Eine über 90-jährige Frau sitzt hinter dem Lenkrad eines Autos.

Rheinland-Pfalz Mehr Unfälle mit Senioren - FAQ zu Fahrfehlern, Führerscheinentzug und Prävention

Stand: 14.05.2025 20:06 Uhr

Ältere Menschen am Steuer eines Autos sind immer häufiger an Verkehrsunfällen beteiligt. Seit Jahren wird über Maßnahmen diskutiert. Im Gespräch sind auch verbindliche Tests und notfalls ein Entzug des Führerscheins.

Von Götz Kohlmann

Bundesweit besitzen immer mehr Menschen, die über 75 Jahre alt sind, einen Führerschein. Gab es 2015 noch knapp 2,5 Millionen Führerscheinbesitzer und -besitzerinnen in der Generation 75 plus, waren es 2024 mit fast 5,9 Millionen mehr als doppelt so viele. Diese Zahlen nennt die Unfallforschung der Versicherer.

Polizei kontrolliert Senioren im Straßenverkehr

Statistiken belegen: Das Unfallrisiko steigt von 75 Jahren an deutlich, vor allem weil Sehvermögen, Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit nachlassen.

Die Polizeiwache Maxdorf und die Polizeiinspektion Frankenthal kontrollieren am Mittwoch gezielt ältere Verkehrsteilnehmende der Generation 65 plus. Mit dabei sind Fachleute für Prävention.

Wir geben einen Überblick:

Welches Fehlverhalten führt im Alter zu Unfällen?

Dazu gehören meist weder mangelnder Abstand zu Vorausfahrenden noch eine überhöhte Geschwindigkeit. Fahrerinnen und Fahrer unter 25 Jahren missachten in beiden Gruppen am häufigsten die Verkehrsregeln. Die Älteren ab 65 schneiden hier im Vergleich am besten ab.

Verursachen sie Unfälle, so hat dies überwiegend mit anderen Situationen zu tun. Dazu gehören:

  • Abbiegen, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren
  • Vorfahrt/Vorrang
  • Falsches Verhalten gegenüber Fußgängern

In diesen Verkehrssituationen verursachen die Über-65-Jährigen mehr Unfälle als die jüngsten Fahrerinnen und Fahrer sowie die mittlere Generation. Beim Punkt "Überholen als Unfallursache" liegen dagegen alle Altersgruppen fast gleichauf. Ebenso beim Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss.

Was sagt die Unfall-Statistik?

36 Seniorinnen und Senioren starben im vergangenen Jahr bei Verkehrsunfällen in Rheinland-Pfalz. Das sind 14 weniger als im Jahr zuvor. Von 34 Opfern im Jahr 2020 war die Zahl zuletzt Jahr für Jahr angestiegen.

Es gab jedoch 2024 mehr Unfälle mit Beteiligung von Seniorinnen und Senioren auf den Straßen in Rheinland-Pfalz. Insgesamt waren es 30.444 - ein Plus von rund drei Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Zwar steigt die Zahl der Unfälle unter Beteiligung älterer Fahrerinnen und Fahrer seit 2020 deutlich an und auch die Zahl der Leichtverletzten nahm von 1.459 auf 1.815 zu. Die Zahl der Schwerverletzten ging jedoch in dem Zeitraum von 584 auf 516 zurück.

Sind Menschen im Alter 75 plus in Unfälle verwickelt, haben sie diese in 76,7 Prozent der Fälle auch verursacht. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2023. Menschen im Alter von 65 plus sind in 60,8 Prozent der Fälle jene, denen die Schuld an einem Unfall gegeben wird. Durch den demografischen Wandel werden diese Gruppen nach Ansicht von Fachleuten künftig weiter wachsen.

Führerscheinentzug für Senioren: So ist die Gesetzeslage in Deutschland?

In Deutschland gibt es bisher keine Altersgrenze für den Führerschein - und auch keine vorgeschriebenen Prüfungen oder Tests für ältere Autofahrer und Autofahrerinnen.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) will weiter auf Freiwilligkeit setzen: "Ich glaube, wir Menschen sind befähigt genug, auch selbst zu erkennen, was wir noch können und wann wir Dinge auch lassen sollen", sagte Ebling zuletzt dem SWR. "Wir sollten weiterhin konsequent in Richtung Prävention arbeiten."

