
Rheinland-Pfalz SWR-Reporterin auf Schlangen-Jagd in Zweibrücken
Auf einer Mülldeponie in Zweibrücken leben hunderte Schlangen, die da eigentlich nicht hingehören. Die Tiere stammen aus Italien und werden von einem Experten per Hand eingefangen. SWR-Reporterin Jessica Cichy hat ihn bei seiner Jagd begleitet.
Hubert Laufer ist schon da, als ich auf der Mülldeponie in Zweibrücken ankomme. Er begrüßt mich freundlich und lächelt. Seit fast neun Jahren kommt der Ökologe jetzt schon her, um die Schlangen mit seinen Händen zu fangen. Manchmal alleine und manchmal mit seinem Team. "Unser Fang-Rekord waren zehn Schlangen am Tag", erzählt er mir. "In den letzten neun Jahren haben wir schon mehr als 300 Schlangen gefangen."

Die Schlange kommt eigentlich aus Italien und Frankreich, aber seit einigen Jahren lebt sie auch auf der Mülldeponie in Zweibrücken.
Die Schlangen müssen gefangen werden, weil sie heimische Eidechsen zum Fressen gern haben, erklärt mir der Experte. "Auf der Mülldeponie sind fast keine Eidechsen mehr. Wenn es gar nichts mehr gibt, dann fressen sie Mäuse oder junge Ratten. Eidechsen sind aber ihre Lieblingsspeise."
Sind die Schlangen gefährlich für Menschen?
Hubert Laufer öffnet seinen Kofferraum und holt einen Handschuh heraus, den er sich gleich anzieht: "Wichtig, denn die Schlange können auch beißen." Ich zucke zusammen und frage ihn, ob die Tiere für Menschen gefährlich sind. "Nein, das ist kein Problem. Stellen Sie sich vor, Sie greifen in einen Brombeerstrauch und haben viele kleine Kratzer auf ihrer Haut. So in etwa fühlt sich ein Schlangenbiss der Zornnatter an", beruhigt er mich. Hubert Laufer wurde schon oft gebissen. Er lacht: "Das ist ihr gutes Recht. Sie wehren sich ja nur."
So kamen die Schlangen nach Zweibrücken
Auf der Mülldeponie ist es so ruhig, dass wir die Vögel zwitschern hören. Nur ab und zu fahren die Arbeiter mit einem Transporter vorbei. "Rund um die Mülldeponien sind Grünflächen, wo sich die Schlangen verstecken. Klar, das Lieblingsessen ist auch da und vermehren können sie sich auch ohne Probleme. Sie fühlen sich sehr wohl hier", erzählt er mir. Der Experte schätzt, dass ein paar wenige Schlangen 2017 wahrscheinlich mit dem Müll auf die Deponie gekommen sind. "Darunter war bestimmt ein trächtiges Tier. Die haben sich vermehrt." Heute leben mehrere hundert Zornnattern auf der Mülldeponie.

Seit 2017 kommt der Experte immer wieder nach Zweibrücken, um Schlangen zu fangen.
Das sind die Geheimverstecke der Zornnattern
Wir laufen los durch das hohe Gras auf der Mülldeponie. Überall ist in Quadraten geschnittene Dachpappe verteilt. "Wir haben Jahre gebraucht, um herauszufinden, dass Dachpappe als bestes Versteck dient. Wir hatten schon Holz oder Metall. Nichts hat die Schlangen angelockt. Da können Sie noch so viel Literatur lesen. Am Ende macht's die Erfahrung", erzählt er. Die Dachpappe heizt sich durch die Sonne auf und wird warm. Die Zornnattern lieben Wärme und kriechen deshalb unter die Pappe. Der Fang gelingt meistens nur bei gutem Wetter und den künstlichen Verstecken. "Wir können sie nur mithilfe der Verstecke fangen. Ansonsten haben Sie keine Chance. Die sind zu schnell und hauen ab."

Die Schlangen wärmen sich bei gutem Wetter unter der Dachpappe, die Hubert Laufer rund um die Mülldeponie in Zweibrücken verteilt hat.
Viele Herausforderungen auf der Jagd nach Schlangen
Doch gerade, als wir auf Schlangen-Jagd gehen möchten, wird der Himmel dunkel. Es fängt an zu regnen. Wir müssen die Fang-Aktion unterbrechen und flüchten in unsere Autos. Immer wieder fängt es stärker an zu regnen. Wir beschließen zu pausieren, weil auch die Zornnattern bei Regen nicht rauskommen möchten.
Wir gehen auf Schlangen-Jagd
Die Sonne ist nicht draußen, aber immerhin hat es nach einer Stunde aufgehört zu regnen. Hubert Laufer hat wenig Hoffnung bei dem Wetter eine Schlange zu fangen. Er versucht es trotzdem. Wir sind ganz still und schleichen Schritt für Schritt durch das hohe Gras. Ich bemerke schon drei Zecken an meiner Jeans und versuche keine panischen Bewegungen zu machen. Hubert Laufer flüstert: "Ja, auch das gehört dazu. Deshalb habe ich immer helle Hosen an. So bemerke ich die Zecken direkt."
Der Experte öffnet die erste Dachpappe ganz langsam. Kurz halte ich die Luft an, doch unter der Pappe sind nur Insekten. Die Hand, über der er einen Handschuh gezogen hat, ist immer bereit, um eine Schlange zu schnappen. Mit der anderen Hand schaut er unter die Dachpappe. "Wenn ich die Pappe anhebe, steht die Schlange kurz unter Schock. Diesen Moment nutze ich und schnappe mir das Tier." So arbeiten wir uns Quadratmeter um Quadratmeter voran. Ich bewundere wie ruhig und gelassen Hubert Laufer das macht. Am Tag geht er so sechs bis acht Stunden auf Schlangen-Jagd.

Diese Schlange hat Hubert Laufer am Wochenende gefangen.
Was passiert mit den Zornnattern nach dem Fang?
Heute haben wir Pech und fangen keine einzige Schlange: "Solche Tage gibt es eben auch. Manchmal fange ich keine." Hubert Laufer hat erst am Wochenende drei Schlangen gefangen. Eine hat er dabei und möchte sie mir zeigen. Er holt aus seinem Kofferraum einen Stoffbeutel heraus und tastet den vorsichtig ab. Ich staune: Eigentlich habe ich eine Art Käfig erwartet. "Nein, in dem Stoffbeutel haben sie keinen Stress", erklärt er mir. Er holt eine Zornnatter aus dem Beutel: "Das ist ein männliches Tier. Der bekommt jetzt ein neues Zuhause."
"Ich würde mir wünschen, dass wir hier möglichst viele Schlangen fangen. Wir bleiben dran", erklärt Hubert Laufer. Das wird sicher noch ein paar Jahre dauern. Die Zornnattern sind geschützt und dürfen deshalb nicht getötet werden. Zurück nach Italien oder Frankreich? Auch keine Option, denn die Sorge ist zu groß, dass sie Krankheiten übertragen könnten. "Ich vermittle die gefangenen Schlange nur an ausgewählte Menschen, die sich sehr gut mit diesen Tieren auskennen." Das Wichtigste für Hubert Laufer ist, dass es den Schlangen gut geht. Bei ihren neuen Besitzern dürfen sie alt werden. Er lacht: Dort gibt es aber ganz sicher keine Eidechsen!