Fahrer hält Lenkrad bei hohem Tempo fest. Zu hohe Geschwindigkeit sind Unfallursache Nummer 1.

Rheinland-Pfalz Rasen auf der Straße - das halten Experten vom Blitzermarathon

Stand: 09.04.2025 17:12 Uhr

Zwei Mal im Jahr führt die Polizei Blitzermarathons durch. Mit den Kontrollen sollen Autofahrer dazu gebracht werden, langsamer zu fahren. Doch wirkt die Aktion langfristig?

In Rheinland-Pfalz sind 2024 zwar weniger Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen (130 Tote) oder verletzt worden (17.145 Verletzte) als im Jahr zuvor, aber jedes Opfer ist eines zu viel. Hauptursache für Verkehrsunfälle mit Toten und Verletzten ist laut Polizei weiterhin zu hohe Geschwindigkeit.

Mit stationären Radaranlagen und mobilen Polizeikontrollen versucht die Polizei, vor allem an gefährlichen Straßenabschnitten für mehr Sicherheit zu sorgen. Und zwei Mal im Jahr wird auch mit einer sogenannten "Speedweek" in vielen Bundesländern intensiv kontrolliert. Doch Kritiker finden, dass diese Aktionen für die Verkehrssicherheit wenig Nutzen haben. Von den Verkehrsteilnehmenden hört man den Vorwurf, die Aktion sei nur Abzocke. Was ist dran an dem Vorwurf?

Hat der Blitzermarathon nachhaltig Wirkung auf Autofahrer?

Verkehrswissenschaftler Prof. Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen hält nichts von den Blitzermarathons. "Der Blitzermarathon wird in den Medien angekündigt. Das heißt, die Menschen können sich darauf einstellen. Das ist mehr eine Showveranstaltung." Der Effekt sei zwar dann in der Blitzerwoche da, aber schon in der nächsten Woche wieder verflogen, meint Schreckenberg.

Auch Christian Müller, Verkehrspsychologe beim TÜV Nord meint, Aktionen wie der Blitzermarathon könnten zwar sensibilisieren. "Einen langfristigen Effekt auf das Fahrverhalten kann man von einzelnen Blitzermarathons leider nicht erwarten", sagt Müller. Wer gewohnheitsmäßig zu schnell fahre, werde sich zwar in der Woche zusammenreißen, danach aber wieder in das alte Verhalten zurückfallen.

Der ADAC dagegen findet, solche Aktionswochen hätten eine nachhaltige Wirkung. Dass die Kontrollen auch langfristig wirken, sei schon zu sehen. "Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf Autobahnen hat tatsächlich abgenommen. Und man sieht auch, dass im Straßenverkehr mehr aufeinander geachtet wird. Solche Aktionen beflügeln", meint Christian Schmidt vom ADAC. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bewertet die Blitzerwochen positiv. "Solche Geschwindigkeitskontrollen könnten auch durchaus öfter stattfinden", sagt auch die GdP. Allerdings sei dann mehr Personal bei der Polizei nötig.

Das rheinland-pfälzische Innenministerium beteiligt sich regelmäßig an den bundesweiten Aktionstagen und ist von der Wirksamkeit überzeugt. Dadurch dass die Aktion bundesweit stattfinde und durch die Berichterstattung in den Medien, würden "viele Menschen erreicht und für das Thema Verkehrssicherheit sensibilisiert".

Was wirklich wirkt, ist der Entzug des Führerscheins. Das ist etwas, das den Menschen nahe geht. Verkehrswissenschaftler Prof. Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen

Welche Maßnahmen zur Geschwindigkeitsbegrenzung sind wirksam?

Man muss in die Köpfe der Menschen hinein, betont Verkehrswissenschaftler Schreckenberg. "Man muss ihnen klar machen, wenn Du zu schnell fährst, gefährdest du dich und andere." Das schaffe man aber nicht, wenn man einfach Strafen erlasse, die noch dazu viel zu gering seien. "Was wirklich wirkt, ist der Entzug des Führerscheins. Das ist etwas, das den Menschen sehr nahe geht. Da erleben sie auch eine soziale Abwertung, wenn die anderen sehen, sie dürfen nicht mehr fahren."

Außerdem seien unangekündigte Kontrollen, verteilt über das Straßennetz, viel wirksamer als angekündigte Aktionen wie der Blitzermarathon, sagt Schreckenberg.

Warum fahren Verkehrsteilnehmer überhaupt zu schnell?

Das kann sehr unterschiedliche Gründe haben, erklärt Christian Müller, Verkehrspsychologe beim TÜV Nord.

  • Die Person hält die Geschwindigkeitsbeschränkung an der Stelle für unbegründet, z.B. auf einer mehrspurigen Autobahn oder bei wenig Verkehr. Sie erkennt dann den Sinn der Vorschrift nicht.
  • Die Person sucht den Kick. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Tempolimit massiv überschritten wird.
  • Die Person möchte beeindrucken oder sucht Bestätigung darin, das Fahrzeug auch unter extremen Bedingungen zu beherrschen.
  • Die Person hat es eilig und glaubt, durch schnelles Fahren Zeit zu gewinnen.
  • Die Person ist unkonzentriert und hat die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht wahrgenommen.

Und Männer, so Müller, fallen deutlich häufiger mit Verkehrsverstößen auf als Frauen. "Über 90 Prozent der Personen, denen aufgrund von wiederholten Verkehrsverstößen die Fahrerlaubnis entzogen wird, sind Männer." Insbesondere männliche Verkehrsteilnehmer, jünger als 25 Jahre, neigten zu Geschwindigkeitsverstößen.

Wer bekommt die Bußgeldeinnahmen?

Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Rheinland-Pfalz hat 2024 2,5 Millionen Ordnungswidrigkeiten geahndet - 2,3 Millionen davon waren laut Polizeipräsidium Rheinpfalz Geschwindigkeitsverstöße. Die Einnahmen aus allen Ordnungswidrigkeiten beliefen sich 2024 auf rund 110 Millionen Euro. Die Einnahmen fließen in den Landeshaushalt Rheinland-Pfalz.

Sendung am Mi., 9.4.2025 17:00 Uhr, DASDING News - Hörfunknachrichten