
Schleswig-Holstein Northvolt-Insolvenz: Millionenverlust für deutsche Firmen?
Eine Auswertung der rund 3.500 Gläubigerforderungen im Insolvenzverfahren des schwedischen Batterieherstellers Northvolt zeigt: Auch zahlreiche Firmen aus Deutschland sind betroffen, hohe Summen stehen auf dem Spiel.
Die Insolvenz des schwedischen Unternehmens Northvolt zieht weite Kreise: Nicht nur internationale Großkonzerne, sondern auch etliche deutsche Mittelständler stehen mit teils erheblichen Summen auf der Gläubigerliste. Ob betroffene Unternehmen weiterhin mit Northvolt zusammenarbeiten, könnte auch entscheidende Folgen für den Bau des geplanten Batteriewerks bei Heide haben. Eine NDR Datenanalyse zeigt, welche deutschen Firmen betroffen sind und wie hoch die Summen sind.
Deutsche Firmen fordern über 60 Millionen US-Dollar
Auf der im Rahmen des US-amerikanischen Chapter-11-Verfahrens veröffentlichten Gläubigerliste stehen über 120 deutsche Unternehmen mit Forderungen von insgesamt mehr als 67 Millionen US-Dollar. Neben zahlreichen Beratungs-, Prüf- und Maschinenbau-Unternehmen finden sich auch Logistik-Unternehmen, Prüflabore und Komponentenlieferanten.
Besonders hohe Forderungen stammen von großen Konzernen und verbundenen Unternehmen: Die Northvolt Germany GmbH, eine deutsche Tochtergesellschaft des Mutterkonzerns, beansprucht allein über 20 Millionen US-Dollar. Die zweithöchste Forderung von rund 14,4 Millionen Dollar meldete die Witzenmann GmbH, ein international tätiger Hersteller von metallischen Leitungssystemen, an. Hinzu kommen weitere Großforderungen wie die von PwC, Porsche Consulting oder TÜV SÜD Battery Testing, die Dienstleistungen in den Bereichen Beratung, Zertifizierung und Qualitätssicherung für den Batteriekonzern erbracht haben.
"Schmerzhafte" Einbußen für Mittelständler
Doch auch viele mittelständische Unternehmen aus Deutschland sind erheblich betroffen. Die CONTEXTO GmbH aus Winterbach bei Stuttgart lieferte im September 2024 eine Maschine für einen Batterieherstellungsprozess. Northvolt schuldet dem Unternehmen dafür mehr als 2,5 Millionen Euro. Laut Geschäftsführung sei man sich in der Zusammenarbeit mit Northvolt eines gewissen Risikos bewusst gewesen, dennoch sei der ausstehende Betrag für das kleine mittelständische Familienunternehmen ein bedeutsamer Verlust.
Ein weiteres Beispiel ist die Firma Dietz Consultants mit Sitz in Wallenhorst bei Osnabrück. Das Unternehmen beriet Northvolt im Bereich der Produktentwicklung an zwei Standorten in Schweden. Dafür stehen Forderungen von über 62.000 Euro gegenüber dem Batteriehersteller offen. Laut Geschäftsführer Winfried Dietz handele es sich um den größten Forderungsausfall in der über 35-jährigen Firmengeschichte. "Es ist nicht existenzbedrohend, aber sehr schmerzhaft", so Dietz.

Geschäftsführer Winfried Dietz rechnet nicht damit, seine ausstehende Forderung zu bekommen.
Komplexes Verfahren mit hohen Hürden
Das Chapter-11-Verfahren in den USA ist mittlerweile beendet. Northvolt hatte bei dem zuständigen Gericht in Houston beantragt, das Verfahren vorzeitig zu stoppen. Grund war der parallele Beginn eines Insolvenzverfahrens nach schwedischem Recht Mitte März. Eine große Hürde für die betroffenen Mittelständler: Die wenigsten haben eigene Rechtsabteilungen oder Erfahrung mit komplexen, internationalen Insolvenzverfahren - sei es in den USA oder in Schweden.
Viele wägen daher aktuell ab, ob der finanzielle und personelle Aufwand im Verhältnis zur geforderten Summe steht. "Die Kosten in Euro sind ein Thema, aber wir sind personell so eng aufgestellt, dass es sich lohnen muss, wenn wir da Mitarbeiter dransetzen, und das sehe ich im Moment nicht", teilt die Geschäftsführung von Dietz Consultants aus Wallenhorst mit. Dort rechnet man nicht damit, das Geld wiederzusehen.
Ein weiteres Problem besteht für die Mittelständler darin, dass ihre vergleichsweise geringen Summen neben denen einflussreicher Großkonzerne stehen.
Mit Blick auf die Gläubigerliste mit zehn- bis siebenstelligen Forderungen namhafter Großunternehmen müssen wir davon ausgehen, dass wir die Forderungen abschreiben müssen."
— Firma CleanControlling aus Baden-Württemberg
Das Unternehmen CleanControlling aus Baden-Württemberg mit 120 Mitarbeitenden hatte für Northvolt Laboranalysen zur technischen Sauberkeit in der Batterieproduktion durchgeführt und fordert dafür noch rund 56.000 US-Dollar.
"In Zukunft nur mit Vorkasse"
Trotz der finanziellen Rückstände zeigen sich viele mittelständische Unternehmen offen, ihre Geschäftsbeziehung zu Northvolt und ihrer deutschen Tochterfirma fortzusetzen. "Aber mit der gebotenen Vorsicht", betont Winfried Dietz, Geschäftsführer der Beratungsfirma in Wallenhorst, "und die würde hier wahrscheinlich Vorkasse heißen." Auch CleanConsulting hebt hervor, dass innovative Start-ups wie Northvolt mittelständischen Unternehmen neben finanziellen Risiken auch erhebliche Chancen bieten und schließt eine künftige Zusammenarbeit nicht aus.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 02.04.2025 | 19:30 Uhr