Ein Wildschwein liegt am Waldboden und säugt seine Jungen.

Schleswig-Holstein Mehr Wildschweine: Schweinepest-Gefahr in SH steigt

Stand: 24.04.2025 08:36 Uhr

Im Norden Schleswig-Holsteins wächst die Wildschwein-Population schnell. Dadurch steige die Seuchengefahr, warnen Experten. Im ganzen Land werden allerdings auch deutlich mehr Tiere geschossen.

Von Jörn Zahlmann

Es ist vor allem der Tourismus, der in der Kulturlandschaft der malerischen Halbinsel Holnis (Kreis Schleswig-Flensburg) seine Spuren hinterlässt: durch die vielen Wanderpfade, Hinweisschilder und Aussichtspunkte zum Beispiel. Doch mittlerweile hinterlassen hin und wieder auch borstige Vierbeiner ihre Spuren auf Holnis - mit durchgewühlter Erde, Hufabdrücken oder schlammigen Kuhlen, in denen sie sich suhlen.

Wildschweine gibt es seit gut zehn Jahren im Kreis Schleswig-Flensburg

"Das ist ein Bild, das wir vor zehn, zwölf Jahren hier in der ganzen Region überhaupt nicht kannten. Schlicht und ergreifend, weil es gar kein Schwarzwild, also keine Wildschweine, gab. Jetzt sehen wir hier Ansätze von Schäden", sagt Kreisjägermeister Horst Bröge.

Kreisjägermeister Horst Bröge mit Hund Timba auf einer Lichtung auf Holnis.

Kreisjägermeister Horst Bröge beobachtet einen starken Anstieg der Wildschwein-Population im Kreis Schleswig-Flensburg.

Derzeit nimmt die Zahl der geschossenen Wildschweine stark zu: Sie hat sich in den vergangenen zwei Jahren im Kreis Schleswig-Flensburg verdoppelt - von 90 auf 206 erlegte Tiere. Das Jagdjahr reicht hierbei vom 1. April eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres. Geschätzt leben mittlerweile mehr als 800 Wildschweine im Kreisgebiet.

Landesweit haben Jäger laut Landesjagdverband vom 1. April 2024 bis 31. März 2025 rund 13.100 Wildschweine getötet - ein Anstieg von mehr als 30 Prozent im Vergleich zum vorherigen Jagdjahr in Schleswig-Holstein. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 50.000 Wildschweine in Schleswig-Holstein leben.

Fast 1.000 deutsche Fälle von Afrikanischer Schweinepest 2025

Durch die immer größer werdende Zahl an Wildschweinen wird auch das Risiko für einen Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) größer. Landwirte in Schleswig-Holstein fürchten die Konsequenzen: gekeulte Schweine, geschlossene Betriebe, große Sperrbezirke. Auch der Export von Schweinefleisch würde faktisch zum Erliegen kommen, so Volker Jaritz, Veterinäramtsleiter im Kreis Schleswig-Flensburg.

"Das Seuchenrisiko steigt naturgemäß mit zunehmender Population. Das haben wir auch in anderen Landstrichen in Europa gesehen, zum Beispiel in Polen an der Ostgrenze zu Deutschland", sagt Jaritz. Angesichts von bisher knapp 1.000 Fällen von ASP in Deutschland allein in diesem Jahr wünscht er sich, dass die Population im Land so gering wie möglich gehalten wird. Auch Kreisjägermeister Bröge findet, dass die Bestände nicht zu schnell wachsen dürfen.

Veterinäramt: Sprunginfektionen sind das größte Risiko

Zwar seien die bisherigen ASP-Fälle in Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz noch mehrere Hundert Kilometer von Schleswig-Holstein entfernt, doch Sicherheit könne das nicht geben, sagt Jaritz. Sogenannte Sprunginfektionen von Mensch zu Tier seien derzeit das größte Risiko.

"Die A7 kreuzt unseren Kreis. An den Raststätten hinterlassen Lkw-Fahrer womöglich Speiseabfälle, die aus infektionsstarken Regionen wie Rumänien oder Polen stammen", sagt Jaritz. Eine hohe Wildschwein-Population steigere die Gefahr eines Ausbruchs zusätzlich und würde im weiteren Verlauf Infektionen von Tier zu Tier stark beschleunigen. Das Virus kann nach Auffassung von Experten über Blutkontakt oder indirekt über verunreinigte Gegenstände, Lebensmittel oder über kontaminiertes Futter übertragen werden.

Wildschwein-Population kann stark schwanken

Auch die Naturschützer vom NABU haben auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein nichts gegen eine schärfere Bejagung. Der Landesjagdverband sagt, dass der Bestand besonders dort reduziert werden müsse, wo er stark ansteigt. Ganz los werden wollen die Jäger das Schwarzwild aber nicht, dafür sei es zu wichtig fürs Ökosystem.

Das Problem bei der Regulierung: Die sogenannte Populationsdynamik ist hoch. "Die Schwarzwild-Bestände steigen kreisweit wie auch landesweit an, unterliegen aber relativ starken Schwankungen. Das hat wiederum mit klimatischen Aspekten zu tun. Zum Beispiel, wie viele Frischlinge den jeweiligen Winter überleben. Aber die Tendenz ist steigend", sagt Kreisjägermeister Bröge.

Überangebot an Nahrung durch Klimawandel

Für die steigende Wildschwein-Population macht Bröge auch den Klimawandel verantwortlich. "Zu Zeiten vor der Klimaerwärmung haben Buchen oder Eichen alle sechs, sieben, acht Jahre Früchte getragen. Durch den Klimawandel passiert das jetzt alle zwei oder drei Jahre. In der Folge werden die Wildschweine besser und in kürzeren Abschnitten mit Eicheln oder Bucheckern versorgt." Es gebe also ein Überangebot an Nahrung. Nicht nur deshalb sollten Passanten auf keinen Fall Essensreste in der Landschaft zurücklassen. Eine ASP-Übertragung würde nämlich alle Schweine und viele landwirtschaftliche Existenzen gefährden - in ganz Schleswig-Holstein.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 24.04.2025 | 06:00 Uhr