
#Hyggepost aus Dänemark: Mein grenzenloses Ich
Unsere Kolumnistin Simone Mischke lebt in Süddänemark und schreibt über ihren Alltag. Anlässlich des Knivsbergfests hat sie sich Gedanken über Identitäten gemacht.
Spiel, Spaß, Sport und vieles mehr: Am Sonnabend (21.6.) feiert die deutsche Minderheit auf dem Knivsberg ihr größtes Fest des Jahres. Vergangenes Jahr fiel das Knivsbergfest wegen Starkregen und Gewittervorhersagen ins Wasser - umso größer ist die Freude bei allen, dass sie dieses Jahr wieder zusammenkommen können auf dem höchsten Berg in Nordschleswig. So, wie es seit mehr als 130 Jahren Tradition ist. Das Knivsbergfest ist für viele in der deutschen Minderheit ein Teil ihrer Identität. Und dass überhaupt eine Minderheit innerhalb einer Mehrheitsbevölkerung ihre Sprache und Kultur frei und friedlich leben und feiern kann, ist inzwischen ja leider keine Selbstverständlichkeit mehr.
Zu wem man gehört - oder auch nicht
Mit der Identität ist es ja so eine Sache, wenn man "Zugezogene" ist. Ich erinnere mich sehr gut an ein Gespräch, als ich gerade frisch in Dänemark angekommen war. Mit wem ist weniger relevant als diese eine Aussage: "Nur, weil du jetzt als Deutsche in Dänemark wohnst, gehörst du noch lange nicht zur deutschen Minderheit!" Ich war verwirrt. Wozu sollte ich denn dann gehören? Zur dänischen Mehrheitsbevölkerung ja wohl erst recht nicht. Gut, "offiziell" zur deutschen Minderheit bekannt hatte ich mich damals nicht. Denn das mündliche Bekenntnis an sich reicht aus, um "dazuzugehören". So regeln es die Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955. Das gilt ebenso für die dänische Minderheit in Südschleswig.
Warum muss überhaupt ein Etikett drauf?
Auf der anderen Seite bin ich inzwischen für viele "die Dänin". Allerdings käme keiner in Dänemark auf die Idee, mich so zu bezeichnen. Das machen nur Bekannte oder auch Kollegen auf der anderen Seite der Grenze. Ob ich schon einen dänischen Pass hätte, werde ich etwa gefragt. Oder einen beantragen will. Das könnte ich tatsächlich frühestens in einem Jahr tun. Darüber habe ich mir aber überhaupt noch keine Gedanken gemacht. Abgesehen davon: Macht mich ein dänischer Pass zur Dänin? Und wieso muss da überhaupt ein Etikett drauf? Dass ich in London gelebt und gearbeitet habe, machte mich nicht zur Engländerin. Meine Zeit auf Sylt nicht zur Sylterin. Und dass meine Vorfahren Hugenotten waren, die vor der Verfolgung durch das katholische Königshaus von Frankreich nach Deutschland fliehen mussten, macht mich nicht zur Französin. Fast ein bisschen schade, ich liebe die Sprache, aber das ist eine andere Geschichte.
Einfach eine Nachbarin
Alles also gar nicht so einfach mit der Identität, wenn man so von A nach B zieht. Oder doch? Das eine tun, das andere nicht lassen: Für mich ist es beruflich wie privat wichtig, mich in der dänischen Mehrheitsbevölkerung zu integrieren. Genauso wichtig sind mir die Kontakte in der deutschen Minderheit. Natürlich hätte ich jetzt gern auch noch gewusst, was mein Nachbar, der Mann namens Ove, zur Frage der Identität zu sagen gehabt hätte. Aber der war beim Sport. Ich habe so eine Ahnung, wie seine Antwort ausgefallen wäre: "Hauptsache, du bist eine nette Nachbarin!" Und das Knivsbergfest? Feiere ich natürlich mit. Einfach so. Als Deutsche, die in Dänemark lebt.