was passiert nun im Landtag?

Nach der Debatte am Mittwoch wird der Gesetzentwurf im Ausschuss weiter beraten. Dabei wird es auch eine Anhörung etwa der Kirchen und der Verbände geben. Im parlamentarischen Verfahren sind Änderungen am Entwurf der Landesregierung möglich. Wann der Landtag das Gesetz beschließen wird und wann es letztlich in Kraft tritt, steht noch nicht fest.

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