In einem Stall liegen Kühe im Stroh.

Schleswig-Holstein So produziert ein Landwirt in SH mehr Milch mit weniger Kühen

Stand: 23.04.2025 12:21 Uhr

Es gibt immer weniger Milchviehbetriebe, auch die Zahl der Kühe in Schleswig-Holstein sinkt. Die Kühe produzieren aber mehr Milch. Grund dafür sind hohe Investitionen in Technik und Fachkräfte.

Von Moritz Kodlin

Sandra Jessen sitzt, wie fast jeden Morgen, vor einem Computer im Büro. Es ist kein gewöhnliches Büro wie in einem Finanzamt oder einer Versicherung. Der Boden ist dreckig. Auf dem Boden sind dunkle Schuhabdrücke. An der Wand hängen einzelne DIN A4 Zettel mit Übersichten von Kühen oder Urlaubsplanungen ihrer Kolleginnen und Kollegen. Sandras Ohrringe sind im Kuhfellmuster. Sie checkt, wie sie sagt, ihre Kühe. Mit Hilfe eines Programms kann sie genau sehen, wie es den rund 350 Kühen geht und ob sie zum Beispiel krank sind.

Fitness-Tracker für jede Kuh im Einsatz

Sandra Jessen ist die Herdenmanagerin des Hofs Bornholdt in Osterhorn (Kreis Pinneberg). Ihre Aufgabe ist es, dass die Kühe so viel Milch wie möglich geben. Das geht laut Jessen nur, wenn die Tiere gesund sind. Mit dem Programm am Computer soll das gelingen. Sie vergleicht das System mit Fitness-Trackern bei Menschen. Jedes Tier trägt so einen Fitness-Tracker. Sandra kann damit zum Beispiel sehen, dass Kuh Anastasia nach ihrer gestrigen Kalbung wieder ordentlich angefangen hat zu fressen. So spare sie sehr viel Zeit. Früher hätte man jede Kuh einzeln ansehen müssen, erklärt die 29-Jährige.

Herdenmanagerin Sandra am Computer.

Jede Kuh hat einen Tracker im Ohr. Darüber kann Herdenmanagerin Sandra Jessen zum Beispiel ablesen, ob die Tiere gesund sind.

Sandra: "Schon seit meiner Kindheit auf dem Hof"

"Unsere Tiere sollen immer fit sein, damit wir am Ende des Tages den Milchtank immer voll haben", sagt Sandra. Sie hat Landwirtschaft studiert und arbeitet nun seit fünf Jahren auf dem Hof von Landwirt Florian Bornholdt. Nach einem zweijährigen Trainee-Programm ist sie nun festangestellte Herdenmanagerin. Die beiden kennen sich schon seit vielen Jahren. Sandra erzählt, dass sie schon in ihrer Kindheit auf dem Hof regelmäßig geholfen habe. Ein reiner Bürojob - zum Beispiel bei einer Behörde - käme für sie nicht in Frage.

Hohe Investitionen in Technik und Personal

Auch für Landwirt Bornholdt sei das nichts, erzählt er. Vor etwa zehn Jahren hat er den Hof von seinen Eltern übernommen und seitdem stark in den Bestand investiert. Neben den Personal- und Ausbildungskosten für Herdenmanagerinnen und Herdenmanager wie Sandra hat er in sechs Melkroboter investiert. Kostenpunkt für die vollautomatischen Anlagen: etwa 120.000 Euro pro Stück. "So können die Kühe rund um die Uhr gemolken werden, mit deutlich weniger Personalaufwand", sagt Bornholdt.

Landwirt Florian Bornholdt im Stall.

Florian Bornholdt hat vor etwa zehn Jahren den Betrieb von seinen Eltern übernommen. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern auf dem Hof.

Weniger Kühe und weniger Betriebe, aber mehr Milch

Es sind Investitionen wie diese, die laut Bauernverband Schleswig-Holstein die Milchproduktion deutlich effektiver machen. So effektiv, dass die Kühe in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr etwas mehr Milch gegeben haben als noch vor zehn Jahren. Damals lag die Zahl der Kühe noch bei etwa 400.000. 2024 waren es nur noch rund 325.000 Tiere. Auch die Zahl der Betriebe hat sich nach Angaben des Bauernverbands deutlich verringert. So gab es 2014 in Schleswig-Holstein noch 4.500 Milchviehbetriebe. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 2.700.

