
Sachsen Neuer Audiowalk im Lausitzer Seenland: Wenn Sand und Schaf vom Wandel erzählen
Unter dem Titel "Hier spricht die Landschaft" hat das Kollektiv Neues Großes Landschaftstheater neun Hörstationen im Lausitzer Seenland gestaltet. Die 42 Kilometer lange Route führt durch das Gebiet des ehemaligen Tagebaus Spreetal bei Hoyerswerda. An den Stationen kommt die Landschaft selbst zu Wort: Schaf, Silbergras und Sandkorn berichten aus ihrer Perspektive von Zerstörung, Wandel und Neubeginn. Die offizielle Einweihung ist am Samstag.
- Ein neuer Audiowalk erkundet die Landschaft des ehemaligen Braunkohlereviers Spreetal bei Hoyerswerda.
- Das Projekt stammt vom Theaterkollektiv Neues Großes Landschaftstheater, das sich mit dem Strukturwandel in der Lausitz auseinandersetzt.
- An den einzelnen Hörstationen spricht die Landschaft selbst.
Es passiert nicht oft, dass ein Schaf zu Wort kommt – beim Audiowalk "Hier spricht die Landschaft", der um den ehemaligen Tagebau Spreetal bei Hoyerswerda herumführt, ist das aber der Fall. An einer von neun Hörstationen erzählt das Schaf von der mühsamen Futtersuche und der ständigen Vorsicht vor dem Wolf, aber auch von einem Vorfall, der sich Schafgenerationen zuvor ereignet hat: Beschrieben wird eine riesige Rutschung im Oktober 2010 während der Sanierungsarbeiten am Tagebaurestloch. 84 Schafe hatte die dadurch ausgelöste Flutwelle damals mit sich gerissen.

Nach der Rutschung am Bergener See im Jahr 2010 warnen Verbotsschilder davor, das Gebiet zu betreten.
Hörstationen entlang des ehemaligen Tagebaus bei Hoyerswerda
Statt im Bergener See zu baden, kann man seitdem als Zaungast quasi einen Blick aufs Sperrgebiet werfen, wie Regisseur Stefan Nolte erzählt: "Das war schon teilweise freigegeben und rekultiviert, die Infrastruktur für Radwege war schon angelegt, und seitdem ist es gesperrt und man kommt nicht mehr rein." Nolte gehört zum Ensemble Neues Großes Landschaftstheater, das den Audiowalk am Rand des Sperrgebiets entlang gestaltet hat.
An neun Hörstationen führt der Audiowalk rund um den ehemaligen Tagebau Spreetal vorbei. Auf den etwa 42 Kilometern, die sich für eine Radtour anbieten, trifft man auf gelbe Schilder mit Piktogrammen – etwa einem Schaf, einem Ludki, so heißen die sorbischen Erdgeister, oder Silbergras – sowie einem QR-Code, über den sich die etwa fünfminütigen Tracks abspielen lassen.

Julia Gabler, Hendrik Scheel, Ruth Feindel, Bernadette La Hengst, Stefan Nolte (v.l.n.r.) vom Neuen Großen Landschaftstheater mit Schildern, die die Hörstationen markieren.
Dramaturgin Ruth Feindel sagt, für die Audio-Geschichten hätten sie "eine ganz neue Art von Protagonist*innen" gewählt: Die nicht-menschlichen Bewohner der Landschaft im Sperrgebiet.
Theaterkollektiv widmet sich erneut der Lausitz
Es ist das dritte Lausitz-Projekt des Theaterkollektivs, dessen Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus Berlin und Görlitz kommen. Ihre Bühne sind die ausgekohlten Landschaften, ob wüst und zerstört oder schon renaturiert; das Sujet die Potenziale, die darin schlummern. Bei "Modellfall Weißwasser" 2019 beispielsweise ging es um die Zukunft des einstigen Zentrums der Glas- und Braunkohleindustrie. Spannend beim jetzigen Projekt ist die sich sämtlichen menschlichen Planungen widersetzende Natur.

Die neun Stationen des Audiowalks "Hier spricht die Landschaft" sind auf einer Strecke von 42 Kilometern im Lausitzer Seenland verteilt.
"Das ist ein dramatischer Vorgang im weiteren Sinne, den wir uns herauspicken und den wir uns näher besehen können: Was entsteht neu in dieser außer Kontrolle geratenen Landschaft und dieser Wildnis, die da mit ihren verschiedenen Darsteller*innen entstanden ist", erläutert Ruth Feindel die Idee des Audiowalks.
Was entsteht neu in dieser außer Kontrolle geratenen Landschaft und dieser Wildnis? Ruth Feindel, Dramaturgin |
Natur im Lausitzer Seenland sinnlich erleben
In die Monologe, geschrieben vom Autor Paul Brodowsky, sind Recherchen vor Ort eingeflossen sowie Interviews, die das Team vom Neuen Großen Landschaftstheater mit Expertinnen und Landschaftskennern aus der Region geführt hat.
Einer von ihnen ist der Naturführer Karsten Nitsch. Er ist begeistert von der Dynamik und den Veränderungen in den Bergbaufolgelandschaften. Schwerpunkte seiner Führungen sind Amphibien, aber auch Wölfe und Vögel. Die Hörstation sieht er als einen Punkt, "an dem man inne hält." Man höre zu und versuche dann auch, seine anderen Sinne einzusetzen. Neben dem Gehörten komme etwa auch das Visuelle hinzu – dadurch könnten die Menschen dazu angehalten werden, "aktiver zu sein und das Ganze für sich zu erschließen", erklärt Nitsch.

Die Landschaft mit ihrer Geschichte bewusst wahrnehmen – das will der Audiowalk im Lausitzer Seenland ermöglichen.
An einer Stelle auf dem Audiowalk kommt auch der Mensch beziehungsweise Menschen zu Wort: an der Hörstation in Klein Partwitz, einem Dorf beinahe wie eine Insel, zwischen drei Seen gelegen. Zu hören sind Liebeserklärungen an die Region. Sie sind aber nur eine Perspektive von neun auf die sich wandelnde Landschaft der Lausitz.
Informationen zum Audiowalk:
"Hier spricht die Landschaft"
Neun Hörstationen vom Neuen Großen Landschaftstheater
Eröffnung am 21. Juni 2025, 14 Uhr am Aussichtsturm Bergen
Die Audios können auf der Website www.recherchepraxis.de heruntergeladen werden.
Redaktionelle Bearbeitung: lig, vp