Gräber auf dem Friedhof in Saalfeld

Thüringen Letzte Ruhe in neuen Formen

Stand: 18.04.2025 09:09 Uhr

Ein Grab mit Regenbogen, oder eine letzte Ruhe als Urne in einer Gemeinschaftsstele: Die klassischen Erd- und Urnengräber werden immer seltener. Die Friedhofskultur ist im Wandel. So liegen beispielsweise Gemeinschaftsgräber im Trend. Ein Gang über den Friedhof in Saalfeld.

Von Andreas Dreißel, MDR THÜRINGEN

Leise rascheln auf dem Saalfelder Friedhof die Blätter der Bäume im Wind, die Sonne scheint auf die Gräber und erste Besucher sind auf der weitläufigen Anlage unterwegs. "Wie ein großer Park", sagt Lukas Welsche, mit dem ich über die großen breiten Wege laufe. Der Friedhofsmitarbeiter ist noch nicht lange hier, kennt sich aber bestens aus und kann mir auch viel erzählen, wie sich der Friedhof über die letzten Jahre verändert hat.

Trend zu Gemeinschaftsgräbern

Auffällig ist, wie viele große freie Flächen es inzwischen gibt. Wo früher Reihe an Reihe die klassischen Erd- oder Urnengräber waren, ist jetzt Wiese. Laut Lukas Welsche liegt das vor allem an den vielen neuen Bestattungsformen, die einfach weniger Platz brauchen. "Der Trend geht zu Gemeinschaftsanlagen", sagt Lukas Welsche. "In den letzten Jahren haben wir immer mehr Grabanlagen, die schon vor dem Ablauf der gebuchten Liegezeit aufgelöst werden." Gründe für den Rückzug gibt es viele. Etwa, wenn Angehörige aus Saalfeld wegziehen. Oder gesundheitlich nicht mehr in der Lage sind, das Grab ihrer Angehörigen zu pflegen.

Gräber auf dem Friedhof in Saalfeld

Unter neu geplanzten Bäumen können Verstorbene neuerdings auch in Gemeinschaftsgräbern beigesetzt werden.

Deshalb wächst die Zahl der Gemeinschaftsanlagen. Allein vier große Felder gibt es, auf denen die Urnen der Verstorbenen vor großen Stelen beigesetzt werden. 16 Urnen passen vor jede Stele, die Namen finden sich auf dem Stein. Nicht jeder mag den Anblick der Stelenfelder. Für Pfarrer Christian Sparsbrod sehen sie aus wie "Kriegsgräber". Auch er verfolgt den Trend zum Gemeinschaftsgrab. Auf der anderen Seite, sagt er, werden die Trauergottesdienste oder Trauerfeiern immer individueller. Mit Musik passend zum Verstorbenen. Und mit persönlichen Reden, die nahe Angehörige halten. Eigentlich ein Widerspruch, sagt er. Aber inzwischen auf vielen Friedhöfen Realität.

Ein junger und ein älterer Herr unterhalten sich auf dem Friedhof in Saalfeld.

Pfarrer Christian Sparsbrod (li.) und Friedhofsmitarbeiter Lukas Welsche sprechen beim Rundgang über neue Formen der Bestattung.

Der Pfarrer mag die individuellen Gräber, wo jeder Stein einen Spruch trägt, der auch etwas über die Verstorbenen erzählt. Wo sich Angehörige Gedanken machen über das Material, die Form. Und über die Gestaltung des Grabes.

Gräber erzählen Stadtgeschichte

Wir bleiben bei den Familiengräbern an der Friedhofsmauer stehen. Viele davon gehörten bekannten Saalfelder Familien. Sie erzählen auch ein bisschen Stadtgeschichte. Laut Lukas Welsche finden sie nun Stück für Stück neue Eigentümer, die sie vor dem Verfall retten. Mancher lässt die historische Gestaltung an der Wand und gestaltet den Platz davor nach eigenem Geschmack. Andere verknüpfen Geschichte mit neuen Motiven. Wie zum Beispiel mit einem Regenbogen, der schon von weitem ins Auge fällt.

Gräber auf dem Friedhof in Saalfeld

Historische Familiengräber sind in vielen Städten vom Verfall bedroht. Die Kommunen freuen sich über Familien, die die Anlagen weiternutzen und behutsam umgestalten.

Mitten auf dem Friedhof haben die Mitarbeiter neue Bäume gepflanzt. Ebenfalls ein Gemeinschaftsgrab für Urnen. Nur ein einzelner Stein direkt am Weg kennzeichnet das Grab. Hier können Angehörige Blumen niederlegen und verweilen. Kleine Schilder tragen die Namen derer, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Wenn Eltern um ihre Kinder trauern

Wir laufen weiter zum neuen Gendenkort für sogenannte "Sternenkinder". Kinder, die noch vor oder während der Geburt verstorben sind. "Wir haben gestern hier das erste Sternenkind beerdigt", sagt Lukas Welsche. Eigentlich sollten erst im Juni die ersten Kinder hier ihre letzte Ruhe finden. Der Friedhof wollte allerdings den Eltern ihren Wunsch nicht abschlagen, dass ihr Sternenkind bei den anderen liegen kann.

Gräber auf dem Friedhof in Saalfeld

Die neue Anlage für sogenannte Sternenkinder wurde erst kürzlich eingeweiht. Hier trauern Eltern um ihre Kinder.

Das Sternenkindergrab ist nicht die einzige besondere Grabstätte auf dem Saalfelder Friedhof. Ein Denkmal für gefallene Soldaten der Roten Armee liegt nicht weit entfernt von den Opfern der schweren Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg. Auch Zwangsarbeiter liegen hier begraben. Besonders berührt ein kleiner Bereich auf dem Friedhof, auf dem Kinder ihre letzte Ruhe gefunden haben. Wir stehen vor einem Grab mit einem Mädchen, das erst gestern seinen fünften Geburtstag gefeiert hätte. Reich geschmückt mit kleinen Spielsachen und Osterdekoration. Wir können fühlen, wie wichtig dieser Ort für die Eltern ist.

Den Angehörigen nicht zur Last fallen

Viele derer, die sich für ein Gemeinschaftsgrab entscheiden, wollen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen, sagt Lukas Welsche. Laut Pfarrer Christian Sparsbrod sehen diese das meist anders. "Sie wollen einen Ort zum Trauern, sie wollen die Anonymität eigentlich nicht", sagt er. "Gerade Angehörige von Menschen, die lange im Krankenhaus liegen, kommen trotzdem regelmäßig dorthin." Sie verstünden auch, wenn Menschen nach langer Leidenszeit sterben wollen. Trotzdem ist für sie Erinnerung wichtig.

Gräber auf dem Friedhof in Saalfeld

Friedhofskultur ist ein wesentlicher Bestandteil des Erinnerns an geliebte Menschen. Auch diese Kultur ist in stetem Wandel.

Nichts erzählt allerdings von denen, die in der Mitte des Friedhofs begraben sind. Hier werden Menschen völlig anonym bestattet. Vor allem soziale Fälle liegen hier, bei denen die Stadt die Kosten für die Bestattung übernimmt. Kein Name, keine Geburts- und Sterbedaten. Auch dieser Ort wird von den Mitarbeitern des Friedhofs gepflegt.

Am Ende unseres Rundgangs zeigt mir Lukas Welsche noch ein großes Blatt aus Glas. Hier können die Namen von zwei Verstorbenen eingraviert werden. Sogenannte Paargräber soll es bald geben. Zwei Urnenplätze, ein Blatt. Die nächste Form der Bestattung auf dem Saalfelder Friedhof.

MDR (adr,ask)