Michael Müller-Ruchholtz vom Bauernverband Schleswig-Holstein nennt drei maßgebliche Gründe für den Anstieg der Milchproduktion einer einzelnen Kuh. "Es gibt ein deutlich besseres Gesundheitsmanagement", erklärt Müller-Ruchholtz. So nennt auch er Computer-Programme, die die Kühe besser gesundheitlich analysieren könnten. Auch in der Züchtung habe man deutliche Fortschritte gemacht. Auf Hof Bornholdt heißt das, dass Herdenmanagerin Sandra zum Beispiel die Tiere mit Sperma eines Zuchtbullens besamt. So sollen die Jungtiere einen besseren Körperbau oder Euter bekommen als die Eltern. Außerdem sei der technische Vorteil nicht außer Acht zu lassen. Dort seien unter anderem Melkroboter große Hilfen.

Deutscher Tierschutzbund mit Kritik an Entwicklung

Dr. Annika Lange sieht diese Entwicklung kritisch. Sie ist Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund und sagt, dass der Stoffwechsel durch die hohe Milchproduktion überfordert sei. "Die moderne Hochleistungskuh ist so stark auf eine hohe Milchleistung genetisch vorprogrammiert, dass sie ihre Leistung gibt, auch wenn es ihr nicht mehr gut geht", erklärt Lange. So würden diese Tiere vermehrt unter Stoffwechselkrankheiten oder Fruchtbarkeitsstörungen leiden.

Eine Kuh im Stall.

Insgesamt leben auf dem Hof Bornholdt etwa 350 Kühe. Sie sollen so viel Milch wie möglich produzieren.

Ein weiteres Problem sieht Lange in dem Druck, mit dem Landwirte in der heutigen Zeit arbeiten müssen. Der stark schwankende Milchpreis spiegle die hohen Investitionssummen und die gestiegenen Tierarztkosten nicht wider, so Lange. Der Milchpreis sei nicht verlässlich und die Landwirte befänden sich nicht in einem sicheren System.

Warum schwankt der Milchpreis so sehr?

Der Milchpreis ist stark schwankend und hängt nicht zwingend von der Qualität der Milch ab, sondern häufig von äußeren Faktoren. So hat ein Landwirt mit 100 Kühen im März 2024 etwa 42.000 Euro eingenommen. Im März 2025 waren es 52.000 Euro. Ein Grund für den Preisanstieg ist die Blauzungenkrankheit, wodurch viele Rinder verstorben sind. 2016 hätte ein Landwirt mit 100 Kühen nur 20.000 Euro bekommen.

Lange: Gute Tierschutzstandards gibt es nicht zum Nulltarif

Es gebe zwar verschiedene Siegel, auf die man beim Milchtüten-Kauf achten könne. Damit können Kundinnen und Kunden Umwelt- oder Haltungsstandards schnell ablesen. Allerdings gibt es laut Lange keine guten Tierschutzstandards zum Nulltarif. Daher seien höhere Ausgaben notwendig, um Tierschutzstandards zu ermöglichen. Sonst lasse sich das für die Landwirte nicht realisieren. Allerdings macht Lange klar: "Der wahre Tierschutz geht mit einem veganen Lebensstil einher."

Sandra: "Meine Zukunft sind die Kühe"

Für Landwirte wie Florian Bornholdt ist es eine komplexe Rechnung. Sie müssen ständig abwiegen zwischen hohen Investitionen, Tierwohl und stark schwankenden Milchpreisen. Sandra selbst sieht sich auch in ihrem zukünftigen Berufsleben weiterhin in der Landwirtschaft. "Meine Zukunft sind die Kühe", sagt sie selbstbewusst. Ihr Job bringe ihr Spaß. Sie brennt für ihre Kühe, wie sie sagt.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 23.04.2025 | 19:30 Uhr