Mathias Schram steht vor seinem Haus

Thüringen So schwer ist der Weg junger Menschen zum eigenen Haus

Stand: 22.04.2025 18:35 Uhr

Haus bauen, Baum pflanzen und vielleicht Kinder kriegen: Ein Traum für viele junge Menschen. Aber das wird immer schwerer. Immer weniger möchten neu bauen - wegen der Kosten. Alte Häuser, die noch Potenzial haben, sind schwer zu finden.

Von Louisa Krüger, MDR THÜRINGEN

"Das hat halt einfach Charme, wenn das Holz knarzt", sagt Mathias Schramm, während er die Treppe ins Obergeschoss hochsteigt. Dass er ein altes Haus kauft, haben sich er und seine Freundin Mandy Eckardt gut überlegt. Nachdem seine Oma im November gestorben ist, hat er das Haus am Ende der Straße in Mengersgereuth-Hämmern im Kreis Sonneberg übernommen. Dafür muss er seine Tanten ausbezahlen. "Da sind wir uns einig geworden und das liegt jetzt noch beim Notar."

Mathias Schram legt eine Matratze in einem Container

Es gibt viel zu tun. Einige der alten Sachen kommen auf den Sperrmüll.

Viel Arbeit in der Freizeit

120 Quadratmeter Wohnfläche und knapp 900 Quadratmeter Grundstück - einiges muss jetzt getan werden. Vor dem Haus stehen zwei Container, darin alte Polster und Möbel. Vieles sei auch schon weg, sagt der 31-Jährige. Im Obergeschoss sind fast alle Räume leergefegt. Hier und da hängt noch eine Lampe - Retrolook. Und deswegen noch da.

Außerdem hat er im Flur eine Dose mit alten Münzen von 1909 aufbewahrt. "Das ist ein schönes Erinnerungsstück, auch wenn die nichts mehr wert sind." Ein alter Sessel soll neu bezogen werden, aber bis dahin wird es noch etwas dauern. Jetzt heißt es erstmal unter der Woche und am Wochenende: Einsatz auf der Baustelle. Denn "ich will ja auch irgendwann rein", sagt Schramm.

Immer weniger Thüringer bauen eigenes Haus

In Thüringen gibt es immer weniger Menschen, die ein Haus neu bauen. Das zeigen Zahlen des Landesverwaltungsamtes. So sind im Januar und Februar 2025 nur noch 99 Neubauprojekte genehmigt worden. Vor vier Jahren waren es noch fast 300. Auch der Thüringer Bauindustrieverband klagt über schlecht laufende Geschäfte - vor allem im Wohnungsbau. Die Gründe dafür seien unter anderem höhere Zinsen für Baukredite und die allgemein gestiegenen Baukosten.

Außerdem mangelt es in den Ballungsräumen an Neubaugebieten. Von der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen heißt es: "So gibt es an Standorten in Erfurt, Weimar und Jena immer wieder Nachfragen, die bei uns eingehen und die wir aktuell nicht bedienen können. Im Raum Erfurt und Weimar laufen Bemühungen unsererseits, Projekte zu realisieren - dafür müssen die Voraussetzungen noch geschaffen werden.

Ein massives Haus neu zu bauen, das kannst du dir nicht mehr leisten Mathias Schramm |

Einen Neubau haben Mathias Schramm und Mandy Eckardt durchgerechnet. "Ein massives Haus neu zu bauen, das kannst du dir nicht mehr leisten", sagt er. Unter 400.000 Euro gehe gar nichts mehr.

Auf eine ähnliche Summe kommt Steffen Fleischmann, Makler in einem Suhler Immobilienbüro. Grund seien hohe Zinsen und somit eine Rate, die bei einem Neubau schonmal bei 2.500 Euro im Monat liegen kann. "Bei den Leuten zählt vielleicht nicht immer der Gesamtbetrag, aber die monatliche Rate, das, was vom Konto runtergeht", sagt Fleischmann. Dass man wie früher auch mal kaufen konnte, weil es sich mehr rentiert als zu mieten, das gebe es heute kaum noch.

Mathias Schram mit einem Schränkchen

"Früher wusste ich nie, was da in dem Schränkchen ist", Mathias Schramm möchte das gerne als Erinnerung behalten

Hausinteressenten sind kompromissbereiter geworden

Laut Steffen Fleischmann seien die Hausinteressenten in den vergangenen Jahren deutlich kompromissbereiter geworden, wenn sie denn kaufen. Selber machen oder sich Bekannte suchen, die einem helfen, das sei immer wichtiger geworden. Die Menschen, die ein altes Haus umbauen, verzichten häufiger auf Extras, wie etwa einen Kamin. Oder sie erweitern etwa den Radius, in dem sie überhaupt ein Haus suchen.

