Ein Wolf schaut in die Kamera.

Schleswig-Holstein Nach mutmaßlichem Wolfsriss: Streit zwischen Schafhaltern und Ministerium

Stand: 24.04.2025 17:05 Uhr

Am Osterwochenende soll ein Wolf zwei Schafe auf dem Hof Viehbrook im Kreis Plön gerissen und weitere verletzt haben. Jetzt gehen die Schuldzuweisungen in diesem Fall hin und her.

Von Andrea Schmidt

Der Hof Viehbrook in Rendswühren (Kreis Plön) strahlt Bauernhof-Idylle aus. Kleine Lämmer toben auf den Wiesen und Kinderstimmen schallen vom Bauernhof-Kindergarten herüber. Ein "ländliches Kultur-, Bildungs- und Erlebniszentrum" - so ist es auch auf der Homepage zu lesen. Am Karsonnabend fand die Inhaberfamilie nach eigenen Angaben dann plötzlich zwei tote Schafe und mehrere verletzte Tiere. Für Kirsten Voß-Rahe war sofort klar: "Das muss ein Wolf gewesen sein." Der Angriff - von welchem Tier auch immer - fand in unmittelbarer Nähe zum Wohnhaus statt. Dass ihr Hof bereits zum zweiten Mal Ziel eines womöglichen Wolfsangriffes geworden sein soll, macht sie wütend. Sie fordert "mehr politische Maßnahmen", ohne dabei konkreter zu werden.

Umweltministerium: "Zaun war mangelhaft"

Der zuständige Rissgutachter war nach dem Vorfall vor Ort. Die DNA-Analyse steht noch aus, sodass nicht sicher ist, ob es wirklich ein Wolf war. Laut Gutachter war der Zaun in einem schlechten Zustand. Außerdem soll er nicht den "geltenden Vorgaben für wolfsabweisende Herdenschutzzäune" entsprochen haben. Heißt: Er war zu niedrig, vor allem an den beiden Zugangstoren. Auch sei er nicht auf der Außenseite elektrifiziert gewesen, so der Gutachter. Kirsten Voß-Rahe hat da eine ganz andere Meinung zu. Ihr Hof sei ein Besuchshof. Kinder und Jugendliche sollen den Schafen nahe kommen. Hohe Zäune? Das würde nicht passen, so die Hofbesitzerin.

Eine Familie sitzt in einem Gehege mit Lämmern auf dem Arm.

Beim Hof Viehbrook werden Schafe und Lämmer gehalten. Ein mutmaßlicher Wolfsriss sorgt nun für Aufregung.

Schutzmaßnahmen abgelehnt?

Bereits im Dezember 2022 hatte es einen bestätigten Wolfsübergriff mit einem toten und zwei verletzten Schafen auf dem Hof gegeben. Das Ministerium teilt dazu nun mit: "Das kostenlose Notfallherdenschutzpaket oder eine Beratung zur Verbesserung des Herdenschutzes hat die Betreiberin jedoch auch damals schon abgelehnt." Kirsten Voß-Rahe schnappt nach Luft, als sie am Donnerstag davon liest. "Das stimmt nicht", sagt sie empört. Und auch jetzt nach Ostern habe sich weder das Landesamt noch das Ministerium bei ihr gemeldet.

Landesverband der Schafzüchter: "Wir drehen uns im Kreis"

Der Fall "Hof Viehbrook" zeigt exemplarisch, wie die Meinungen zum Thema Wolf in Schleswig-Holstein auseinander gehen. Schafhalter, Naturschützer, die Landesregierung: Alle haben ihre Sichtweisen und ihre Meinungen. Der Landesverband der schleswig-holsteinischen Schaf- und Ziegenzüchter hat natürlich die 1.000 Schafhalter im Land im Blick und will die Schafe und Lämmer schützen. Das Angebot vom Land, bestimmte Zäune zu setzen und dafür auch Geld zu bekommen, funktioniert aus Sicht der Verbandsgeschäftsführerin Janine Bruse nur sehr selten. Gerade größere Herden müssten doch immer wieder die Weide wechseln. "Es wird uns gesagt: Wir müssen. Und wir sagen: Wir können es nicht leisten. Und wir drehen uns im Kreis, seit zwölf Jahren." Die Schafe auf dem Hof Viehbrook stehen nach Angaben von Kirsten Voß-Rahe in einem festen Gehege, das nicht versetzt wird. Ein höherer Zaun wäre hier demnach möglich gewesen, wenn die Betreiberin ihn hätte haben wollen.

Schnellerer Abschuss von "Problemwölfen" gefordert

Das Wolfsmanagement ist seit Jahren in der Diskussion. Ende 2023 wurde in Schleswig-Holstein der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen - abgeschossen werden darf er dennoch nicht ohne weiteres. Der Landesverband der schleswig-holsteinischen Schaf- und Ziegenzüchter will aber genau das: Er fordert einen schnelleren und vor allem unbürokratischeren Abschuss von sogenannten Problemwölfen. Wenn ein Wolf für mehrere Risse verantwortlich sei, dann sollte er auch schnell abgeschossen werden dürfen, sagte Janine Bruse NDR Schleswig-Holstein.

Ein Wolf

Laut Landesregierung gab es im vergangenen Jahr 38 Fälle von möglichen bis sicheren Wolfsrissen an Schafen.

Weniger gerissene Schafe im vergangenen Jahr

Wie oft ein Wolf wirklich andere Tiere reißt, kann niemand mit absoluter Sicherheit sagen. Laut Landesregierung gab es 2023 67 Fälle möglicher bis sicherer Wolfsrisse an Schafen, 2024 waren es 38 dokumentierte Fälle. In keinem der Fälle waren die betroffenen Nutztiere laut Umweltministerium durch funktionierende wolfsabweisende Zäune geschützt.

Thema Wolf beschäftigt die Menschen in SH

Wie geht es weiter in der Wolfsdebatte? Eine Annäherung zwischen Natur- und Tierschützern, den Schafhaltern und den Behörden im Land scheint nicht in Sicht. Hofbesitzerin Kirsten Voß-Rahe glaubt, dass in dem Thema Wolf "gesellschaftspolitischer Sprengstoff" stecke. Sie habe seit Ostern viele Videos bekommen mit angeblichen Wölfen und Rissen, die Leute offenbar gefilmt haben. Ob die Videos tatsächlich aus Schleswig-Holstein stammen oder ob es Fake-Videos sind, um Stimmung im Internet zu machen, lässt sich von hier aus nicht beurteilen. Kirsten Voß-Rahe ist sich aber sicher: "Die Menschen im ländlichen Raum, die haben Angst. Nicht nur um ihre Nutztiere, auch um ihre Haustiere. Und mittlerweile auch um ihre Kinder und sich selbst." Mehr miteinander reden und Lösungen suchen - das ist ihre Forderung. So sieht es auch der Schafzüchterverband.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 24.04.2025 | 16:00 Uhr