Kinder rufen in Megafone, während Nebel aufsteigt und eine Ampel rot zeigt.

Sachsen Theater von Kindern für Erwachsene: Stück über Generationengerechtigkeit in Leipzig

Stand: 20.06.2025 04:00 Uhr

Normalerweise interagieren im Theater Erwachsene mit Kindern und nicht umgekehrt. Ob das fair ist, fragt sich nun das Theater der Jungen Welt Leipzig in Kooperation mit dem niederländischen Artemis-Theater. In der Open-Air-Inszenierung "Hello Atmosphere" offenbaren Kinder ihre Sicht auf Themen wie Generationengerechtigkeit und Klima – und beziehen ihr erwachsenes Publikum mit ein. Das Stück hat am Freitag Premiere. Ergänzt wird es durch einen lebendigen Austausch beim "Rat der Generationen".

Von Anne Sailer, MDR Kulturdesk
  • In der Open-Air-Inszenierung "Hello Atmosphere" lässt das TdJW Leipzig Kinder zu Erwachsenen sprechen.
  • Vom 21. bis 24. Juni tagt im Theater außerdem ein "Rat der Generationen", um eine gemeinsame Vision für die Zukunft zu verhandeln.
  • Das dialogisch angelegte "Requiem zum Klimawandel" ist eine Koproduktion mit dem niederländischen Theater Artemis.

"Eigentlich sind wir ganz schön sauer", "Die Eltern sollen nicht so viel Auto fahren", "Immer mehr Tiere sterben aus – es ist einfach wichtig, dass man was dagegen tut": Das sind nur einige Aussagen beteiligter Kinder im Projekt des Leipziger Theaters der Jungen Welt (TdJW). Mit "Hello Atmosphere" wird in der Stadt erstmals ein Stück von Kindern inszeniert, in dem diese auch mit dem Publikum interagieren und sogar gemeinsam singen.

In den vergangenen Monaten hat das TdJW dafür Texte von Schülerinnen und Schülern aus Leipzig zum Thema Klimawandel gesammelt und vertont. Mit starken Statements, Appellen an die Erwachsenen, aber auch mit Briefen an Tiere macht die heranwachsende Generation auf ihre Perspektive aufmerksam. Die dialogisch aufgebaute Inszenierung wurde mit dem niederländischen Theater Artemis nach Leipzig geholt.

Kinder bekommen in Leipzig eine Bühne

Die Kulturstiftung des Bundes unterstützt die Open-Air-Inszenierung im Robert-Koch-Park und das Beteiligungsprojekt "Rat der Generationen" mit 118.800 Euro. Dramaturg Justus Rothländer sagte MDR KULTUR, damit setze das Kinder- und Jugendtheater ein Signal, da die junge Generation in einer immer älter werdenden Gesellschaft immer weniger gehört werde.

Ein großes Eckhaus mit vielen Fenstern, Giebeln und Erkern steht an einer Straßenkreuzung.

Für "Hello Atmosphere" verlässt das Theater der Jungen Welt den Lindenauer Markt und geht in den Park.

Die Aufführung sei ein von den Kindern gesungenes Requiem, wobei die Kinder über ihre Gefühle redeten und damit ganz konkret das erwachsene Publikum ansprächen. So solle ein Dialog entstehen und das Bewusstsein für eine grenzüberschreitende Verantwortung angeregt werden, sagt Rothländer: "Mich erstaunt, dass eine große Wachheit da ist, dass die Kinder informiert sind. Manchmal hat man das Gefühl, dass sie mehr wissen als die Erwachsenen."

Theater zwischen Gottesdienst und Karaoke

Die Bühne ist eine Wiese im Park. Das Bühnenbild mit einer Ampel, ein paar Reifen und Absperrungen wirkt extra improvisiert, als hätten die Kinder zu einer spontanen Klimademonstration aufgerufen. Bekleidet mit Leuchtwesten und ausgestattet mit Megaphonen, kommunizieren sie dann mit dem Publikum. Doch vor dem Mitmachtheater muss sich niemand fürchten. Bevor das Publikum mitsingt, wird es von den Kindern instruiert. Am Ende singen alle gemeinsam, daher gleicht die Inszenierung mit 120 Gästen auf den Rängen und sechs Kindern auf der grünen Wiese eher einer Chorprobe.

Portrait eines Mannes

Justus Rothländer ist Dramaturg am TdJW Leipzig.

