
Saarland Jiddisch Woch Saarbrikn: Ein Raum für Kultur und Begegnung
In Saarbrücken wird jüdisches Leben oft nur innerhalb der Synagoge sichtbar. Die Jiddisch Woch will das von heute bis zum 22. Juni ändern und jüdische Kultur und Geschichte in ihrer ganzen Vielstimmigkeit zeigen.
Jason Malter
Unter dem Motto „muzik, kultur un fargenign“ lädt das Festival mit zwölf Veranstaltungen dazu ein, jiddische Kultur in all ihren Facetten zu entdecken. Ob Theater, Führungen, Vorträge oder Filme – das Programm richtet sich bewusst an alle, unabhängig von Herkunft, Religion oder Sprachkenntnissen.
„Wer neugierig ist auf jiddische Sprache, Musik oder Geschichte, ist herzlich willkommen“, sagt Leah Rajchlin, Projektleiterin des Festivals. „Gerade weil Jiddisch dem Deutschen so nah ist, eröffnet es einen niedrigschwelligen Zugang zu einer Kultur, die über Jahrhunderte an unterschiedlichsten Orten der Welt Migration, Ausgrenzung, Anpassung und Erneuerung erlebt hat. In den Liedern, Texten, Biografien und in der Sprache selbst spiegeln sich diese vielfältigen Erfahrungen wider.“
Das Programm der Jiddisch Woch Saarbrikn
Von heute bis Sonntag sind verschiedene Veranstaltungen geplant. Am Mittwoch soll der Dokumentarfilm „Der zerbrochene Klang“ die Jiddisch Woch im Saarbrücker Kino 8 ½ eröffnen. Der Film zeigt die Geschichte der jüdischen Klezmer- und Roma-Lautarmusiker.
Zudem gehören gemeinsame Gottesdienste, Workshops und Konzerte zum Programm.
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Die komplette Programmübersicht findet sich auf der Internetseite zur Jiddisch Woch.
Jiddisch und Deutsch: Eine kleine Sprachverwandtschaft
Die sprachliche Ähnlichkeit zwischen Deutsch und Jiddisch äußert sich in einem hohen Anteil an gemeinsamem Worten und ähnlichen grammatischen Strukturen. Ein Sprecher des Deutschen kann daher, insbesondere bei Texten oder Lautsprache des Jiddischen, viele Wörter verstehen.
Ein Beispiel:
- Deutsch: „Guten Morgen, was machst du?“
- Jiddisch: „A gut morgn, vos makhstu?“
Dennoch ist Jiddisch keine Variante des Deutschen, sondern eine eigenständige Sprache mit eigenen sprachlichen Merkmalen.
Die bewegte Geschichte der jiddischen Sprache
Über Jahrhunderte war Jiddisch eine bedeutende Sprache jüdischen Lebens in Europa. Ihren Ursprung hat sie im Mittelalter, im Raum zwischen Köln, den SchUM-Städten Speyer, Worms und Mainz – Zentren jüdischen Lebens in Deutschland – und Basel: Aus dem Zusammenklang von Hebräisch, Deutsch und später auch slawischen Einflüssen entstand eine eigenständige Sprache.
Was wir heute Jiddisch nennen, ist vor allem das Ostjiddisch, das sich durch Migration nach Osteuropa entwickelte. Bis in die 30er-Jahren blühte Jiddisch weltweit: als Alltags-, Literatur-, Theater- und Musiksprache. Pogrome, Vertreibungen und der Holocaust haben es fast ausgelöscht. Und doch lebt die Sprache weiter – in Liedern, Texten, Erinnerungen und neuen Bewegungen.
Saarbrücken als besonderer Ort jüdischer Geschichte
Vor dem Holocaust lebten im Saargebiet über 4500 Jüdinnen und Juden – eine kleine, aber lebendige Minderheit im städtischen wie ländlichen Raum. Sie prägten das kulturelle Leben mit und waren Teil der Gesellschaft. Insgesamt zählte man 23 Synagogen auf dem gesamten Gebiet. Auch jüdische Familien, die aus Osteuropa eingewandert waren, lebten bis 1938 in Saarbrücken. Sie unterhielten ein eigenes Bethaus und sprachen Jiddisch – ihre Traditionen blieben oft innerhalb der eigenen Gemeinschaft und deren Spuren wurden unter der Shoah fast ausgelöscht.
In Saarbrücken gründete sich 1946 wieder eine jüdische Gemeinde. Die erste im Deutschland der Nachkriegszeit. Der Bau der Synagoge folgte 1951 – bis heute ist sie das Zentrum jüdischen Lebens im Saarland. Die Gemeinde zählt rund 1000 Mitglieder, die mehrheitlich aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion stammen.
Veranstaltungen wie die „Jiddisch Woch Saarbrikn“ knüpfen an diese Geschichte an. Sie zeigen: Jüdische Kultur lebt – und bietet Anknüpfungspunkte. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen setzt das Festival ein Zeichen: für Offenheit, Austausch und Begegnung – durch muzik, kultur un fargenign.
Über dieses Thema berichtet auch die SR info Rundschau am 18.06.2025.
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