Als Ebling im Februar die Verkehrsunfallbilanz 2024 vorstellte, rief er die älteren Menschen dazu auf, Präventionsangebote zu nutzen. Im Vordergrund stehe die Stärkung der Selbsteinschätzung.

Auch der bisherige Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat verpflichtende Fahrtests für Senioren immer abgelehnt.

Gesundheitstests für ältere Menschen: Der aktuelle Stand in der EU

Die EU wird vorerst keine verpflichtenden Gesundheitstests vorschreiben. Darauf einigten sich im März das Europaparlament und die Regierungen der Mitgliedsstaaten. Die einzelnen Länder haben aber die Möglichkeit, medizinische Tests national zur Pflicht zu machen, wenn sie dies für notwendig halten.

Zudem könne eine Selbsteinschätzung als Alternative zu medizinischen Gesundheitschecks dienen. Der Vorschlag, dass Führerscheine von Menschen über 70 alle fünf Jahre erneuert werden sollten, wird vorerst nicht umgesetzt.

Wo gibt es schon verpflichtende Untersuchungen?

Allerdings haben viele Staaten in Europa bereits eigene Regeln für Senioren. So müssen sie in der Schweiz ab dem 75. Lebensjahr alle zwei Jahre zur verkehrsmedizinischen Kontrolluntersuchung. In Großbritannien sind Über-70-Jährige verpflichtet, alle drei Jahre ihren Führerschein verlängern zu lassen.

Doch auch innerhalb der EU steht Deutschland mit seiner ablehnenden Haltung zu Pflichttests für Senioren und Seniorinnen am Steuer inzwischen recht einsam da. In den Niederlanden ist der Führerschein ab dem 70. Lebensjahr nur noch fünf Jahre mit einer Gesundheitserklärung gültig.

Sehr streng sind die Regeln in Portugal. Dort müssen die Autofahrerinnen und Autofahrer ab dem 50. Lebensjahr ihren Führerschein um fünf Jahre verlängern lassen und mit 60 Jahren auch ein ärztliches Attest vorlegen. Ab 70 muss es alle zwei Jahre erneuert werden. Auch in Italien und Spanien gibt es bereits verpflichtende Kontrollen.

Was sagen Automobilclubs und Versicherer zu erneuten Führerscheinprüfungen?

Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club, kurz ADAC, hält Fahrüberprüfungen für sinnvoll, sofern sie freiwillig von den Betroffenen genutzt werden. Eine selbstkritische Haltung solle dazu führen, dass Menschen ein solches Angebot wahrnehmen.

Der natürliche Alterungsprozess sei zwar mit individuellen Leistungseinbußen verbunden. Nach Ansicht des ADAC kann aber daraus nicht pauschal auf die Fahreignung geschlossen werden.

Entscheidend für ein unfallfreies Fahren sei nicht das Lebensalter, sondern neben dem Gesundheitszustand auch die Fahrerfahrung. Ältere zeichneten sich in der Regel durch einen an die Situation angepassten und vorausschauenden Fahrstil aus, so der ADAC. Sie mieden riskante Manöver und hielten größeren Abstand. Mit einem derart besonnenen Fahrverhalten könnten altersbedingte Mängel häufig ausreichend kompensiert werden.

Warnung vor einer Diskriminierung älterer Menschen

Der Auto Club Europa (ACE) warnt ebenfalls vor einer Diskriminierung älterer Menschen. Gerade für jene, die in ländlichen Gebieten lebten, wäre es ein großer Einschnitt, auf den Führerschein verzichten zu müssen. Auch der ACE wirbt für Feedback-Fahrten auf freiwilliger Basis, ohne dass gleich der Führerscheinverlust drohe. Der ACE sieht Gesundheitschecks beim Arzt skeptisch. Der könne zwar das Reaktionsvermögen testen, aber nicht die Fahrkompetenz insgesamt bewerten. Daher solle ein Gesundheitscheck nicht allein maßgeblich sein.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ist ebenfalls für Prävention. Nach 45 Minuten Fahrt im eigenen Auto könnten Senioren eine vertrauliche Rückmeldung von Experten erhalten. Danach können sie ihr Fahrverhalten anpassen und etwa unbekannte Strecken und Stoßzeiten meiden. Entscheidend sei, dass das Ergebnis der Testfahrt keine Folgen für den Führerschein habe.

Sendung am Mi., 14.5.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz

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