Mich erstaunt, dass eine große Wachheit da ist, dass die Kinder informiert sind. Manchmal hat man das Gefühl, dass sie mehr wissen als die Erwachsenen. Justus Rothländer | Dramaturg in Leipzig

Die künstlerische Idee sei es, damit eine Art Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, sagte Dramaturg Justus Rothländer. "Hello Atmosphere" sei eine Mischung aus Gottesdienst und Karaoke. Das Thema sei hochemotional und die Texte sehr bewegend. Eingängige, leicht nachzusingende Melodien mit Ohrwurmcharakter gäben dem Stück jedoch eine gewisse Leichtigkeit.

"Rat der Generationen" tagt im Theater der Jungen Welt

"Auf was für eine Zukunft bereitet die Schule Kinder von heute vor?" – Das ist laut Rothländer eine Frage, mit der sich – ergänzend zum Stück – der "Rat der Generationen" beschäftigt. In Anlehnung an die demokratische Beteiligungsform einer Ratsversammlung diskutieren und beraten 30 Kinder, Jugendliche und Erwachsene über Zukunftsthemen, auch über Fragen der Wirtschaft, Ökonomie und Fürsorge.

Unter den Erwachsenen sind Rentner aus Leipzig, Forschende, Künstlerinnen und Künstler sowie Aktivistinnen und Aktivisten. Entstehen soll eine Begegnung zwischen Menschen verschiedenen Alters, beispielhaft für die Aushandlung eines neuen und gerechteren Generationenverhältnisses.

Kunstrasen vor dem Brandenburger Tor in Berlin

Der Rat der Generationen will eine gemeinsame Vision für die Zukunft entwickeln und die Ergebnisse auch an die Politik weiterreichen.

Der Rat ist bereits formiert und tagt an vier Tagen. Am 24. Juni präsentiert er am Abend öffentlich die Ergebnisse im Theater der Jungen Welt. Zudem will man gemeinsam nach Berlin fahren, um dort Politikern die schriftlich dargelegten Ergebnisse des Diskurses zu übergeben. Damit wolle man erreichen, dass sich vor allem die Kinder gehört fühlten, sagt Rothländer.  

Niederländer leiten Schüler an

Die Idee für das Requiem zum Klimawandel stammt vom niederländischen Theater Artemis. Die künstlerische Leiterin Liesbet Swings ist mit nach Leipzig gekommen, um die Kinder bei den Proben zu unterstützen. Auch das Theater Artemis hatte – in den Niederlanden – Texte von Kindern zum Thema Klimawandel gesammelt und diese später vertont. Die Inszenierung wurde für Leipzig aktualisiert. Die Melodien stammen von den Niederländern, die Texte aus Leipzig.

Portrait einer Frau

Liesbet Swings ist die künstlerische Leiterin des Theaters Artemis aus den Niederlanden.

Wir haben das Stück aktualisiert, aber im Kern sind sich beide Inszenierungen sehr ähnlich. Liesbet Swings | Künstlerische Leiterin Theater Artemis

Das Theater Artemis hat sich bereits europaweit einen Namen gemacht. Es wurde als erstes Theater für junges Publikum mit dem Silbernen Löwen der Biennale in Venedig und mit dem ITI Theaterpreis ausgezeichnet. Die niederländische Compagnie fordert mit ihren humorvollen wie radikalen Ansätzen Kinder und Erwachsene heraus – und lotet dabei die Grenzen des Theaters aus. Das habe das TdJW in Leipzig nun übernommen und freue sich auf einen kurzen, aber spannenden Theatersommer, so Justus Rothländer. 

Mehr Informationen zur Inszenierung

"Hello Atmosphere"
Eine Koproduktion des Theaters der Jungen Welt Leipzig mit dem Theater Artemis, Niederlande

Künstlerische Leitung: Liesbet Swings
Musikalische Leitung: Michael Lohmann
Komposition & Songtexte: Keimpe de Jong

Premiere:
Freitag, 20. Juni um 18 Uhr

Weitere Aufführungen:
Samstag, 21. Juni um 16 Uhr
Sonntag, 22 Juni um 17 Uhr
Montag bis Mittwoch, 23. bis 25. Juni um 18 Uhr

Aufführungen jeweils im Leipziger Robert-Koch-Park.

Karten können online erworben werden. Normalpreis Erwachsene: 13,50 Euro, zur Premiere 16,50 Euro.

Informationen zur öffentlichen Ratsversammlung des Rats der Generationen am 24. Juni finden Sie hier.

Redaktionelle Bearbeitung: lm, lk