Hauptsächlich ist es dieses Heimatgefühl, du fühlst dich hier wohl, hast deine Freunde und möchtest nicht hier weg Mathias Schramm |

Mathias Schramm und seine Partnerin haben drei Jahre nach einem Häuschen für sich gesucht. Warum sie hier in ihrem Heimatort bleiben wollen? "Hauptsächlich ist es dieses Heimatgefühl, du fühlst dich hier wohl, hast deine Freunde und möchtest nicht hier weg", sagt er.

Familienplanung spielt eine Rolle

Trotzdem hätten die beiden irgendwann auch in den angrenzenden Orten geschaut, weil die Suche so schwer wurde. Aber nach Sonneberg ziehen sei ein No-Go gewesen, Coburg oder Saalfeld seien zu weit entfernt. "Wenn du dann weiterdenkst, an die Familienplanung, wäre es schön, wenn die eigenen Eltern nicht zu weit weg sind."

Deswegen sei die Suche hier auch so schwer, sagt er. Einige der Freunde von Mathias Schramm und Mandy Eckardt würden ebenfalls "wie verrückt" hier suchen. Andere bauen Etagen bei den Eltern um oder eine Wohnung an. Trotzdem stünden einige Häuser im Dorf, die seit Jahren keine Käufer finden. "Was du teilweise auch für Häuser siehst, wo du so viel reinstecken musst. Wenn du da nicht handwerklich begabt bist, hast du keine Chance."

Wohnungsleerstand in Thüringen
Im Land stehen nach Zahlen der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft 8,1 Prozent der Wohnungen leer. Im ländlichen Raum sank die Quote von 2022 auf 2023 um 1,3-Prozentpunkte von 11,1% auf 9,8%. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass viele dieser Wohnungen zunächst an die Städte und Landkreise für die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge vermietet wurden.“ Während in Erfurt, Jena oder Weimar die meisten Wohnungen wegen Modernisierung oder Mieterwechsel leerstehen, gibt es demnach im ländlichen Raum offenbar zu wenig Nachfrage. Gründe sieht der Verband auch in fehlender Infrastruktur, ärztlicher Versordung sowie Bildung.

Auch die Preise für Bestandsimmobilien sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Das zeigen nichtrepräsentative Daten des Immobilienportals Immoscout 24 aus den Jahren 2020 und 2024. Am meisten angestiegen sind demnach die Preise in den Kreisen Schmalkalden-Meiningen, nämlich fast um die Hälfte, von 1.310 Euro auf 1.893 Euro pro Quadratmeter. Auch im Saale-Orla-Kreis sind es 535 Euro mehr für jeden Quadratmeter. Spitzenreiter ist Jena, dort kostet der Quadratmeter mehr als 4.000 Euro.

Förderung greift bei Schramm nicht

Das zukünftige Heim von Mathias Schramm und Mandy Eckardt wurde für 150.000 Euro angeboten. Weil es seiner Oma gehörte, konnten sich die Erben einigen. Einen Kredit müssen die beiden dennoch aufnehmen, auch weil sie ja parallel noch Miete für eine Wohnung in Mengersgereuth-Hämmern zahlen. "Da hilft jetzt nur Kredit aufnehmen und arbeiten", scherzt der 31-Jährige. Für eine Förderung kommen sie nicht in Frage, sagt Mathias Schramm. "Weil wir keine Kinder haben und das Haus nicht den Voraussetzungen dafür entspricht."

Ein Haus

Das Haus von Mathias Schramm ist 1969 in Mengersgereuth-Hämmern gebaut worden.

In Thüringen gibt es unter anderem das im September 2024 gestartete Bundesförderprogramm "Jung kauft Alt". Laut Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen soll es Menschen mit günstigeren Zinsen unterstützen. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Familie minderjährige Kinder hat.

Auf Anfrage teilte das Ministerium mit, dass seit Start des Programms bundesweit 394 Familien eine Zusage erhalten hätten. Für aufgeschlüsselte Daten der Bundesländer sei es noch zu früh. Das Thüringer Infrastrukturministerium sagt, das Programm dürfte keinen signifikanten Einfluss auf die Baugenehmigungen gehabt haben. Ob es in Thüringen eine Fortführung des Programms "Wohneigentum für Familien" gibt, steht laut Angaben des Infrastrukturministeriums noch unter Vorbehalt im Landeshaushalt 2025.

Wohneigentum für Familien
Wer ein Haus möchte, der braucht fast immer einen Kredit. Nach Angaben des Sparkassen- und Giroverbands Hessen-Thüringen Aufschluss sind im Jahr 2023 nur noch halb so viele Wohnungsbaukredite an Privatpersonen zugesagt worden als im Jahr zuvor. Die Anzahl der zugesagten Kredite für einen Neubau ist innerhalb eines Jahres sogar um 69,7 Prozent gesunken. Für 2024 lag das Zusage-Volumen demnach bei 3,9 Milliarden Euro. Von 2020 bis 2022 waren es bis zu 6,9 Milliarden Euro.

Von 2023 zum vergangenen Jahr sind nochmal ein Viertel weniger Neubaukredite zugesagt worden. Zugenommen hat hingegen die Gesamtzahl, hier wurden in Thüringen wieder 15 Prozent mehr Kredite zugesagt. "Der private Wohnungsbau liegt weiterhin am Boden", heißt es vom Verband.

Heutzutage kann sich doch keiner solche Summen mehr zusammensparen. Steffen Fleischmann, Immobilienmakler |

"Wir hatten im vergangenen Jahr schätzungsweise 60 bis 70 Prozent weniger Interessenten", berichtet Steffen Fleischmann. Das Büro vermittelt seit 30 Jahren Wohnhäuser. Viele würden heute länger in der alten Wohnung bleiben als früher, "bis es wirklich nicht mehr anders geht". Und sie müssten dann genau überlegen, was sie sonst alles einsparen können: Auto, Urlaub, Hobby. Außerdem sei es immer schwerer, einen Kredit zu bekommen, etwa weil viel Eigenkapital gebraucht wird. "Heutzutage kann sich doch keiner solche Summen mehr zusammensparen", so Fleischmann.

Mathias Schramm findet, auch hier wären die Kommunen gefragt. Immerhin müssten die doch froh sein, wenn die jungen Menschen auf dem Dorf bleiben und bauen wollen. Als "Zückerli" schlägt er beispielsweise vor, dass die Kommunen die neuen Eigentümer bei den Steuern im ersten Jahr unterstützen sollen. "Die Leute haben das doch eh mit einberechnet, also wäre es doch ein Anreiz, seitens der Gemeinde unterstützt zu werden."

Jetzt hat der 31-Jährige das Haus, räumt es aus und dann muss es an die Tapeten und später an die Elektrik gehen. "Achtung, jetzt kommt’s", sagt er und öffnet einen Holzschrank am Treppenabsatz. Dahinter verbirgt sich noch eine Anlage mit Drehsicherung. Mathias Schramm sagt - als gelernter Elektriker -, das könne er selbst erneuern - da kommt "nur das Material" hinzu.

Handwerker sind schwer zu bekommen

"Ich bin auf der Baustelle aufgewachsen", sagt er, sein Vater hatte das Haus als Maurer mitgebaut. Für die neue Heizung etwa braucht er aber trotzdem jemanden, damit es am Ende keinen Wasserschaden gibt. Auch hier helfe es zwar, dass man sich auf dem Dorf eben kennt und unterstützt. Die Auftragsbücher der Handwerker würden aber nicht leerer, sagt auch Mathias Schramm: Der Heizungsbauer habe erst wieder im nächsten Jahr Zeit. "Da wollte ich schon lange eingezogen sein", so Schramm. So ganz ohne eigenes handwerkliches Geschick gehe es nicht.

Hohe Kosten, Lieferengpässe, lange Wartezeiten für Handwerker und möglicherweise ungeahnte Kosten - das alles schrecke die Hausinteressenten ab, sagt Steffen Fleischmann. Auch hier geben Zahlen des Landesamtes für Statistik Aufschluss über die Bewegung am Immobilienmarkt und die Bereitschaft, Altes zu sanieren. Demnach sind auch deutlich weniger Bauvorhaben an bestehenden Häusern genehmigt worden.

Es war "Glück im Unglück", dass Mathias Schramm das Haus seiner Oma übernehmen konnte. Und dass er das Haus kennt oder erst vor wenigen Jahren neue Heiztanks angeschafft wurden. So sei es auch seiner Schwester gegangen, die im Nachbarort ein Häuschen gefunden habe, für das schon zuvor ein neues Dach gebaut worden sei. Und um diese Glücksgriffe würden die jungen Leute buhlen, so Schramm.

Ein Gewächshaus in eionem Garten

Das Gewächshaus in Mengersgereuth-Hämmern soll wieder repariert werden.

Das Haus hat für das Paar auch einen emotionalen Wert. "Ich bin hier ein Stück weit aufgewachsen, meine Familie hat gesagt: 'Das Haus bekommt mal der Mathias'", sagt der Mengersgereuther. Während er durch den Garten läuft, zeigt er auf das alte Gewächshaus, an dem ein paar Scheiben kaputt und der Holzlack abblättert. "Das möchte ich auch wieder reparieren. So ein schönes Häuschen bekommst du heute nicht mehr."

MDR (nis)